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Wahlscheid, Mai 2003 Christina

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Die paar Tage in Köln hatten ihrem Deutsch gutgetan. Bisher konnte sie sich nur selten dieser Sprache bedienen und wenn, dann nur selten mit Muttersprachlern. Das kleine Hotel hinter dem Hauptbahnhof war von Kurzzeittouristen aus aller Welt bewohnt, das Personal sprach auch alles – außer gutem Deutsch. Ein kurzer Spaziergang um den großen Kirchenbau, auf den sie aus ihrem Zimmer blickte, brachte sie am Abend in ein Kölner Brauhaus. Vom Namen „Schreckenskammer“ angelockt, hatte sie sich bei Krüstchengulasch und Kölsch mit den Eigentümlichkeiten des Dialekts und dem sehr speziellen Humor der Bedienung vertraut machen können.

Von ihrer EMail-Bekanntschaft in Lohmar hatte Christina Werner Merkelbachs Telefon-Nummer erhalten und in der Früh dort angerufen. Sie hatte damit gerechnet, dass es einige Zeit dauern würde, einen der Heiminsassen an den Apparat zu rufen. Um so verwunderter war Christina, als ihr die Stimme am anderen Ende mitteilte, sie in die Wohnung von Werner Merkelbach durchzustellen. Statt der üblichen Kaufhausmusik in der Warteschleife, erzählte jemand Witze in kölnischer Mundart, die sie aber nicht verstand, bis sich Merkelbach meldete. Sie stellte sich kurz vor, erläuterte ihr Anliegen und Merkelbach erklärte ihr den Weg durch Wahlscheid, nachdem sie sich für zwölf Uhr verabredet hatten.

Christina fuhr mit ihrem Mietwagen die kurze Zufahrt zum Anwesen und stellte den gemieteten Golf auf dem Parkplatz vor dem Hofgelände ab. Ein Teil des mit Rasengittersteinen ausgelegten Platzes war mit einer Art Pergola überdacht, unter der einige Caddies standen, wie sie auf Golfanlagen übers Green hoppeln, und verwundert erblickte Christina eine original indische oder indonesische Fahrrad-Rikscha. Zwischen dem Parkplatz und dem ersten Gebäude war ein Garten mit Kräutern und Gemüse angelegt, der wild und etwas chaotisch, gleichzeitig aber auch liebevoll geordnet aussah – ein Ambiente, das Christina auf dem gesamten Anwesen wiederfinden sollte. Ein Kiesweg zum Haus führte sie an mehreren Gartentischen mit hochgeklappten Stühlen und einigen rostigen Eisenskulpturen vorbei: ein riesiger, auf der Schwanzflosse stehender Fisch, ein aus Tausenden von Muttern, Schrauben, Federn und anderen Eisenteilen zusammengeschweißter Drache, der sie aus drei Metern Höhe verschmitzt anlächelte und einige andere archaisch aussehende Skulpturen. Der breite Hof wurde von zwei neueren Gebäuden links und rechts sowie in der Mitte von einem großen, zweieinhalb Stockwerke hohem Fachwerkbau umfasst. Rechts am Haus stand ein kleiner Lieferwagen neben einer verschlossenen Eisentür, offenbar ein Lieferanteneingang. „Metzgerei und Partyservice Herchenbach“ war auf der Rückseite des Wagens zu lesen. Das obere rechte Viertel der doppelten Klöntüre in der Mitte des Fachwerkhauses stand offen und der Rest wurde gerade von einer älteren Frau aufgestoßen, die angeregt mit einer vielleicht 20-jährigen Farbigen schwatzend das Haus verließ. Beide trugen Bademäntel und rubbelten sich mit ihren Handtüchern die Haare. Über der Eingangstüre war vor einem der weiß gestrichenen Fachwerkelemente eine grellblaue Neonröhre angebracht, deren Schleifen den Namen „Carpe Diem“ formten.

