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Vorwort
ОглавлениеEvaluation hat in den letzten 25 Jahren auch im deutschsprachigen Raum eine steile Karriere gemacht. Ihre Wurzeln und großen Potenziale liegen insbesondere auch im Bildungsbereich. Evaluation kann helfen, Angebote vom Eltern-Kind-Turnen über den Computerkurs bis hin zur Facharzt-Weiterbildung und viele Hunderte mehr systematisch zu beschreiben und zu bewerten, meist mit dem Zweck, diese zu verbessern.
Diejenigen, die Bildungsprogramme finanzieren oder verantwortlich leiten, geben eine Evaluation in Auftrag, sei es an interne Mitarbeitende oder an Externe. Diese Evaluierenden müssen über einschlägiges Evaluationswissen und -können verfügen: wie sie zu relevanten und beantwortbaren Evaluationsfragestellungen kommen; wie sie Evaluationspläne an diese Fragestellungen anpassen; wie sie Evaluationskriterien festlegen; welche Rahmenbedingungen sie bei der Realisierung einer Evaluation zu beachten haben; welche methodischen Herausforderungen sie meistern müssen; wie sie gewonnene Daten verarbeiten; wie sie die Nutzung der erzielten Ergebnisse fördern können und vieles Weitere mehr.
Dieses Buch ist ein praxisnaher Leitfaden für die Planung, Durchführung und Bewertung einer Evaluation und bietet Ihnen eine systematische Anleitung zum Erwerb bzw. Ausbau der dafür erforderlichen Kompetenzen.
Wenn Sie sich mit Unterstützung dieses Buches erarbeiten, wie Sie nützliche und glaubwürdige Evaluationen planen und durchführen, dann nutzen Sie Erfahrungen aus vielen erfolgreichen und oft herausfordernden Lerngeschichten. Personen, die mit verschiedenen Vorgängerversionen dieses Buches autodidaktisch oder in einer der zahlreichen Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen gearbeitet haben, hatten es mit unterschiedlichen Problemstellungen und Hindernissen der Evaluation zu tun, und konnten vielfach entsprechende Lösungen für diese finden.
Der vorliegende Text hat seine Wurzeln in Veranstaltungsskripten und Studienbriefen (z.B. Beywl & Balzer, 2009, Balzer & Beywl, 2014) und natürlich in seiner ersten Auflage (Balzer & Beywl, 2015), die mit dem vorliegenden Text grundlegend überarbeitet und erweitert worden ist: Dazu gehören einerseits Ergänzungen und Präzisierungen vorhandener Kapitel. So wird die einheitliche Begriffsverwendung weiter geschärft – z.B. wird nun konsequent die Bezeichnung «Evaluationsprojekt» verwendet, wenn eine geplante oder realisierte Evaluation gemeint ist. Das Wort «Projekt» als eine Klasse von Evaluationsgegenständen wird hingegen wenn immer möglich durch Bezeichnungen wie «Programm» oder «Maßnahme» ersetzt. Ebenso ist das Designkapitel grundlegend überarbeitet, und Evaluationszwecke werden nun konsistenter als verbesserungsorientiert, rechenschaftslegungsorientiert, grundsatzentscheidungsorientiert und wissensgenerierend unterschieden. Die aktuellen Revisionen der DeGEval- und SEVAL-Evaluationsstandards sind eingearbeitet. In der deutschsprachigen Fachliteratur bislang wenig ausgeführte Themen wie die Typisierung von Evaluationsfragestellungen, das Verständnis von «Daten» in der Evaluation, die Festlegung der Evaluationskriterien, die Bewertungssynthese sowie der Einfluss durch Evaluation sind weiter vertieft. Darüber hinaus kommen Kapitel zur Fragebogenkonstruktion und zur Text-Sortier-Technik sowie zwei ausführliche Fallbeispiele hinzu. Sowohl neue wie aktualisierte Literatur ist eingearbeitet.
Der Titel dieses Buches ist ein Vorgriff auf das, was Sie nach einer systematisch durchgeführten Evaluation erreicht haben, und markiert den Abschluss eines Dreischritts:
❙ evaluiert? – Ein legitimer, vielfach notwendiger Checkpunkt, der in der Lebensphase eines Programms anzuwenden ist.
