Читать книгу Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes - K.T. Rina - Страница 13

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„Puste die Kerzen aus und wünsch dir was!“ sagte Siegfrieds Mama. Gesagt, getan. „Greift zu, meine Lieben.“

Die ganze Familie hatte sich um den kleinen Tisch versammelt, um den Geburtstag des Jüngsten zu zelebrieren. Der Tisch war komplett zugedeckt mit Speisen und Getränken, dass es kaum Platz für die Teller und die Tassen gab und Siegfried, Amelie, Sieglinde, Siegmund, Johanna, Jochen, Papa und Mama und auch Opa und Oma sich zusammenquetschen mussten. Mit einem kräftigen Atemstoß blies der kleine Siegfried die sieben Kerzen auf der hausgemachten Torte, bei welcher Sieglinde ihrer Mutter geholfen hatte, aus und alle applaudierten seinen exzellenten Lungen. Luftballons wollte er mit diesen aber nicht auffüllen und so ließen sie diese aus, auch wenn sie dennoch Raum mit heißer Luft gefüllt kriegten. Siegfried behielt seinen Wunsch für sich, auch wenn seine Brüder, die »Raufbolde«—wie sie von Mama liebend genannt wurden—ihn anwiesen, es ihnen zu verraten; erst mit Worten, dann mit Hieben. Niemand würde seine Wünsche jemals hören, nicht mal Gott, trotzte er ihnen.

Jeder seiner Geschwister hatte etwas für den Kleinsten: Amelie schenkte ihm ein selbstgemaltes Portrait von ihm(niemand hatte erkannt, dass er abgebildet war, geschweige ein Mensch, wenn sie es nicht erwähnt hätte, nachdem ihre Oma sagte, was für ein hübsches Pferd ihre kleine Enkelin gemalt hatte); Johanna schenkte ihm eine Portion Süßigkeiten, die sie von ihrem eigenen Taschengeld bezahlt hatte—darauf verwies sie stolz—, gefüllt mit Siegfrieds liebsten Lakritzstangen.

„BRRROO“, rülpste Siegfrieds Mutter. „Entschuldigt, aber Kaffee treibt meinen Magen immer so.“

Die Raufbolde schenkten ihrem kleinen Bruder zwei blaue Flecken auf beide Oberarme und dazu ein Holzschwert und ein Schild, welches sie zusammen mit Papa geschnitzt hatten; Opa und Oma gemeinsam mit ihrer Tochter, Siegfrieds Mutter, schenkten ihm eine Akustikgitarre, dass er doch wenigstens etwas musikalisches in die sonst musikerfreie Familie bringt; Sieglinde, die ein Jahr zuvor zu ihrem neunten eine Flöte von Opa und Oma geschenkt bekommen hatte—erfolglos—, schenkte ihm das, was er sich bereits seit Jahren unbewusst gewünscht und immer wieder erhalten hatte: Die beste Schwester.

Da ihre Familie recht groß war, konnten Mama und Papa sich nicht um alle Kinder gleichzeitig kümmern, weshalb ein Teil der Erziehung auf die älteren Geschwister fiel. Jochen nahm stets den ein Jahr jüngeren Siegmund mit auf Streifzüge, Johanna spielte—manchmal und später öfter ungern—mit Amelie. Sie war Johanna ewig dankbar, dass sie dem Wahn ihres Vaters entkommen konnte und von ihrer großen Schwester genannt wurde und nicht Siegrid heißen muss. Sieglinde übernahm die größte Verantwortung für den kleinen Siegfried.

Der für Kinder mühselige Zwang, das Warten, bis man endlich die Geschenke nutzen konnte wegen der ewig langen Tee–, Kaffe– und Kuchen–Zeit, hatte endlich sein Ende und Siegfried spielte mit seinen Brüdern Ritter auf der Wiese zum Wald. Er wurde leicht übermannt von den Beiden und sie langweilten sich, diesen Schwächling als Gegner zu haben. So gingen sie nach sieben Runden, die immer dann endeten, als Siegfried auf seinem Hintern oder sein Gesicht fiel, und ließen ihn weinend zurück. „Weine nicht, Friedchen“, tröstete ihn Sieglinde, die sich zu ihm am Baumstumpf setzte. „Du bist doch ein tapferer Ritter.“ Sie nahm das Holzschwert und legte es ihm auf den Schoß.

„Lina“, stammelte er aus seiner Rotznase, „ich mag nicht Ritter sein.“

„Aber nur der gute Ritter erkämpft sich seine Prinzessin.“ Siegfried wischte sich die Tränen aus und blickte in die königsblau schimmernden Augen seiner Schwester, die ebenso wie seine genässt waren.

„Lina, warum weinst du?“ seufzte er. Sieglinde nahm ihren kleinen Bruder in die Arme und schniefte ganz leise. Auch Siegfrieds Tränen brachen wieder aus und sein Heulen übertönte das seiner Schwester.

Nach einem Moment der Stille sprach Siegfried: „Weißt du, ich hab mir heute gewünscht, dass du immer bei mir bleibst, Lina. Aber nächstes Jahr werde ich mir wünschen, dass du niemals mehr, nie, nie, nimmer mehr weinen musst.“

„Ach Friedchen, das ist sehr lieb von dir, aber wir müssen weinen. Oma hat mir gesagt, dass wir uns ohne Weinen nicht wirklich freuen können.“

„Versteh ich nicht.“

„Du bist auch noch ein Kind, Friedchen. Bleib du auch lieber immer ein Kind.“

Aber es waren Kinder, die sie ständig zu Tränen führten. Sieglinde hatte ein langes Gesicht, einen stark ausgeprägten Kinn und eine große Stirn. Verspottend wurde sie von den anderen Kindern „Pferdgesicht“ genannt. Als sie aufhörte, Zöpfe zu tragen und stattdessen einen Pony, damit die Stirn etwas verborgen blieb, wurde es schlimmer. „Pferdgesicht hat jetzt einen Pony. Sie ist jetzt ein Pferdchen.“ Und so wurde sie dann genannt. Pferdchen klang zumindest schöner, wenn es doch noch schlimmer in ihrem Herzen gestochen hatte.

Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes

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