Durch einen offen stehenden Windfang betrat Christina einen großen Raum, der mehr als die Hälfte der Gebäudefläche einzunehmen schien. Geradeaus vor ihr gab es eine lange Theke mit einigen Barhockern, dahinter konnte man durch mehrere offene Schiebefenster in eine professionell eingerichtete Küche blicken, in der sich jemand laut und falsch vor sich hinpfeifend an Geschirr und Töpfen zu schaffen machte. Im Raum standen etwa zehn Tische, die zu einer großen Tafel zusammengeschoben waren, darauf niedergebrannte Kerzen, verschiedene leere und halbleere Gläser und einige zerlesene Zeitungen. Das wenige Licht, das durch die Butzenfenster in den Raum gelangte, wurde durch versteckte, künstliche Beleuchtung und den freundlichen Anstrich aufgehellt. An den Wänden hingen Bilder, die jeweils mit einem kleinen Schildchen versehen waren, wie man es aus Museen oder von Ausstellungen her kennt. Rechts von der Türe nahm Christina jetzt eine kleine Empfangstheke wahr, hinter der eine ältere, sehr gepflegt aussehende Dame, mit einem kabellosen Headset professionell ausgestattet, telefonierte. Ihr gehörte wohl die gleiche Stimme, die Christina am Morgen zu Werner Merkelbach durchgestellt hatte. Ab und zu tippte die Frau etwas in die Tastatur oder bewegte die Maus. Offenbar gab sie eine Bestellung durch, jedenfalls arbeitete sie mit ihrem Gesprächspartner eine Liste ab.

Christinas Gefühl schwankte zwischen Befremden und Verwunderung. So hatte sie sich ein Altenheim eigentlich nicht vorgestellt, dennoch fühlte sie sich mit diesem Ort irgendwie verbunden.

„So – nun bin ich für Sie da“, die Stimme hinter der Empfangstheke richtete sich an Christina. „Was kann ich für Sie tun.“

„Ich habe heute morgen angerufen und mich mit Herrn Merkelbach verabredet.“ – „Ah, die Frau Hudson. Jaja, ich weiß Bescheid. Der Herr Merkelbach ist noch mit einem Lieferanten zugange, aber sie sind sicher gleich fertig.“

„Ich bin die Christel.“ Die Frau mochte Mitte Sechzig sein. Sie kam um die Theke herum und streckte der Besucherin die Hand entgegen. „Wenn unsere Sekretärin frei hat, schmeißen wir den Laden selber. Entschuldigen Sie bitte die Unordnung. Es hat gestern Abend eine ziemlich heftige Feier gegeben. Einer der Studenten hat das Examen bestanden und da ist es ein bisschen spät geworden.“

„Ich verstehe nicht ganz …“ – „Das tun die Wenigsten.“ Christel winkte ab und grinste: „Wissen Sie, meine Liebe, wenn wir Alten hier alleine wohnen würden, wären wir längst eingerostet. So halten sie uns am Leben und wir sorgen dafür, dass die Küken was Ordentliches zwischen die Rippen kriegen. Die Alternative heißt Altersheim und da will eigentlich vorläufig jedenfalls keiner von uns hin. Alles zu seiner Zeit. Kann ich Ihnen einen Kaffee oder einen Espresso anbieten? Kommen Sie, setzen Sie sich einen Moment an die Theke.“

„Ein Espresso wäre nicht schlecht.“

Christel schritt voran hinter die Bar und hatte im Handumdrehen einen Espresso, den Topf mit dem Zucker und ein paar Kekse auf die Theke gestellt. Ein Glas mit Wasser aus dem Wasserhahn an der Spüle stellte sie daneben. „Das ist bestes Talsperrenwasser und gesünder als die teure Brühe aus den bunten Flaschen. Wir versuchen uns hier ein bisschen Lebensart und Würde zu bewahren. Zwei- oder dreimal in der Woche haben wir diese Hütte als Restaurant geöffnet. Dann sind wir im Einsatz, um die Herrschaften zu bedienen, die sich unsere Küche leisten können. Von den Einnahmen bezahlen wir dann die Gasrechnung und schon mal den Dachdecker, wenn wieder mal der Kamin undicht ist.“ Christina stellte verwundert fest, wie sehr sich diese agile Lady von ihrer Mutter unterschied, und war umso gespannter auf das Gespräch mit dem früheren Bekannten ihrer Großmutter.

