Читать книгу Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes - K.T. Rina - Страница 10
8
ОглавлениеDie Musik in der Bar war so laut aufgedreht, dass die Gäste sich gegenseitig anschreien mussten, um sich hören zu können. Nüwa war es ganz Recht, da sie sowieso mit niemanden reden wollte und hatte sich deshalb in eine Ecke gesetzt, um dort zu arbeiten. Zahlreich wurde sie angesprochen.
Zuerst vom Barkeeper, der ihren Ausweis sehen wollte: „Hey, der Laden ist ab achtzehn, Kleine.“ Nüwa ignorierte den grimmigen Barkeeper, Sven genannt, und setzte sich in die Ecke, das Handy bereits in der Hand. Noch war die Bar recht leer gewesen. „Hey! Du darfst zwar hier bleiben, aber ich kann dir nichts Alkoholisches anbieten!“ Mit verschränkten Armen stand der großgebaute Mann mit einem Bandanatuch über das fehlenden Haare. Nüwa griff willkürlich in ihre rechte Hosentasche und zog einen Personalausweis heraus.
„Siebenunddreißig? Was ist das denn für ein gefälschter Ausweis.“ Der Barkeeper hielt die Plastikkarte unter das Licht und überprüfte die Originalität mit seiner eigenen Karte. „Unmöglich. Entschuldigung, aber Sie sehen extrem jung aus.“ Er ließ Nüwa ungestört und gab ihr sogar ein Getränk(alkoholfrei, denn noch hatte er Angst, es wäre ein Trick)kostenfrei für die falsche Beschuldigung.
Die Bar hatte sich seither mehr und mehr gefüllt. Nüwa hatte mittlerweile eine große Portion Pizza „mit extra viel Käse“ vernichtet und war im Inbegriff eine große Portion Nachos „mit extra viel Käse“ der Pizza dazu zu gesellen. „Hey, Süße, kann ich dir einen Drink spendieren?“ Nüwa ignorierte den bereits dritten Anmachspruch; zuvor hatte eine Frau ihr Glück versucht. „Ah, wie auch immer, du Göre“, ging er verärgert davon, nur um vom Nächsten, der sich weitaus attraktiver fand, abgelöst zu werden. „‘nen Arschloch. Ich bin Tylor.“ Nüwa blickte nicht mal in die Richtung des angebotenen Händedrucks. „Hab dich noch nie hier gesehen, bist wohl neu hier, oder? Ich nehm‘ mir einen, okay?“
Noch bevor er einen einzelnen Chip aufheben konnte, verschwand der Korb blitzschnell vom Tisch und neben Nüwa. „Das sind meine!“
„Wow, schon gut, Schätzchen. Lass mich als Wiedergutmachung ‘nen Drink ausgeben“, zwinkerte er ihr zu, dass sein Piercing überm Auge wackelte.
„Zwei!“
„Wir wollen doch nicht gierig werden. Verrat mir zumindest deinen Namen.“
„Heeeeeey, das Mädchen vom Zug, ich glaub‘s nich‘“, rief Leonora vom Eingang bis hin zur gegenüberliegenden Seite des Lokals, wo Nüwa saß. „Tylor, lass das Mädchen in Ruhe!“ Und wie auf Kommando sprang er auf und suchte sich ein neues Schätzchen. „Nimm den bloß nich‘ ernst, Neyra…oder so…wie war dein Name no‘mal?“
„Nüwa“, kicherte sie mit einem Lächeln, das ihr am Abend noch nicht entkommen war.
„Ja genau! Nüwa. Ziemlich abgedrehter Name, was Manny? Sven, zwei Bier“, rief Leonora zur Bar, „und ‘ne Cola für dich, Nüwa?“
Es schien, als wurde die Musik immer lauter gedreht, weil Einige es unter den noch lauter gewordenen Gesprächen sonst nicht vernehmen konnten. Nüwa kam nicht vorbei, sie musste Leonora und Manfred ihre Lieblingsbands nennen, doch mit der menschlichen Kunst der Musik hatte sich Nüwa noch nicht beschäftigt, und hörte bei einem kurzen Zeitstopp etliche Bands, die dem Paar laut ihren sozialen Medienprofilen gefielen.
„Wow, das sin‘ absolut exakt die gleichen Bands, die wir auch hören. Du bis‘ richtig creepy, Nüwa. Du siehst nich‘ nur so aus wie ich damals, du benimmst dich auch genauso. Es is‘ als würde ich mein ver–…vergangenes Ich sehen“, die letzten Worte seufzte Leonora, da sie unweigerlich an die grausamste Zeit ihres Lebens erinnert wurde: Die Schule. Manfred schenkte ihr Trost und auch Nüwa wusste ihr beizustehen: „Wollen nich‘ alle einfach nur glücklich sein? Ich weiß, wie es dir ergangen is‘, aber dafür muss‘e dich nich‘ schämen, oder dich selbst bemitleiden. Du bis‘ ‘n wunderbarer Mensch und was du zuvor erdulden musstest is‘ irrelevant, es hat dich vielleicht sogar zu dem gemacht, was‘e jetzt bis‘.“
„Danke, Nüwa. Du bis‘ ziemlich weise für dein Alter.“ Sven hatte Leonoras Kommentar durch ein wirklich wahres Wunder überhören können und musste herzhaft lachen.
Die meisten Gäste sind bereits Zuhause angelangt. Die Musik wurde leiser gedreht, da nicht mehr genug da waren, um sie zu hören. Nüwa und das glückliche Paar beendeten ihre fünfte Nacho Portion „mit extra viel Käse. Ich weiß“, wie der Kellner genervt wiedergab. Die Rechnung für alle drei hatte Nüwa übernommen, nach heftigen Diskussionen seitens Leonora, die aber nachgab, nachdem Nüwa erklärte, sie wäre so reich, dass sie wortwörtlich Gold scheißen könnte. „Aber das Taxi geben wir aus“, prahlte Leonora.
Nüwa und Leonora nahmen Platz in der Rückbank des Taxis, während Manfred ordentlich angetrunken philosophische, politische, monologische Argumentationen mit dem Fahrer vorne hielt. „Nüwa, du bis‘ ‘ne coole Sau. Wir sin‘ zwar älter als du, aber du bis‘ doch ein kluges Köpfchen. Glaub mir, wenn ich sage, dass‘e die Welt verändern kannst.“
„Oh, und ob ich dir das glaube, Lea.“
„Nein, ernsthaft. Mach was aus dir, du bis‘ noch jung, und die ganze Welt liegt dir zu Füßen.“ Nüwa kicherte pausenlos über Leonoras betrunkene Offenbarungen, die bei der Realisierung ihrer eigenen Worte in Gelächter verfielen.
„Kommt gut nach Hause“, sagte Nüwa und winkte den beiden zu. Durch das Fenster sah sie noch, wie Leonora ihre Hand als Telefon darstellte und darauf zeigte, bevor das Auto wegfuhr. „Was für eigenartige Gesellen“, dachte Nüwa laut. Die Wohnungstür öffnete sich von Geisterhand Gotteshand und schon grüßte Schrödinger seine Herrin, die sein Verlangen meilenweit erhört hatte und schnips seine Schüssel mit frischem Futter füllen ließ. Das Liebespaar war auf dem weder aufgeklappten noch bedeckten Sofa im Tiefschlaf und hörte nicht wie sie sich in ihre fliegende Hängematte schmiss; Nüwa lief leiser als der Kater. Bis Cintia sich von Siegfried löste und aus der Wohnung ging, blieb Nüwa unsichtbar für beide.