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a) Sachfragen und Rechtsfragen

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Wenngleich die Frage, ob ein Arzt im konkreten Fall seine ihm dem Patienten gegenüber obliegende Sorgfaltspflicht erfüllt hat, eine vom Staatsanwalt oder Richter zu beurteilende Rechtsfrage ist,[269] kann sie ohne besondere Fachkenntnisse und damit ohne eingehende sachverständige Beratung über die zugrunde liegenden medizinischen Gegebenheiten, Erfahrungssätze und Einsichten regelmäßig nicht beurteilt werden.[270] Denn der maßgebende medizinische Standard des jeweiligen Fachgebiets wird vorrangig nicht durch das Recht festgelegt, sondern ist das Ergebnis einer – allerdings juristisch bewerteten – medizininternen Auseinandersetzung. „Ob ein Arzt seine berufsspezifische Sorgfaltspflicht verletzt hat, ist daher in erster Linie eine Frage, die sich nach medizinischen Maßstäben richtet“, und deshalb „muss der Richter den berufsfachlichen Sorgfaltsmaßstab mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen ermitteln,“[271] der dem jeweils betroffenen medizinischen Sachgebiet angehören muss.[272] „Gebietsgrenzen und Facharztkompetenz“ sollten deckungsgleich sein, anders formuliert, „das Gebiet der Begutachtung folgt dem der Behandlung“.[273] Der Hinweis auf die Lektüre einschlägiger medizinischer Fachliteratur oder Leitlinien „ist grundsätzlich nicht geeignet“, das erforderliche Fachwissen des Gerichts zu begründen, „da das Studium derartiger Literatur infolge der notwendigerweise generalisierenden Betrachtungsweise dem medizinischen Laien nur bruchstückhafte Kenntnisse vermitteln kann“.[274] Nur der Sachverständige ist auf Grund seiner wissenschaftlichen Qualifikation und praktischen Erfahrung in der Lage, den Inhalt des Standards im konkreten Fall zu beschreiben und die oft schwierigen Kausalitätsfeststellungen zu treffen. Vor dem Hintergrund der mangelnden Sachkunde des Gerichts, Staatsanwalts und Verteidigers hat sich daher in der Praxis des Arztstrafrechts der Sachverständige de facto „weitgehend als eine den Tathergang ermittelnde und die Entscheidung vorprogrammierende Institution etabliert“.[275] Die objektive und subjektive Sorgfaltspflichtverletzung wird also in ihrer formalen Begrenzung nach juristischen Prinzipien bestimmt, bemisst sich aber materiell nach Erfahrungs- und Kunstregeln, die von den Ärzten selbst anerkannt und angewendet werden.[276]

Arztstrafrecht in der Praxis

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