„Wenn ich fragen darf – wie alt ist Herr Merkelbach denn eigentlich jetzt?“ – „Der Werner? Ich glaube, er ist 25 geboren, dann müsste er jetzt 78 sein. Und immer noch ziemlich fit.“

„Die beiden Frauen, die eben aus dem Haus kamen, bevor ich eintrat – sind das –äh– Bewohner hier?“ Christina war irritiert, weil ihr nicht das richtige Wort einfallen wollte. Christel grinste. „Sagen Sie ruhig Bewohner, obwohl wir ja eigentlich nur Mieter sind. Aber wir sind Mieter bei einer GmbH, die uns selber gehört. Die beiden kamen aus unserem Jungbrunnen. Dahinten im Anbau ist eine Sauna, ein Fitnessraum und ein kleines Schwimmbad. Schließlich wollen wir gesund bleiben.“

Draußen hörten sie Reifen über den Kies knirschen und durch eines der Fenster konnte man den Lieferwagen davonfahren sehen. „Da fährt der Klaus. Jetzt wird der Werner sicher gleich kommen. Ich denke, ihr wollt in Ruhe reden und solltet in seine Wohnung rübergehen.“

Eine Tür in der Küche öffnete sich und Werner Merkelbach trat hinein. „Mir fallen die Zähne aus. Dein Geflöte ist schlimmer als das Getute vom Kerstin.“ Eine der Studentinnen, die ein Zimmer im Neubau bewohnte, hatte sich kürzlich ein Saxophon gekauft und übte ebenso fruchtlos wie penetrant. „Du willst doch nicht sagen, dass du noch Zähne hast, die dir ausfallen könnten.“ Die Stimme von Herbert dem Koch aus der Küche klang ziemlich respektlos, bevor sie wieder von der eigenwilligen „Hey Jude“-Interpretation abgelöst wurde. Herbert Linke, genannt „Boküß“, war die kulinarische Seele des „Carpe Diem“ und nach Jahren als Schiffskoch auf verwanzten Seelenverkäufern und noblen Kreuzfahrtschiffen in Wahlscheid gestrandet.

Jetzt bemerkte Werner den Besuch, der an der Theke saß und sich mit Christel unterhielt. Er trat durch die Tür hinter der Theke auf sie zu und blickte die junge Frau interessiert an.

„Du musst Christina sein. Genauso schön wie ihre Großmutter, nur mit blauen Augen und anderen Haaren. Oder sind die gefärbt? Heute weiß man ja nie …“ Er reichte Christina die Hand. „Ich bin Werner Merkelbach. Wir haben ein Rendezvous.“ Christina war beeindruckt von dem mittelgroßen, schlanken Mann mit den grauen, strubbeligen Haaren, der sie mit einem herzlichen, festen Händedruck begrüßte. Er trug eine blaue Arbeitshose und ein kariertes Hemd, das er achtlos mit einem Knopf im falschen Loch zugeknöpft hatte.

„Hallo Herr Merkelbach.“ Mehr kriegte Christina nicht über die Lippen.

„Nix mit Herr. Ich heiße Werner. Ich denke, wir gehen rauf in meine Wohnung. Da können wir in Ruhe reden. Was zu trinken gibt es da auch. Komm!“ Er zupfte Christina kurz am Ärmel und sie verließen den Raum durch eine Tür neben der Theke. Sie betraten einen langen Flur und gingen vorbei an den Toiletten und dem Teil, in dem offensichtlich die von Christel erwähnten Fitnessräume und das Schwimmbad untergebracht waren, wie sie an dem leichten Chlorgeruch bemerkte. Über die Treppe am Ende des Ganges gelangten sie zum oberen Stockwerk, wo Werner die rechte von zwei Wohnungstüren öffnete. Sie betraten eine kleine, gemütliche Zweizimmerwohnung. Die gesamte vordere Wand des großen Wohnraums bestand aus in die Dachschrägen eingearbeitete Glastüren, die den Blick freigaben auf eine große Terrasse und den Campingplatz, der sich ein Stück weit den Fluss entlang streckte.

