Читать книгу Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes - K.T. Rina - Страница 5

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Siegfried hat sich besonders schick gemacht. Er hat sich im Gesicht und an den haarigen Stellen am Körper frisch rasiert, war zuvor beim Friseur und hatte ein faltenfreies Hemd angezogen. Nüwa blieb in ihrem Outfit: Schwarze Chucks, schwarze Strümpfe mit schwarzen Hotpants, dem langen weißen Pullover, den sie immer offen trug, und einem grauen Shirt mit der vertikalen Beschriftung NE|RV|IG. „Siegfried, müssen wir das wirklich machen? Ich hab unterwegs gehört, dass ein neues Restaurant am Ende der Stadt aufgemacht hat.“

„Du hast es mir versprochen, Nüwa. Und Freunde brechen ihre Versprechen nicht.“

„Ach, wie auch immer. Aber beschuldige nich‘ mich, wenn etwas schief geht.“

Er drückte auf die Klingel beschriftet mit „Carolan“ und spuckte sein Kaugummi in die Hecke neben sich aus. Nüwa blieb hinter ihm und arbeitete weiter mit ihrem Handy. Es schellte und sie gingen in das Treppenhaus. Sie wurden an der Tür im obersten Stock begrüßt: „…MA! Deine Gäste sind hier.“ Das Mädchen, das die Tür öffnete, ließ diese offen und ging wieder weg.

„Ich mag sie jetzt schon“, sagte Nüwa unironisch.

Sie gingen in den Flur und Sinéad kam mit einer Schürze am Leib, sie zu begrüßen. „Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, die beiden seien sich ähnlich. Lasst die Schuhe ruhig an. Nüwa, geh du zu Filia ins Zimmer, wir rufen euch, wenn das Essen fertig ist.“ Nüwa schaute mit einem traurigen Seehundeblick zu Siegfried hoch, der ihr nur mit Handzeichen antwortete zu verschwinden. „Magst du mir beim Kochen helfen, Siegfried?“ Sinéad überreichte ihm eine Küchenschürze.

Nüwa schmiss sich wie in gewohnter Manier auf Filias Bett und ließ ihre Beine in der Luft baumeln. Filia schüttelte nur mit ihrem Kopf und daddelte selbst mit ihrem Handy. „Wie heißt du nochmal?“ fragte Filia. Nüwa drehte sich auf die Seite und schaute die Tochter Sinéads an. „Coole Kontaktlinsen. Meine Mutter würde mir so was nie erlauben.“

„Danke. Nenn mich Nüwa, Siegfried nennt mich auch so.“

„Du nennst deinen Vater mit Vornamen?“

„Meinen…ja, damit er nich‘ auf die Idee kommt, er stehe über mir.“

„Wow…du scheinst cool zu sein. Auf welche Schule gehst du?“

„Schule? Ne, da brauch ich nich‘ hin.“

Filia war ganz verwirrt. Nüwa schien für sie die Personifikation von einer Rebellin zu sein, also einer Heldin. „Also, du gehst nicht zur Schule? Was machst du denn? Du arbeitest schon?“

„Nich‘ wirklich. Ich mach, worauf ich gerad Lust hab.“

„Dein Vater erlaubt dir das?! Seid ihr reich oder so? Warum musst du nichts machen?“

Nüwa fuhr fort, Filia zu erklären, dass sie haben kann, was sie wollte, wenn sie wollte; sie beschrieb also ihr Gott sein, ohne anzudeuten, dass sie Gott oder göttlich sei. Filia war sofort angetan von ihrem neuen Idol und hakte nach, wie sie auch so sein könnte. Nüwa sprach, dass sie Filia einen Wunsch erfüllen könnte, aber nur ein einzigen für ihr restliches Leben.

„Ist doch einfach: Ich wünsch mir unendlich viele Wünsche.“

„Welches Unendlich?“ inquirierte Nüwa nach den Spezifikationen.

„Unendlich–unendlich?“ Nüwa nickte in Zustimmung auf ihren Wunsch und ließ Filia alle Konversation über den Wunsch vergessen und sie setzte ihre Erinnerung zum Stand vor ihrer Wunscherläuterung.

„Du bist so cool, Nüwa. Ich wünschte, meine Mutter wäre so cool wie du.“

Sinéad band Siegfried die Schürze um, auf der eine Irische Flagge bemalt war. Sie selbst war in Deutschland geboren, aber ihr Vater stammte noch aus Irland. Beim Präparieren des Gemüses für den Salat erzählte sie, wie sie in den letzten Wochen kaum Zeit für sich selbst hatte, da sie als Lehrerin einige Seminare und etliche Klausuren korrigieren musste; und auch Filia war ein Grund für enormen Stress zu Hause, da sie „ihre rebellische Phase“ hatte. Auf Sinéads Frage, was Siegfried beruflich machen würde, log er, dass er ein Buchkritiker war und für eine Zeitschrift schrieb. Auch musste er seine Maske noch tiefer tragen, da seine verstorbene Frau in Zusammenhang mit Nüwa erwähnt wurde. Sinéads Exmann hatte sie und Filia vor einigen Jahren verlassen und war seither nicht wieder bei ihr erschienen, aber glücklicherweise würde sie noch Alimente von ihm erhalten; was er so trieb und mit wem, war ihr völlig egal. Sie war sogar froh, dass sie nichts von ihm hört und er kein Interesse hat, ihre Tochter sehen zu wollen.

