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VI. Verhalten des Verletzten während der Hauptverhandlung
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Für den Verletztenanwalt gilt auch hier zunächst Ähnliches wie für den Strafverteidiger: Nur mit ausreichender Distanz sowohl zum Mandanten als auch dem Tatgeschehen lassen sich die Interessen des Verletzten verantwortungsvoll und optimal vertreten. Dabei wird dem anwaltlichen Vertreter des Betroffenen oft eine starke eigene Zurückhaltung abverlangt und erforderlichenfalls dem Mandanten die Einschaltung von psychosozialer, psychologischer und psychiatrischer Betreuung zu empfehlen sein, die inzwischen gesetzlich geregelt ist (§ 406g StPO).
Vor der Hauptverhandlung ist eine zusätzliche Vorbereitung des Mandanten, der den wesentlichen Teil der Ermittlungsakten kennen sollte, dringend erforderlich, um dem meistens unter starkem psychischen Druck stehenden Verletzten soweit wie möglich die Angst vor dem Prozess, vor dem Wiedersehen des Täters und vor dem Wiedererleben des Geschehens zu nehmen.[1] Eine Einführung in den Prozessablauf, die Darstellung der Rollenverteilung aller Verfahrensbeteiligten bis hin zu einem Besuch des Sitzungssaals vor der Hauptverhandlung können sich dabei als nützlich erweisen.
Bei manchen Angehörigen von Verletzten ist die Hauptverhandlung gelegentlich ein Teil der eigenen Trauerarbeit. Hier kommen auf den Verletztenanwalt zusätzliche Aufgaben zu, die einerseits viel psychologisches Geschick erfordern, aber auch die Durchsetzung der Rolle als Verletztenanwalt und damit als Organ der Rechtspflege zeigen. Neben den prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit, der Vernehmung in Abwesenheit des Angeklagten u. ä. ist dem Betroffenen oft viel geholfen, wenn ihm das Gefühl vermittelt werden kann, dass sein anwaltlicher Vertreter nicht nur physisch anwesend ist, sondern auch aktiv seine Rechte wahrnimmt. Dies wird für den eigenen Mandanten in Prozesserklärungen seines Rechtsanwalts und deren Erläuterungen ihm gegenüber plastisch und nachvollziehbar. Die Einlegung von Verhandlungspausen, das aktive Einfordern von prozessualer Fürsorge bei Gericht bis hin zur notwendigen, rechtzeitigen Beanstandung von Fragen oder Prozesshandlungen kann dem Verletzten oder seinen Angehörigen Sicherheit geben. Wenn der Verletzte und/oder seine Angehörigen über die rechtlichen Möglichkeiten des Verletztenanwalts rechtzeitig vor der Hauptverhandlung ausreichend aufgeklärt sind, ist aufgrund der sachgerechten Erwartungshaltung des eigenen Mandanten eine bessere Einflussnahme des Rechtsanwalts auf den Verletzten und dessen Verhalten in der Hauptverhandlung zu erzielen.
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Die Betreuung ausländischer Mandanten setzt voraus, dass mit Hilfe von Dolmetschern Sprachbarrieren abgebaut werden. Andere Kulturkreise, Religionen und Rechtsordnungen machen es den Betroffenen oft noch schwerer, die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten einer anwaltlichen Vertretung zu verstehen und nachzuvollziehen. Umso wichtiger ist die zeitnahe und umfassende Aufklärung des Mandanten über seine Stellung im Strafprozess sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Ein- und Mitwirkungsmöglichkeiten.