„Kann ich dir einen Kaffee anbieten oder einen Saft oder ein Wasser?“ Christine entschied sich für einen Saft und Werner stellte ein Glas Apfelsaft auf den kleinen Tisch vor dem Fenster. „Setz dich und erzähl mir von deiner Oma Michaela.“

Zuerst stockend und zurückhaltend, dann – als sie mehr und mehr Vertrauen zu dem Mann gegenüber gefasst hatte – flüssig und gestenreich, erzählte sie von ihrer Großmutter, ihrer Mutter und von den Unterlagen, die sie gefunden hatte. Sie hatte einige der Tagebücher und den Brief des Bonner Anwalts eingesteckt und legte sie nun nebeneinander auf den Tisch. Werner schien sich besonders für das Schreiben des Anwalts zu interessieren.

„Das ist ja interessant“, meinte er und blickte Christina an. „Warum hat Michaela mich nicht direkt angeschrieben? Sie muss doch meine Adresse gekannt haben und selbst, wenn sie nicht gewusst hat, ob es mich noch gibt, hätte sie es doch einfach versuchen können.“

„Vielleicht hat sie es ja getan, aber es gibt nur Hinweise auf Sie – äh – auf dich und deine Familie aus den Jahren vor dem Krieg. Was könnte sie mit den Bemerkungen über das böse Pack gemeint haben, das alles genommen hat? Und wer sind die Leute, die der Bonner Anwalt gefunden hat? Den Anwalt habe ich übrigens nicht gefunden. Ist ja auch 50 Jahre her.“

„Hmm – keine Ahnung. Ich müsste mich mal umhören und einige Informationen zusammensuchen.“

„Erzähl´ mir was über meine Großmutter. Wie war sie?“ – „Nun, wir waren Kinder. Michaela und ihr kleiner Bruder kamen mit ihren Eltern vor dem Krieg oft nach Wahlscheid. In der Stadt wurde das Leben für Juden damals immer schwieriger. Seit der Krieg angefangen hatte, seit ´39 oder so, sind sie nicht mehr gemeinsam hier gewesen. Ihre Eltern sind wohl in einer der Bombennächte 1943 umgekommen und Michaela war damals noch einmal hier in Wahlscheid, wenn ich mich recht entsinne. Danach haben wir nie wieder etwas von ihnen gehört und du bist jetzt das erste Lebenszeichen seit damals.“

Werner war ans Fenster getreten und starrte hinaus. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Auf der anderen Seite des Flusses konnte er einige Leute mit Gerätschaften auf den Hügeln des Golfplatzes sehen, der vor einigen Jahren dort angelegt worden war. Er hatte nie verstanden, wie man seine Zeit damit vergeuden konnte, für einen Haufen Geld kleine weiße Bälle durch die Gegend zu prügeln, die dem Gärtner dann beim Rasenmähen in Einzelstücken um die Ohren flogen.

„Hast du …“, Christina stockte. „Ich meine … du hast meine Oma gern gehabt, nicht wahr?“

Werner blieb am Fenster stehen und rührte sich nicht. Das Klingeln des Telefons ersparte ihm schließlich eine Antwort. Er atmete tief aus und fingerte erleichtert sein Handy aus der Hemdtasche.

