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2. Der Anspruch des Mieters auf Gebrauchsgewährung

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Nach § 535 I 1 hat der Mieter Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache gewähre. Gebrauchsgewährung bedeutet nach § 535 I 2 Überlassung und Erhaltung der Mietsache im vereinbarten Zustand. Das ist die Haupt- und Dauerpflicht des Vermieters[2]. Außerdem trägt er nach § 535 I 3 die Lasten der Mietsache: Anlieger- und Erschließungskosten, Kaminfeger, Feuerversicherung und Grundsteuer, wenn nicht der Mietvertrag sie dem Mieter auflädt.

Überlassen heißt Übergeben (§ 854): Der Mieter soll unmittelbarer Besitzer werden, der Vermieter nur noch mittelbaren Besitz behalten (§ 868). Der Mieter klagt auf Herausgabe (vollstreckbar nach § 883 ZPO). Hat der Vermieter die Mietsache doppelt vermietet und dem einen Mieter überlassen, ist die Herausgabeklage des anderen allerdings unzulässig, weil das Urteil nicht vollstreckbar wäre. Dem geprellten Mieter bleibt nur die Schadensersatzklage[3].

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Die überlassene Mietsache soll der Vermieter dem Mieter während der Mietzeit ungestört belassen: Eigene Störungen soll er unterlassen, fremde Störungen verhindern oder abwehren[4]. Der Mieter klagt auf Beseitigung der konkreten Störung (vollstreckbar nach § 887 oder § 888 ZPO) oder auf Unterlassung drohender Störungen (vollstreckbar nach § 890 ZPO).

Wer Geschäfts- oder Praxisräume vermietet, darf, auch ohne besondere Abrede, in unmittelbarer Nähe dem Mieter weder selbst Konkurrenz machen noch an dessen Konkurrenten vermieten[5]. Konkurrenz macht aber nur ein Gewerbe der gleichen Branche[6].

Die Mietsache soll während der ganzen Mietzeit zum vereinbarten Gebrauch taugen[7]. Tut sie das nicht, hat der Vermieter sie instand zu setzen und instand zu halten. Der vertragliche Erfüllungsanspruch des Mieters aus § 535 I 2 entsteht immer wieder neu und kann während der Mietzeit nicht verjähren[8]. Der Mieter klagt auf Herstellung des vertragsmäßigen Zustandes (vollstreckbar nach § 887 ZPO); das ist noch keine Gewährleistung, sondern Vertragserfüllung. Dazu gehören nach dem Gesetz (zur abweichenden Vereinbarung: RN 184) auch die „Schönheitsreparaturen“ in Wohnräumen: das erforderliche Streichen der Wände und Decken, der Fenster und Türen, der Heizkörper und Heizrohre[9].

Eine zerstörte Mietsache muss der Vermieter freilich nur dann wiederherstellen, wenn er die Zerstörung zu vertreten hat[10]. Auch kann der Anspruch des Mieters auf Vertragserfüllung nach § 242 am Einwand unzulässiger Rechtsausübung scheitern.

Beispiel

Die Feuchtigkeit im Durchgang zur Tiefgarage einer Wohnanlage stört den Mieter nur wenig, ihre Beseitigung zum Preis von 100 000,– € belastet aber den Vermieter übermäßig (BGH NJW 2005, 3284).

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Der Umfang des Mietgebrauchs richtet sich nach Vereinbarung und örtlicher Verkehrssitte[11]. Es kommt darauf an, als was die Sache vermietet ist, ob als Wohnung, Laden, Reparaturwerkstatt oder Reklamefläche[12]. Verbietet der Vermieter vertragswidrig einen erlaubten Gebrauch, klagt der Mieter auf Duldung (vollstreckbar nach § 890 ZPO). Was über den vereinbarten Mietgebrauch hinausgeht, bedarf der Zustimmung des Vermieters, die dieser nach § 242 aber nicht treuwidrig verweigern darf[13].

