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2 Flora renoviert

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In der Annäherung an Mutters Haus fiel mir an ihrer schweren Holzhaustür eine Art „Weihnachtsgesteck“ auf, welches sich bizarr ausnahm: Ein Wirrwarr aus „Grünzeug“, roten Äpfeln, Federn (wo sie die bloß her hatte?) und pilzbewachsenen Ästen. Auf der Treppe stehend beäugte das Teil: In der Mitte des Arrangements steckte ein Rasierpinsel (!), unten baumelte ein Handfeger. Ich grinste und war mir nicht sicher, ob sie mit dieser okkultisch anmutenden „Kollage“ die Nachbarn erschrecken oder provozieren wollte (sie war in dieser Beziehung eigen), aber das „Werk“ verlieh ihrem ohnehin leicht „mystisch“ daherkommenden Haus (es war von Efeu berankt und umgeben von Kirschlorbeer und Tannen) noch mehr die Note eines verwunschenen Hexenhäuschens. Bliebe zu hoffen, dass Mutter nicht anfinge, auf dem Besen durch den Garten zu reiten!

Als ich das Haus betrat, war mein erster Gedanke nicht nur verwunschen, sondern auch verlassen, denn niemand schien zuhause zu sein. Doch als ich mir einen Kaffee aufsetzte, hörte ich „unheimlich“ schabende Geräusche aus dem Keller: Das war keine „Schabe“, das war meine Mutter! Sie musste am Werkeln sein!

Ich ging nach unten. Tatsächlich war Mutter in ihrer Werkstatt zugange, gerade beschäftigt, ein Jugendstilschränkchen zu renovieren. Mutter liebte Antiquitäten, besonders, wenn sie sie restaurieren konnte. Ordnung, sei notiert, liebte sie derweilen nicht: Hier unten sah es genauso chaotisch aus wie im Rest des Hauses. Ich lehnte mich an den Türrahmen (sie hatte mich nicht bemerkt) und ließ meinen Blick über Halden von Werkzeug und Dosen streichen.

„Hallo Mutter!“, blendete ich mich ein.

Sie fuhr herum (hatte ich sie etwa erschreckt?), strich sich hektisch durch die vom gelben Schmirgelstaub nun hellbraunen Haare, und fragte Späne pustend:

„Willst du mich umbringen? Hätt fast einen Herzschlag bekommen!“

„Nein, natürlich nicht“, antwortete ich grinsend, „Wollte mit dir sprechen. Hast du einen Augenblick Zeit?“

„Sieh an!“, hob sie skeptisch ihre rechte Braue, und ihre dunkelbrauen Augen funkelten feurig. „Hast du wieder irgendeine abenteuerliche Idee? Warst seit der Verhandlung so schweigsam. Das verheißt normalerweise nichts Gutes.“

„Ach Flora!“, schüttelte ich den Kopf, „Du müsstest mich doch besser kennen: Meine Ideen sind meist gut!“

„Ich enthalte mich eines Kommentars!“, entgegnete sie mit leicht abgesenkten Lidern, die in dieser Position ihrer Aussage eine nahezu abfällige Konnotation verliehen.

Ich erzählte Mutter von der Unterhaltung, die ich mit meiner Frau gehabt hatte, und von meinem Vorhaben, mich auf den Handel einzulassen. Mein Bericht ließ nicht aus, dass ich trotz dieser guten Neuigkeiten meine Smuk „sicherheitshalber“ nach Süden segeln wolle. Mutters erste Reaktion entsprach meinen Erwartungen:

„Finde ich klasse, was du vorhast!“

„Freut mich.“

„Weißt du“, reagierte sie weiter, „ich versteh ja nicht viel von der Segelei, aber könntest du das Boot nicht einfach in Südfrankreich lassen und diesen Torben fragen, ob du noch mal bei ihm anfangen kannst? So viel Zeit ist schließlich nicht vergangen. Würde bestimmt klappen. Du bliebest dann in deiner Forschung und die Kinder könnten im Sommer mit dir Segelurlaub an der Côte d’Azur machen.“ Ich lächelte. „Komm, ruf diesen Torben gleich an!“

„So einfach ist das nicht“, wiegte ich meinen Kopf.

„Wieso nicht?“, runzelte sie ihre Stirn.

„Weil ich mich an Zusagen halte.“

„Das versteh ich jetzt nicht“, hob sie die Brauen.

„Reaktiviere ich Torben, muss ich mich für mindestens zwölf Monate verpflichten. Ich säße also für Magnolia wie ein gebratener Enterich auf dem Präsentierteller und könnte kaum reagieren, wenn ihr doch einfiele, an mir rumzupicken. Abgesehen davon läuft noch das Verfahren mit Magnolias Vater. Wenn ich das verliere und nicht sofort abtauchen kann, muss ich diesem Heini dreißigtausend Euro zahlen und meine Reserven sind futsch. Dann bliebe mir kaum eine Option, was für mich keine Option ist. Deshalb muss ich ein paar Monate abwarten und sehen, wie sich die Lage entwickelt. Und die Zeit nutze ich besser, mit Smuk ein Setting zu erreichen, aus dem ich bei Bedarf problemlos weitersegeln kann. Verstehst du?“

„Warum ist dir dein scheiß Segelboot bloß so wichtig?“

„Mittlerweile habe ich erkannt, dass es für mich eine Art Lebensversicherung ist. Ein Leben auf dem Boot wäre nicht nur eine Notlösung, sondern ein Leben, das mir gefiele. Besser auf jeden Fall, als irgendwo als Magnolias Geldkuh herumzuvegetieren und ob ‚Melkschadens‘ die Kinder ohnehin nicht sehen zu können.“

Mutter nickte ernst.

Die Methode Cortés

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