„Ja? – Ist gut, ich komme runter.“ Er steckte das Gerät wieder in die Tasche zurück und wandte sich an Christina. „Tut mir leid, ich muss ‘runter. Es gibt wieder Ärger. Wir müssen später weiterreden. Lass die Sachen hier liegen und komm einfach mit.“

Auf dem Weg nach unten erläuterte er Christina, was passiert war. „Seit Jahren versuchen die mit allen Mitteln, uns das Leben schwer zu machen. Zuerst wollten sie die Kneipe schließen, angeblich wegen unsauberer Toiletten oder irgendwelcher Vorschriften, die wir in der Küche nicht eingehalten haben, und nun zaubern sie diese uralte Geschichte mit dem Aggerwasser wieder hervor. Angeblich ist das Wasser unterhalb unseres Campingplatzes mit Pestiziden verseucht. Dabei haben wir schon vor Jahren ein Gutachten vorgelegt, nach dem unsere Seite der Agger damit nichts zu tun haben kann. Ab übernächstes Jahr müssen die Mindestabstände von 30 Metern vom Fluss zu den ersten Campingwagen eingehalten werden. Bei uns ist das schon seit Langem der Fall. Aber wenn man hier nicht in der richtigen Partei ist, kriegst du halt laufend Ärger. Den Großkopferten, die mit ihren Golfschlägern gegenüber durch die Wiesen röcheln, ist der Platz sowieso ein Dorn im Auge.“

Als die beiden den Raum betraten, unterbrachen die drei Männer an der Theke des Restaurants ihr Gespräch, nur um sofort gleichzeitig auf Werner einzureden.

„Können wir uns darauf einigen, dass einer spricht und die anderen zuhören?“ Werner ließ klar erkennen, dass er nicht beabsichtigte, sich die Zügel aus der Hand nehmen zu lassen. Zwei der drei Männer waren Mieter auf dem Campingplatz und mit Werner seit vielen Jahren befreundet. Der Dritte im Bunde war ein junger Bursche von der Stadtverwaltung. Werner kannte ihn als Mitarbeiter des Ordnungsamtes.

„Nun – was gibt´s denn?“, wandte sich Werner an ihn. „Ich soll eine Wasserprobe am Campingplatz nehmen und diese Herren wollen mich nicht auf den Platz lassen. Sie haben mich bedroht und durch den Dreck über die Wiese gejagt.“ Werner blickte auf die bis zum Knöchel mit Lehm eingesauten Füße des städtischen Angestellten und musste grinsen, als er sich vorstellte, wie die beiden Rentner im Trainingsanzug den Bengel im Anzug durch die matschige Wiese an der Agger vor sich hergetrieben haben.

„Und jetzt kommen Sie mit diesen dreckigen Schuhen hier herein und sauen mir den Fußboden ein! Was würden Sie sagen, wenn ich solch einen Siff in Ihrem warmen Büro im Rathaus hinterlassen würde?“, schimpfte Werner und musste aufpassen, nicht laut loszuprusten. „Was hat eigentlich die Stadt mit der Angelegenheit zu tun? Das ist doch Sache der Unteren Wasserbehörde.“

„Darüber kann ich Ihnen nichts sagen. Ich habe von meinem Chef diesen Auftrag bekommen und ich finde es unerträglich, wenn ich derart …“

„Jetzt halt mal die Luft an, Jungchen.“ Werner erstickte den Wortschwall im Keim. „Hier hat niemand was zu suchen, der sich nicht ausgewiesen hat. Haben Sie das?“

Jungchen blickte verstört von einem zum anderen. „Siehst du, haste nicht“, nahm ihm Werner die Antwort ab. „Die beiden Herren hier haben vollkommen richtig und in meinem Sinne gehandelt. Schließlich wollen wir doch nicht, dass irgendwer schlimme Sachen ins Wasser kippt, nicht wahr? Und jetzt entspannen Sie sich und wir vertragen uns wieder.“ Den beiden Campern zwinkerte er zu: „Der Herr tut ja nur seine Pflicht.“

„Dürfen wir Ihnen einen Espresso oder einen Kaffee anbieten? Ihr zwei habt sicher Durst auf ein Kölsch“, schlug er nun wieder versöhnliche Töne an. „Wir warten gemeinsam das Schäuerchen ab und dann begleiten Sie die beiden Herren zur Agger hinunter und Sie können sich Ihr Pröbchen holen. Einverstanden?“

