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b) Prozessuale Stellung des Sachverständigen und Konsequenzen für die Verteidigung

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„Formalrechtlich ist der Sachverständige Richtergehilfe, mit seinem Fachwissen aber dominiert er den Prozess“.[277] Der Richter bleibt zwar verpflichtet, das Gutachten selbstständig, eigenverantwortlich und kritisch auf seine Überzeugungskraft, Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit[278] zu prüfen, doch läuft dies praktisch auf eine Plausibilitätskontrolle hinaus. Die Folge ist, dass der Richter die Verantwortung für Entscheidungen trägt, die jedenfalls in großem Umfang und zu zahlreichen Tatmerkmalen der fahrlässig begangenen Delikte in Wirklichkeit ein anderer, nämlich der Sachverständige, produziert hat.

Diese auch in ihrer Legitimation problematische „Übermacht“ legt dem Gutachter eine besonders hohe Verantwortung für die sachliche Richtigkeit seiner Ausführungen auf. Gibt es also z.B. mehrere medizinisch anerkannte Lehrmeinungen, gibt es einen „Schulenstreit“ und Leitlinien, so muss der Sachverständige das ganze Meinungsspektrum deutlich machen. Er darf nicht einseitig zugunsten der einen oder anderen Methode entscheiden. Neben hoher Fachkompetenz muss er ein gewisses rechtliches Grundwissen haben, ohne das er seiner Stellung und Funktion im jeweiligen Verfahren nicht gerecht werden kann. Die notwendige Beschränkung auf das eigene Fachgebiet zwingt zur Hinzuziehung eines Experten für spezielle Fragestellungen, die in andere Fachgebiete hineinreichen. Unverzichtbar ist auch die eigene berufliche Erfahrung, wenn es um die Beurteilung einer bestimmten Behandlungsmethode geht.

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Die unzweifelhaft hohe Bedeutung des Gutachters zwingt die Verteidigung, sich insbesondere mit dem vom Gericht bestellten Gutachter und seinem Vortrag im Austausch mit dem regelmäßig selbst kundigen Mandanten intensiv auseinanderzusetzen. Schwachpunkte, insbesondere eines übermäßige Anforderungen vertretenden Gutachters (siehe Rn. 138 ff.), müssen gefunden werden, um damit insbesondere dem Gericht aufzuzeigen, dass es ggf. auch in eine falsche Richtung gelenkt zu werden droht. Vom Gutachter gleichsam versteckte Zweifel an vermeintlich bestimmt formulierbaren Ergebnissen sind offenzulegen. Stets ist auf mögliche Gründe der (zu besorgenden) Befangenheit zu achten (siehe § 74 StPO) und unter Abklärung der finanziellen Möglichkeiten die Einführung/Beantragung eines weiteren „Privatgutachtens“ zu erwägen, das die Zweifel kundig ausarbeiten kann.

Arztstrafrecht in der Praxis

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