Sie setzten sich an den Tisch, während das Essen kochte. Sie nippten an ihren Weingläsern und blickten sich romantisch an. „Siegfried, du scheinst mir ein freier Denker zu sein, so wie du deiner Tochter erlaubst sich anzuziehen. Ich könnte das nicht, da bin ich zu traditionell geformt.“ Plötzlich nahm Sinéad einen großen Schluck des Weins, schüttete sich ein weiteres Glas, legte es beiseite und leerte stattdessen die Flasche in einem Zug. „Jo, Siegi, wir sin‘ doch beide nur hier, damit wir irgendwann zusammen vögeln können. Warum überspringen wir nich‘ den ganzen formellen Scheiß und hüpfen direkt in die Kiste?“ Sie packte ihn am Schritt, zog ihn dann bei der Hand und schleppte ihn ins nächste Zimmer. Siegfried war gänzlich verwirrt von dem abrupten Gesichtswechsel Sinéads und lag nicht falsch zu vermuten, dass Nüwa die Ursache dafür war.

„Sinéad, geh du schon mal vor, ich schalt den Herd ab.“

„Du bist so ein Spießer, Siegfried. Alles klar, ich begnüg mich solang mit mir selbst, aber lass mich nich‘ zu lange warten.“

Siegfried täuschte vor, in die Küche zu gehen und ging, sobald Sinéad die Schlafzimmertür schloss, rasch ins Kinderzimmer von Filia. „Grundgütiger, was hast du getan, Nüwa?“ Nüwa lag auf dem Bett und kümmerte sich nicht, was Filia tat. Oder vielmehr, wer sie wurde: Filia hatte einen weiteren Wunsch geäußert, endlich erwachsen zu sein, und so wurde die Teenager von dreizehn Jahren zu einer ausgewachsenen Frau. Sie selbst verstand ihren Wandel nicht und betrachtete sich im Spiegel; sie war besonders angetan von ihrem Brustumfang.

„Was is‘ denn los, Siegi?“ Nüwa schaute emotionslos über ihre Schulter weg, das Handy in der Hand.

„Was auch immer du gemacht hast, mach es rückgängig! Sofort!“

„Nein. Sie hat‘s sich gewünscht, und das wird nich‘ zurückgezogen. Wie geht‘s mit deinem Date voran? Nich gut, nehme ich an, sonst würdes‘e nich hier sein.“

„Sinéad ist mit einem Schnips wie verzaubert.“ Plötzlich klingelte es an der Haustür.

„Ouh, ist das der Lieferservice?“ fragte Nüwa voller Vorfreude und verließ mit Siegfried und Filia das Zimmer. Auch Sinéad kam in ihrer Reizwäsche gekleidet, darüber eine Robe—sie hatte noch etwas Rücksicht für ihr Kind—wie wenig Kind auch noch übrig war, schien sie nicht zu merken—, den unbekannten Gast zu grüßen. „John?“ rief Sinéad überrascht. „Was machs‘e hier?“

„Ich habe mich in den letzten Jahren gefunden und realisiert, dass ich nicht ohne meine Mädels leben kann“, Sinéads Exmann ging auf ein Knie und hielt ihr einen Rosenstrauß vor die Hände, „bitte nehmt mich zurück in euer Leben auf, und ich schwöre bei Gott, dass ich euch ewig mit Liebe und Zuneigung dankbar sein werde.“ Sinéad nahm John in die Arme und küsste ihn wie an ihrem Hochzeitstag. In Tränen stürzte sich auch die erwachsene Filia zu den Beiden und begrüßte die Familienzusammenschließung in einer Gruppenumarmung.

„Scheint wohl nix mit dir und Sinéad zu werden, Siegi.“ Nüwa nahm Siegfried bei der Hand und beide gingen völlig unbeachtet von den Anderen hinaus.

„Was ist vorhin passiert, Nüwa?“ Sie saßen im Restaurant von dem Nüwa auf der Busfahrt erfahren hatte. Sie tauchte ihren Löffel tief in das Käsegratin hinein und erzählte ihm schmatzend von Filias Wünschen. „Wirklich schade um Filia, sie war doch ganz nett“, gab sie traurig bei.

„Warum schade?“

Nüwa säuberte mit einem Stückchen Brot die Schale vor ihr von jedem restlichen Fleckchen Käse. „Habt ihr nich‘ ‘nen vortrefflichen Spruch bereits entwickelt? Man muss aufpassen, was man sich wünscht, ehe es tatsächlich geschieht.“

Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes

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