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23 Pianistentraum

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Zuerst fing er vielversprechend an. Ich war ein weltberühmter Pianist (die neue Hoffnung des E–Musik Genres sozusagen) und hatte just ein Konzert gegeben. Beethovens Appassionata, soweit ich mich entsinne. Mit meinen letzten Takten, die mir besonders gut gelungen waren, brach die Begeisterung der tobenden Massen alle Dämme. Ich verbeugte mich befriedigt lächelnd vor ihnen (den Massen) und meine schönen, frisch frisierten Haare wehten wild im tosenden Applaus. – Da juckte es unverhofft an meiner rechten Hand. Ich schaute nach und entdeckte eine leicht irritierte Stelle. So etwas wie ein Pickelchen, das da vorher nicht gewesen war.

In der nächsten Sekunde sah ich mich der ernsten Miene des Leiters eines international renommierten Ärzteteams gegenüber, der mich um Fassung ringend aufklärte, dass es sich bei meinem Pickel um ein malignes Melanom handele. Im Frühstadium, zum Glück. Aber man müsse amputieren.

Ich war zerschmettert. Doch warum sollte es mir anders gehen als anderen Ikonen menschlicher Kultur. Die Besten sterben eben früh. Ich wollte dann aber doch noch nicht sterben und willigte in den Eingriff ein.

Bei meinem letzten Frühstück vor der Operation – ich hatte mir zart geröstete Croissants mit Heidelbeergelee servieren lassen – stand der Arzt auf einmal vor mir. Er eröffnete:

„Ich habe Ihren Fall nochmals mit einem Kollegen diskutiert. Eindeutig wird Ihr Körper durch die geplante Maßnahme seiner Harmonie beraubt. Es fehlt dann einfach die rechte Hand. Einzig zu verhindern ist diese Unausgewogenheit, indem wir auch das linke Bein entfernen. Beide Amputationen können wir in einer OP durchziehen. Kein Problem, Herr Zucker, wirklich gar kein Problem. Und Sie wären wieder in Ihrer Gesamtkomposition äquilibriert.“

Das war natürlich einleuchtend und ich stimmte dem erweiterten Eingriff schweren Herzens zu.

Im folgenden Moment sah ich mich auf dem Operationstisch. Ich hatte ein lila Puffhöschen an. Eigentlich hätte es eher als eine seltsam kolorierte Operationshaube durchgehen können, wenngleich dies nicht der wesentliche Punkt war. Der war, dass mein Operateur wie selbstverständlich mit einem Skalpell auf mich zugeschritten kam. Beiläufig bemerkte der Herr:

„Ich muss nur schnell die Linie markieren, an der wir absetzen. Wollen Sie’s hier haben? Oder lieber da?“

Und er begann, mit seinem Skalpell an meinem linken Oberschenkel herumzukratzen. Wenigstens hatte der Mann sich nicht in der Seite geirrt. In der Boulevardpresse hört man ja von manch peinlichem Schnitzer in dieser Richtung. Ob der Seite beruhigt, fand ich es indessen nicht so toll, dass dieser Typ schon jetzt anfing, mit diesem Skalpell an meinem Bein herumzufummeln. Hätte er damit nicht warten können, bis ich in der Narkose war. Barbarisch! Ich wies ihn auf diese Geschmacklosigkeit hin. Er erwiderte:

„Das versteh ich. Tschuldigung. Hatte gerade nichts anderes zur Hand. Haben Sie eventuell einen Kugelschreiber?“

Das Maß war voll! Energisch wies ich den Arzt darauf hin, dass ich keinen Kugelschreiber hätte. Und hätte ich einen, gäbe ich diesen ihm bestimmt nicht. Überdies könne er sich die Amputation meines Beines abschminken. Das beziehungsweise die gehe nun beileibe zu weit – Harmonie hin, Harmonie her. Da wäre ich ja außerstande gesetzt, dahin zu gehen, wohin ich gehen wolle. Und ich erwachte erschüttert aus meinem Traum.

Meine Hand kriegt der Lump auch nicht!, war mein erster Gedanke in der wiederbetretenen Realität. Noch als ich frühstückte, war ich deutlich konsterniert. Zwar war mein Traum nur ein Traum – ein beklemmender zweifelsohne –, allerdings dachte ich über ihn nach.

Absurde Idee, das mit dem Bein. Die Hand ließe ich mir auch nicht abschneiden. Schließlich brauchte ich sie noch für die angesetzten Konzerte. Ich durfte doch meiner Gefolgschaft nicht diese letzte Chance nehmen, meinen sphärischen Klängen zu lauschen. Und mir auch nicht. Nein. Mich um genau das zu bringen, was mir am wichtigsten war, wäre keine Option. Dann lieber früher sterben.

Die Methode Cortés

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