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3 Gestalterische Grundlagen Richtung

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Es gibt Choreographen, die arbeiten mit Vorwärts, Seitwärts und Rückwärts, und das war es dann auch schon. Nehmen wir die Diagonalen hinzu, sind wir immerhin schon bei der doppelten Anzahl, also acht Richtungen.


Raumrichtungen in der horizontalen Ebene im Achtersystem

Dieses Zahlensystem zu verwenden hat den Vorteil, dass jeder Tänzer sofort weiß, welche Richtung angesagt wird. Das Zentrum der Richtungen bildet der Tänzer. Dabei ist es egal, in welche Richtung er selbst ausgerichtet ist, Richtung 1 bildet immer die Bühnenrampe. Egal, wie er nun steht, er hat die Möglichkeit, sich in Richtung 5 zu bewegen oder in 2 usw. Einfacher als mit acht Richtungen zu arbeiten sind zwölf.


Raumrichtungen in der horizontalen Ebene im Uhrensystem

Das hat den Vorteil, dass sich jeder eine Uhr um sich herum vorstellen kann und nicht lange überlegen muss, wo denn nun die 7 ist. Zudem können Sie mit zwölf Richtungen weitaus mehr differenzieren. Der Nachteil dieses Systems ist, dass die direkten Raumdiagonalen, die zwischen der Raumrichtung 1 und 2 im 12er-System liegen, fehlen. Nehmen wir diese Diagonalen wieder hinzu, sind wir bei 16 Richtungen.


Raumrichtungen in der horizontalen Ebene im Uhrensystem mit Diagonalen

Egal, mit wie vielen Richtungen Sie letztendlich arbeiten, mit jeder Richtung geht eine Emotion einher: Geht jemand auf Sie zu und verändert die Richtung, indem er auf die Diagonale ausweicht, so wird Sie das nicht unbeschäftigt lassen. Sie werden sich wahrscheinlich fragen, ob irgendetwas von Ihnen ausgeht, das die Person nun von ihrem direkten Weg auf Sie zu ausweichen lässt, oder ob sie diese Entscheidung aus einer eigenen, nicht von Ihnen abhängigen Begründung gefällt hat. Wenn sie aber auf Sie zugeht, stehen bleibt und ihre Richtung um 90 Grad ändert, um im rechten Winkel von Ihnen wegzugehen, dann wird ein außen stehender Betrachter aus dieser Reaktion auf jeden Fall eine emotionale Haltung ablesen. Diese wird noch größer erscheinen, wenn sich der auf Sie Zukommende nach einem Stopp rückwärts bewegt und mit dem Blick auf Ihnen haften bleibt.

Ist die Situation eine Party und die auf Sie zukommende Person eine guter Freund, dann würde Sie diese Reaktion der Richtungsänderung wahrscheinlich sehr treffen. Als Zuschauer in einem Tanzstück sind Sie natürlich anonymer. Sie werden nicht in Tränen ausbrechen, wenn alle auf Sie Zukommenden sich plötzlich abwenden. Die Mechanismen aber sind die gleichen. Das Abwenden, das Sich-rück-wärts-Entfernen, löst aufgrund unserer Erfahrungen und Sehgewohnheiten Mechanismen in uns aus, die der auf der Party entsprechen; sie sind nur abgeschwächter.

Die Richtung im Verhältnis zum Zuschauer ist ein wichtiger dramaturgischer Effekt, wenn es um Wirkung geht. Speziell in Musicals, Shows und Videoclips, in allem, was vorwiegend auf Wirkung ausgelegt ist, spielen der Weg des Tänzers und seine Richtung zum Zuschauer eine bedeutende Rolle. Zum einen haben wir also die Richtung vom Tänzer zum Zuschauer und zum anderen die Richtung zwischen den Tänzern. Je nach Geschichte und Situation bekommt beispielsweise ein Nebeneinander eine spezielle Bedeutung, wie Hintereinander eine andere Bedeutung haben wird. Der entscheidende Punkt in dieser Arbeit wird immer auch damit zusammenhängen, ob Sie als Choreograph diese auf Richtungen aufgebauten Verhältnisse sehen und diesen Verhältnissen innerhalb der Probe eine Bedeutung geben.


Verschiedene Bezüge zwischen inneren und äußeren Richtungen

Selbst wenn Sie in Ihrer Choreographie über einen langen Zeitraum eine abgeschlossene Welt auf der Bühne formulieren, eine Welt, die in sich eigene Gesetzmäßigkeiten erschafft, mit Beziehungen, zu denen die Zuschauer sich nur als Beobachter verhalten, also kein direkter Bezug zum Publikum existiert, müssen Sie sich fragen, wie die Richtungen der Bewegungen im Verhältnis zum Zuschauer sind.


Zwei Bezugsgruppen: Szeneninterne Bezüge und zwischen Szene und Zuschauer

Der Zuschauer wird sich kaum über den gesamten Zeitraum der Vorstellung als unsichtbarer Voyeur fühlen, er wird sich immer wieder mit dem Geschehen auf der Bühne in Beziehung setzen.

Proben Sie ein Stück also nur mit dem Fokus auf die Beziehungen innerhalb der Szenen, womöglich auch noch im stillen Kämmerchen, um es dann wie ein Paket auf die Bühne zu stellen. Vergessen Sie nicht, über das Verhältnis „Szene - Zuschauer" bzw. „Tänzer - Zuschauer" nachzudenken und dieses in einer Dynamik zu behandeln, denn dieses Verhältnis und damit das Empfinden des Zuschauers zum Geschehen existiert, egal, was die Tänzer auf der Bühne tun oder denken.

Choreographie - Handwerk und Vision

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