Читать книгу Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes - K.T. Rina - Страница 11

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Die Halle war randvoll. Im Vergleich zu Cintia und folglich Siegfried legten diese Leute hier keinen Wert darauf, Weihnachten mit der Familie zu feiern. In einer Art waren die Fremden, die sich um sie sammelten, eine Familie. Sie zelebrierten ihre eigene, heilige Messe des Heavy Metal. Manfred ragte über die Köpfe der Anderen und bahnte sich und seinen Gefährten eine Bahn, bis er inmitten anderer Riesen mitten im Moshpit stand. Leonora und Nüwa sahen nichts. Leonora war nur fünf Zentimeter größer geworden als der Körper, den Nüwa annahm. „Verdammt! Wer holt das Bier?“ fluchte Leonora. Die Menge kuschelte noch näher aneinander. Nüwa ging freiwillig durch die Masse; sie ging wortwörtlich durch die Leute durch, aber das störte im Moment niemanden—nicht, dass es was Außergewöhnliches auf einem Konzert wäre.

Sie kam gerade rechtzeitig zurück, um dem Paar hefehaltiges Wasser zu überreichen, bevor die dritte Band auf die Bühne trat; Leonora und Manfred kamen etwas verspätet, weil Manfred noch einige Sachen erledigen musste. Leonora hatte Nüwa geantwortet, dass 19:30Uhr für sie zu früh wäre. Da meinte Nüwa natürlich, sie hätte sich vertippt und sie meinte natürlich 29:30Uhr. „Prost!“ klirrten die Gläser. Sie tranken ihr Bier und Nüwa ihre Cola. Sie packte ein Stück Trüffelkäse aus, als Leonora sich beschwerte: „Ich versteh‘s nich‘: warum sollte ich meine komplett neue, geschlossene Wasserflasche wegschmeißen, wenn sie hier nich‘ einmal in Plastikbecher ausschenken? Flaschenbier is‘ perfekt zum Werfen. Sogar die verdammte Cola is‘ in ‘nem Glas!“

„Ach komm, Schatz. Mach dir nichts daraus. Lass uns den Abend in Ruhe genießen, ohne Stress“, tröstete Manfred so gut er konnte. Er hatte leicht reden, er hatte einen einwandfreien Blick auf die Bühne. Er und vier weitere Riesen bildeten die Wall of Heads, dass auch ja niemand hinter ihnen was sehen konnte.

Das erste Lied war durchgespielt und krachte sofort ins Nächste hinein. Nüwa und Leonora waren im Strudel der Hüpfenden reingesaugt worden. Nüwa zeigte mit ihrer freien Hand, die den Käse nicht hielt, nach oben und wurde prompt von netten Leuten zur Bühne getragen. Sie sprang auf die Bühne und hielt Ausschau nach Leonora. Die Lichtershow spielte im Einklang mit der Musik, was bedauerlich für sie war, denn die Noten kamen so selten wie Ingenieurstudenten. In einem grünen Lichtkegel sah sie dann wie Leonora sich wagemutig gegen sechs Schweißgetränkte behauptet und zu ihrem Freund hüpfte.

„Ich hab dich überall gesucht“, sagte Leonora zu Nüwa. „Manfred ist eben noch paar Bier holen. Wo warst du?“

„War Crowdsurfen.“ Sie zeigte auf die Bühne.

„Die Luft is‘ wohl angenehmer dort als hier.“

Der Sänger hat seine kurze Rede über den Abend und die Bands des Abends beendet und es ging in die dritte Runde. Diesmal blitzten die Lichter konstant aus und an. Zu epileptischen Vorfällen kam es nicht, auch wenn einige ausrutschten und auf den Boden fielen. Aber wie es so üblich ist, wurde der Pit kurz angehalten, die Person hochgezogen und diese war dann die Erste, die wieder im Pit demolierte.

Manfred kam zurück. „Wo is‘ das Bier?“ fragte Leonora empört.

„Alle.“

„Wie alle? Das kann doch nich‘ sein?“

Sie gingen zur Bar, doch diese gaben nur noch Softdrinks aus. Das Bier war leergesoffen.

„Was haben wir nur für‘n Glück, nich‘ Nüwa?“

Nüwa zuckte mit den Schultern und knabberte weiter an ihrem Käse. Schrödinger verkroch sich wegen dem Lärm tief in die Pulli–Tasche von Nüwa. Die Ohrstöpsel, die sie ihm in die Ohren gesteckt hatte, waren keine besonders große Hilfe.

