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8 Spagetti

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Am Sonntagabend gab ich die Kinder bei ihrer Mutter ab. Die Nacht verbrachte ich in Höningen, da ich Onkel Richard tags darauf den „Renault“, den er mir geliehen hatte, zurückgeben musste.

Meine Mutter hatte zum Abendessen Spagetti bereitet, die gar nicht so schlecht schmeckten. Sie überraschte mich immer wieder mit ihren „Kochkünsten“, die nach jahrzehntelangem Training zuweilen sogar das Niveau des Genießbaren zuwege brachten. Vergleichbar – für mich als „Genießenden“ – war das mit dem Erleben des geschundenen Galeerensklaven, der froh war, nur noch den steinharten Zwieback hinunterschlingen zu müssen, und nicht mehr das madendurchsetzte Schimmelbrot. Vielleicht übertreibe ich, aber egal. Jedenfalls fing meine Mutter unvermittelt inmitten meiner (verzweifelten) Bemühungen, meinen Teller zu leeren, an:

„Jakob, siehst du nicht, dass die Kinder dich brauchen?“

„Worauf willst du hinaus?“, schmatzte ich zurück.

„Das weißt du genau! Auf deinen Plan mit diesem Boot.“

Ich schluckte tapfer und erläuterte:

„Darüber hatten wir uns doch unterhalten. Sehe ich im Grunde wie du. Du weißt aber, dass es bei dem gegebenen Status Quo Limitationen gibt, auf die ich keinen Einfluss habe.“

„Du kannst nicht einfach aufgeben! Du musst um deine Kinder kämpfen!“

„Ich habe in den letzten zwei Jahren nichts anderes gemacht. Die Konsequenzen, die diese Bemühungen für meine finanzielle und berufliche Situation hatten, kennst du. Momentan sieht es so aus, als wäre Magnolia doch noch zur Vernunft gekommen. Wenn sich dies bestätigt, gut. Wenn nicht, weiß ich, was ich zu tun habe. Oder wolltest du nochmals den Reiz alternativer Optionen diskutieren?“

„Nein“, runzelte sie ihre Stirn.

„Prima. Können wir jetzt das Thema wechseln?“

„Ja. Hat ja doch keinen Sinn“, entgegnete sie ärgerlich.

Wir sahen uns an. Nach einem Moment sank mein Blick auf meinen Teller. Ich überlegte, ob ich noch Spagetti essen solle. Der Mensch braucht Kraft und immerhin hätte ich einige Anstrengungen vor mir. Ich nickte und nahm mir eine Spagetti vor, die einem depressiven Wurm gleich am Tellerrand lag und an der nur wenig Soße klebte. Entschlossen wickelte ich.

„Hat mich überrascht“, unterbrach Mutter meine Bemühungen, „wie Richard das letztens mit Magnolia hingekriegt hat.“

„Ach das!“, nahm ich diese Unterbrechung dankbar an, und bestätigte: „Mich auch.“

„Hast du eine Ahnung, wie er das gemacht hat?“

„Nicht die geringste“, schüttelte ich den Kopf, und legte mein Besteck zur Seite (diesem widerspenstigen Wurm konnte ich mich später widmen).

„Meinst du, dass er ein Druckmittel gegen sie hat?“

„Das weiß ich nicht. Aber lustig, dass du diese Frage stellst. Die hab ich mir nämlich auch schon gestellt.“

„Und? Hast du ihn gefragt?“

„Hab ich.“ Meine Mutter sah mich gespannt an. Ich löste ihre Spannung: „Er hat verneint und gesagt, das beruhe alles auf seinem ‚genialen Verhandlungsgeschick‘.“

„Hm“, wiegte meine Mutter skeptisch ihren Kopf, „Ich weiß nicht, ob ich ihm das abkaufen soll.“ Dies wusste ich auch nicht. Mein Mutter überlegte einen Augenblick, und fuhr fort: „Das mit dem Verhandlungsgeschick stimmt zwar. Richard ist ein guter Geschäftsmann und überreden kann er jemanden schon. Aber Magnolia ist ein harter Brocken, störrisch bis zum Abwinken.“

„Vermutest du was?“, wurde ich nun neugierig.

„Nichts Konkretes. Aber ich weiß, dass er gemein werden kann, wenn er etwas will und es nicht bekommt.“

Wir sahen uns in die Augen. Ich sagte:

„Kann ich mir vorstellen. Und?“

„Nichts ‚und‘. Ich hab wie gesagt keinen konkreten Verdacht, aber das Gefühl, dass er getrickst hat.“

Auch dieses Gefühl hatte ich. Ich überlegte, und artikulierte eine Ahnung, die ich seit Tagen mit mir herumschleppte:

„Kannst du dir vorstellen, dass er Magnolia etwas von meinem Reisevorhaben gesagt hat, um ihr klar zu machen, dass sie überhaupt nichts mehr bekommt, wenn ich weg bin?“

„Absolut nicht!“, entgegnete Mutter ohne nachzudenken, „Das würde er nie tun. Er unterstützt dich. Außerdem bist du seit Gerhards Tod so etwas wie ein Ersatzsohn für ihn. Richard würde dir nie in den Rücken fallen, so hilfreich es in dieser Situation auch wäre.“

„Bitte?“, regte ich mich ein wenig auf.

„Na, das ist doch wirklich ein Hirngespinst mit deiner Reise! Irgendwie müsste man dich davon abbringen!“

Ich wurde hellhörig und erkundigte mich:

„Spielst du etwa mit dem Gedanken, in dieser Richtung ...?“

„Jakob!“, unterbrach sie mich mit ernstem Blick, „Du müsstest doch wissen, dass auch ich dir nie in den Rücken fallen würde. So spinnert dein Plan auch ist.“

„Beruhigend“, war ich nicht ganz beruhigt. Wir stierten auf meinen Teller. Mein Wurm lag noch immer da. Unvermittelt fragte ich Mutter: „Hast du ihn mal gefragt, wie er das mit Magnolia hinbekommen hat?“

Mutter blickte überrascht auf und sagte:

„Ja. Hat mir das Gleiche gesagt wie dir.“

„Na ja“, hob ich zweifelnd die Brauen und schloss: „Lassen wir das besser.“ Mutter nickte. Die Unterhaltung hatte mir nicht gefallen. Mir missfiel, nicht weiterzukommen mit einem Thema. Also besann ich mich eines Themas, mit dem ich nicht nur weiterzukommen gedachte, sondern mit dem weiterzukommen mir auch möglich erschien: „Aber was anderes: Fährst du morgen mit mir zu Richard, den Wagen abgeben?“

„Ach, deinen ‚Renault‘!“, schreckte sie auf, schnaufte „Klar“ und ergänzte griesgrämig: „Und wenn du willst, fahr ich dich auch zum Bahnhof, damit du schön schnell zu deiner Smuk kommst.“

„Das ist überaus lieb von dir, danke.“

Sie wandte sich zur Küche, schaute zu mir zurück, und fragte:

„Willst du noch Spagetti?“

„Nein danke“, wehrte ich ab, „Ich bin furchtbar satt.“

Die Methode Cortés

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