Einer der beiden Camper wollte schon hinter die Theke, um die Getränke fertig zu machen. Normalerweise war das auch kein Problem, wenn die Kneipe nicht geöffnet war, aber Werner hielt ihn am Ärmel fest und rief Christel hinzu. Er wollte dem Typen vom Ordnungsamt keine Handhabe geben, wenn sich jedermann bei ihm hinter der Theke zu schaffen machen konnte. Christel ließ dann auch sogleich die offene Keksschüssel und den Zuckertopf verschwinden und tauschte sie gegen ordnungsgemäß eingepackte Ware aus.

„Möchten Sie einen Cognac dazu?“ Werner gab Christel einen Wink und sie begriff sofort, was zu tun war. Sie goss dem Besuch einen ordentlichen Schluck ein und stellte den großen Weinbrandschwenker neben den Kaffee.

„Zum Wohl. Wenn man bei dem Wetter rausgeschickt wird, sollte man es sich wenigstens gut gehen lassen.“

Jungchen war zwar etwas verunsichert, ließ sich aber Kaffee und Schnaps schmecken.

„Sie müssen doch sicher auch oberhalb des Campingplatzes und gegenüber vor dem Golfplatz eine Probe nehmen?“ Werner war jetzt ganz charmant.

„Nein, eigentlich nur hier. Es soll wohl ein Gutachten angefordert werden.“ Er war in die Falle getappt und Werner wusste nun, was er wissen wollte. Die Gegenseite rüstete zu einem neuen Angriff. Es dauerte nicht lange und Werner hatte nach zwei weiteren Cognacs einiges an Informationen aus dem jetzt etwas angeschlagen wirkenden jungen Mann herausgefragt.

„Kümmert euch doch bitte um unseren Freund, es ist ja jetzt alles geklärt. Wenn der Regen aufgehört hat, begleitet ihn bitte zur Agger runter“, verabschiedete sich Werner nach einer Weile. „Wie ihr seht, habe ich Besuch.“

Als sie später wieder in seiner Wohnung aus dem Fenster blickten, sahen sie den Burschen mit den beiden Campern reichlich angeschickert über die Wiese zum Fluss hinunter stapfen. Seinen Besuch hier würde er so schnell nicht vergessen und Werner war sicher, dass er heute nicht mehr zu seinem Arbeitsplatz zurückkehren würde. Seine Freunde würden sich gut um ihn kümmern.

„Tja, Christina – wie kommen wir jetzt weiter? Mich interessiert natürlich auch alles, was damals passiert sein mag. Lass uns in ein paar Tagen noch einmal miteinander reden, wenn ich ein paar Erkundigungen eingezogen habe. Wenn du willst, kannst du so lange hier wohnen. Wir haben ein Gästezimmer, wo du einziehen kannst.“

Christina fand die Idee durchaus reizvoll, zog es aber vor, in der Stadt zu bleiben. „Ich möchte mir noch ein paar Tage die Stadt ansehen. Danach sehen wir weiter.“

„Dann komm wenigstens am Samstag in drei Wochen wieder her. Es werden eine Menge Leute hier sein und tüchtig feiern. Ich sag Christel Bescheid, dass sie dir das Zimmer reserviert. Dann musst du nachts nicht mehr nach Köln zurück.“

Christina war einigermaßen beeindruckt von der Lebensart der Menschen hier und auf der Rückfahrt in ihr Kölner Hotel sann sie darüber nach, wie sich ihr Vater wohl in die vitale Lebensgemeinschaft hier eingefügt hätte.

Werner stand noch eine ganze Weile nachdenklich in der Klöntür, nachdem der Mietwagen mit der jungen Frau längst von der Zufahrt auf die Hauptstraße abgebogen war. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sich da ein Unwetter zusammenbraute. Als sie sich herzlich verabschiedeten, hatte Christina versprochen, in ein paar Tagen wiederzukommen. Bis dahin wollte Werner einiges geklärt haben.

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