Beispiele

- Der Wohnungsmieter darf nicht nur Besuche empfangen, sondern mit Zustimmung des Vermieters, auf die er nach § 553 I 1 in der Regel einen Anspruch hat, auch nahe Angehörige, Lebensgefährten, Pflegepersonen oder Haushaltshilfen in die Wohnung aufnehmen (RN 227).
- In Küche und Bad darf er Haushaltsmaschinen aufstellen und anschließen und hat Anspruch auf ausreichende Stromversorgung auch für seine Haushaltsgeräte (BGH ZGS 2010, 150). Er kann sich einen Telefon- oder Telefaxanschluss besorgen und eine Fernsehantenne installieren, wenn der Vermieter keine Gemeinschaftsantenne anbietet (BVerfG NJW 94, 1147; 2006, 1062: aber keine schematische Regelung).
- Ist der Mieter an das Kabelnetz der Post angeschlossen, gibt ihm auch das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 I GG noch keinen Anspruch auf Installation einer Parabolantenne, es sei denn, er ist Ausländer und braucht die Antenne, um Programme seines Heimatlandes empfangen zu können (BVerfG NJW 94, 2143; 96, 2858: eigenmächtige Installation; NJW 2002, 2166: Künstler; NJW 2005, 1709: Breitbandanschluss genügt in der Regel auch ausländischem Mieter; NJW 2013, 2180: Interessenabwägung und Schutz der Informationsfreiheit sprachlicher Minderheiten; ebenso BGH NJW 2006, 1062; 2008, 216; 2010, 436; kurdischer Mieter). Erst recht erfordert eine Funksendeanlage die besondere Erlaubnis des Vermieters (BayObLG NJW 81, 1275).
- An geeigneter Stelle im Hausflur darf der Mieter seinen Kinderwagen, Rollstuhl, Rollator und dergleichen abstellen, auch wenn der Mietvertrag es nicht ausdrücklich erlaubt (BGH NJW 2007, 146).
- Der Mieter darf, wenn der Mietvertrag es nicht besonders verbietet, die Wohnung sogar durch Rauchen verunreinigen (BGH NJW 2006, 2915: vertragsgemäßer Gebrauch), aber nicht derart beschädigen, dass sie durch Schönheitsreparaturen nicht wieder hergestellt werden kann (BGH NJW 2008, 1439; 2015, 1239; 2015, 1871).
- Haustiere wie Hunde oder Katzen darf der Mieter, wenn der Mietvertrag dazu nichts sagt, nur mit Zustimmung des Vermieters in der Wohnung halten, der Vermieter die Zustimmung aber nur aus triftigem Grund verweigern (BGH NJW 2008, 218; 2013, 1526). Das totale Haustierverbot in einem vorformulierten Mietvertrag ist nichtig (BGH NJW 91, 1061; 2008, 218; 2013, 1526), auch wenn es durch den Vorbehalt einer Zustimmung des Vermieters abgeschwächt wird (BGH NJW 2013, 1526).
- Der Mieter darf in der Wohnung nur mit Zustimmung des Vermieters ein Gewerbe betreiben, hat aber Anspruch auf die Zustimmung, wenn er weder Mitarbeiter noch nennenswerte Laufkundschaft hat, was er beweisen muss (BGH NJW 2009, 3157: Immobilienmakler).
- Der Gewerberaummieter darf den Mietraum nur mit Zustimmung des Vermieters bewohnen (BGH NJW 2019, 1062: Rechtsanwaltsbüro).

Nach § 538 darf der Mieter die Mietsache durch vertragsmäßigen Gebrauch abnutzen und verschlechtern. Dafür schuldet er weder Renovierung noch Schadensersatz[14], vielmehr hat der Vermieter nach § 535 I 2 die Mietsache während der ganzen Mietzeit voll gebrauchsfähig zu erhalten, denn der Mietzins vergütet auch die vertragsmäßige Abnutzung. Der Mietvertrag weicht davon meist ab (RN 184).

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