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Niedrige Zinssätze und niedrige Inflation

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Für geringes Wachstum und Verschuldung gab es bisher einen Rettungsanker: niedrige Zinsen. Niedrige Kreditzinsen sind, wie viele Hausbesitzer oder Studienkreditnehmer wissen, ein Segen. So können sie ihre Schulden zurückzahlen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass die Schuldenlast größer wird.

Seit der Finanzkrise haben die Zentralbanken eine Ära der niedrigen Kreditzinsen eingeläutet, indem sie Regierungen, Unternehmen und Verbrauchern niedrige Zinssätze als Entlastung gewährten. Das Ziel ist es, letztlich wieder ein höheres Wachstum zu erreichen, da die Menschen mehr konsumieren, die Unternehmen mehr investieren und die Regierungen mehr ausgeben.

In den Vereinigten Staaten hielt die Federal Reserve die Zinsen von 2009 bis 2016 nahe null. Dann hob sie sie schrittweise wieder auf 2,5 Prozent an, die Hälfte des historischen Normalzinssatzes. Aber 2019 senkte die Fed die Zinsen erneut28 mehrmals, und als COVID einsetzte, sanken sie wieder auf 0,25 Prozent.29 Angesichts des herausfordernden makroökonomischen Umfelds ist eine Rückkehr zur Ära der hohen Zinsen in absehbarer Zeit sehr unwahrscheinlich. In anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften sind die Zinsen sogar noch niedriger. Die Europäische Zentralbank hält ihren Leitzins für die Eurozone seit 2012 bei unter 1 Prozent und seit 2016 bei Null. Die meisten anderen europäischen Länder haben ähnlich niedrige Zinssätze; Japan und die Schweiz verlangen von Einlegern sogar Gebühren für den Kauf von Anleihen, was faktisch bedeutet, dass sie einen negativen Zinssatz haben.

Wie bereits angedeutet, ist dies ein Segen für Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen gleichermaßen, die bereit und in der Lage sind, neue Kredite aufzunehmen, oder für Regierungen, die ihre Altschulden refinanzieren wollen. Einige Beobachter gehen sogar so weit zu behaupten, dass die Altschulden im Verhältnis zum BIP kein so großes Problem darstellen, wie es scheint, da sie immer wieder refinanziert werden können.

Diese Sichtweise lässt jedoch außer Acht, dass die Rückzahlungsprobleme schnell außer Kontrolle geraten können, wenn die Finanzierungslücken des Staates für andere Verbindlichkeiten wachsen. Kosten im Zusammenhang mit Renten, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur werden zu einer immer größeren Belastung für die Regierungen, ganz zu schweigen von Energiesubventionen, wie z. B. die Übernahme eines Teils der Öl- und Gaspreise durch die Regierungen für die Verbraucher.30 Sie produzieren minderwertige Schulden und sind angesichts ihrer Beliebtheit bei den Wählern schwer rückgängig zu machen.

So stiegen die öffentlichen Gesundheitsausgaben laut der Weltgesundheitsorganisation bereits von 2000 bis 2016 um 66 Prozent – lange vor der COVID-19-Krise.31 Im gleichen Zeitraum betrug das BIP-Wachstum in den OECD-Ländern nur 19 Prozent. Insgesamt machen die öffentlichen Gesundheitsausgaben in den OECD-Ländern heute fast 7 Prozent des BIP aus, mit Spitzenwerten in den USA und der Schweiz, die doppelt so hoch sind, und es ist zu erwarten, dass dieser Prozentsatz weiter steigen wird, wenn die Bevölkerung altert und mehr Viren oder auch nicht ansteckende Krankheiten die Bevölkerung bedrohen. Wenn die Regierungen diese Kosten nicht auf ihre Bürger abwälzen können, werden viele zunehmend Schwierigkeiten haben, ihre Bilanzen auszugleichen.

Hinzu kommen weitere wachsende staatliche Verbindlichkeiten. Der Global Infrastructure Hub hat errechnet, dass der Welt von 2016 bis 2040 eine Finanzierungslücke von 15 Billionen Dollar im Bereich der Infrastruktur droht.32 Aber die Infrastruktur stellt eine Investition dar, auf die eine Rendite erwirtschaftet werden könnte. Das Problem der Renten und der Altersvorsorge ist um einiges größer, und die Renditen sind viel geringer: Wenn sich die Politik nicht ändert, schätzt das Weltwirtschaftsforum33, dass die Lücke in der Altersvorsorge bis 2050 in den acht Ländern mit den größten Rentensystemen auf 400 Billionen Dollar anwachsen wird, wobei ungesicherte öffentliche Rentenversprechen den Löwenanteil dieser Lücke ausmachen.

Zu dieser Schuldenlast kommt noch eine niedrige Inflation hinzu. In der Vergangenheit standen Zinssätze und Inflation in einem umgekehrten Verhältnis zueinander, und die Zentralbanken nutzten ihre Macht, die Zinssätze festzulegen, als Instrument, um die Inflation entweder einzudämmen oder anzukurbeln. Durch die Festlegung hoher Zinssätze gaben die Zentralbanken den Menschen, Unternehmen und Regierungen einen Anreiz, Geld zu sparen, anstatt es auszugeben, was den Aufwärtsdruck auf die Preise erleichterte. Durch niedrige Zinssätze gaben sie den Menschen den umgekehrten Anreiz, nämlich Geld auszugeben und die Preise in die Höhe zu treiben, da das Sparen ohnehin keine Zinsen abwerfen würde.

Seit etwa einem Jahrzehnt gibt es diese umgekehrte Korrelation im Westen jedoch so gut wie nicht mehr, wobei die Situation in Europa und Japan besonders dramatisch ist. Trotz jahrelanger Zinssätze nahe null blieb auch die Inflation oft nahe null. Das ist zwar kurzfristig kein Problem, nimmt jedoch einen langfristigen Hebel zur Entlastung der Schuldenlast weg. Mit steigenden Preisen wird die nominale Verschuldung tendenziell relativ weniger belastend. Bei stagnierenden Preisen bleibt die historische Verschuldung aber auch morgen noch eine ebenso große Belastung wie heute.

Aber der Zusammenhang zwischen niedrigem Wachstum, niedrigen Zinsen, niedriger Inflation und zunehmender Verschuldung hat noch eine weitere Komponente, und die könnte die gefährlichste von allen sein: das verlangsamte Produktivitätswachstum.

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