Die letzte Band kam unter einem epischen Orchesterspiel endlich auf die Bühne. Sie spielten ihre ersten Töne und die Halle war am Platzen. Leute, die zuvor wie unschuldige Lämmer ihre Köpfe nickten, begannen nun ihre Köpfe wie Windmühlen zu drehen. Leute, die nur mit dem Fuß den Rhythmus klopften, begannen nun wild im Kreis zu rennen, weil ein Fuß zum Klopfen der Doppelbassspur nicht mehr ausreichte. Leonora und Nüwa half das Getobe, um endlich einen Blick auf die Bühne erhaschen zu können.

Nach vier Liedern kam ein etwas Langsameres, wo Manfred Leonora auf die Schulter nahm. Er hielt es nicht lange aus und warf sie erschöpft nach einer Minute ab. „Wenn wir nur so groß wären wie du, oder wenn wir wenigstens durch die Köpfe gucken könnten!“ motzte Leonora, die ihren Abend bisher nicht genoss. Wie durch Zauberei, aber dennoch von allen unbemerkt, wuchsen Leonora und Nüwa auf die Höhe von Manfred und hinaus. Sie ragten nun gute zwanzig Zentimeter über die Anderen. Die Leute hinter ihnen beschwerten sich nicht, da sie für sie transparent waren.

Bevor das siebte Lied(Leonoras Lieblingslied und eines, das selten Live gespielt wurde)zu Ende ging, hob Manfred seine Freundin hoch und sie wurde zur Bühne getragen. Dann folgte er. Leonora wollte vom Platz vor der Bühne verschwinden, aber sie wurde von einem Kraftprozess aufgehalten. Sie drehte sich zu Manfred, der nervös den Schweiß an seinen Händen an seiner Hose abwischte. Das Lied war zu Ende, das Publikum jubelte und klatschte aus allen Ecken. Der Sänger bat das Paar, das alleine vor der Bühne stand, auf die Bühne neben sich zu kommen. Leonora guckte Manfred mit offenem Mund an und wurde dann von ihm hinauf begleitet. Der Sänger begann zu reden: „Wir haben hier einen jungen Mann und eine junge Frau, die mit euch etwas teilen möchten.“

Das Publikum verfiel in totales Schweigen. Der Scheinwerfer war auf sie gerichtet. Manfred nahm das Mikrofon und sprach: „Leute, es ist das Fest der Liebe, nicht? Wir tragen zwar alle Schwarz, aber unsere Herzen bluten rot. Wir sind immer noch Menschen, die sich nach Zuneigung und Geborgenheit sehnen. Besonders nach Tagen der Demut, der Hoffnungslosigkeit, da ist unser Sehnen nach Liebe am stärksten. Meine Lea hier hat mich durch die dunkelsten Tage, durch die kältesten Nächte geführt. Sie hat mir Wärme geschenkt, ihre Hoffnung geteilt—und natürlich die grandiosesten Zeiten auf Konzerten und Festivals haben wir zusammen erlebt. Wir haben keine Familie, unsere Familie seid ihr alle, alle die ihr wie wir diese Musik liebt und lebt. Deswegen passt es, dass ich sie vor euch frag.“ Manfred ging auf ein Knie und nahm die kleine Box, die der Sänger ihm daraufhin gegeben hatte. Das Mikrofon nahm die folgenden Worte nicht auf „Leonora, möchtest du meine Frau werden“, aber jeder in der Halle wusste, was er fragte, und wusste, was die Antwort war. Leonora fiel weinend auf die Knie, umarmte ihren Verlobten, küsste ihn und erhielt dann den brillant funkelnden Moissanitbestückten Ring über den Ringfinger gezogen.

„Springt in unsere Familie rein“, befahl der Sänger. Der Pit war auffangbereit. Das frisch verlobte Paar nahm Anlauf und sprang über den Gang zwischen Bühne und Absperrung und wurde sanft vom Publikum aufgefangen und bis in die letzte Reihe befördert, denn sie hatten das Konzert lang genug aufgehalten. Der Sänger schrie den Namen des Lieds und das ganze Spektakel war vergessen und alle sprangen und drehten sich wieder wild im Kreis.

Nach der Zugabe machte die Band ein gemeinsames Foto mit dem Publikum. Zu sehen waren zwei äußerst große Frauen und ein etwas kleinerer Riese neben ihnen.

Des Vaters, der Tochter, und des ewigen Geistes

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