❙ evaluiert! – Ein Planungsentschluss, der gefasst wird, wenn die Evaluation einer Maßnahme als möglich und nutzenversprechend eingeschätzt wird.
❙ evaluiert. – Der Schlusspunkt hinter der Durchführung einer Evaluation, an den sich gelegentlich ein neuer Dreischritt anschließt.
Mit dem im Untertitel genannten «Bildungsbereich» sind auch zahlreiche benachbarte Felder angesprochen. Zum einen sind dies alle Bildungsstufen von der frühen Bildung über die allgemeinbildenden Schulstufen und die grundständige Berufsbildung bis hin zur hochschulischen Bildung sowie der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung. Zum anderen sind dies Handlungsfelder der Sozialen Arbeit, des Gesundheitsbereichs, der Verbraucherarbeit, der Beratung, des Coachings und viele andere mehr. Wichtig ist, dass es zumindest im weitesten Sin- ne um intentionales, also zielgerichtetes Lernen geht, das im Rahmen von Programmen stattfindet. Was hier unter einem Programm verstanden wird, schlagen Sie am besten gleich im ➞ Glossar am Ende des Buches nach – das Wort bzw. der Wortbestandteil wird über 500-mal in diesem Buch genutzt. Sie werden das Buch auch nutzen können, wenn das Gegenstandsfeld ein anderes ist als Bildung – vieles lässt sich 1:1 übertragen. Die Erarbeitung der für Evaluationen kennzeichnenden Methodologie wird dadurch erleichtert, dass die Beispiele aus dem Bereich Bildung aus einem für viele bekannten Kontext stammen.
Adressierte dieses Buches sind alle, die sich die fachlichen Grundlagen der Evaluation erarbeiten wollen, um Evaluationen Schritt für Schritt planen und schließlich erfolgreich umsetzen zu können. Angesprochen sind zum einen Studierende in den grundständigen Bachelor-, besonders den Masterstudiengängen im Bereich der Bildungswissenschaften und auch der sozialen Arbeit sowie ihrer Bezugsdisziplinen, u.a. Psychologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft. Zum anderen richtet sich das Buch an Weiterbildungsstudierende in Programmen, die ein substanzielles Element zur Evaluation enthalten, z.B. im Bereich des Projekt-, Change- oder Qualitätsmanagements. Schließlich gehören auch Fachpersonen in Bildungsorganisationen und -abteilungen, die ihr Wissen und Können im Prozess der Arbeit auf- und ausbauen wollen, zu den Hauptadressierten.
Erfahrene Evaluierende können dieses Buch im Rahmen eines kombinierten Schulungs- und Beratungsangebotes einsetzen. Präsenzzeiten der Teilnehmenden können – wie schon vielfach mit den Vorläufern dieses Buches umgesetzt – durch die vorbereitende Lektüre und evtl. in Kombination mit der Bearbeitung der Übungsaufgaben reduziert werden. Durch ein solches Konzept eines «inverted classroom» kann diese Präsenzzeit effektiver für kollegiale Beratung und Coaching durch Evaluationsexpertinnen und -experten genutzt werden. Dabei kann z.B. eine reale Evaluation über zehn – jeweils durch ein Buchkapitel erläuterte – Schritte geplant und gegebenenfalls danach tatsächlich umgesetzt werden.
Detaillierte Lernziele dieses Buches finden sich je zu Beginn der ➞ Kapitel 2–13. Durch ein intensives Studium dieses Buches können Sie u.a.:
❙ wissenschaftliche Evaluation definieren,
❙ eine systematische Schrittfolge für eine für den Auftrag maßgeschneiderte Evaluation planen,
❙ den jeweiligen Evaluationsgegenstand differenziert beschreiben,
❙ die im Rahmen einer Evaluation zu berücksichtigenden Akteure identifizieren,
❙ Evaluationszwecke und -fragestellungen präzise formulieren,
❙ Kriterien für die systematische Bewertung klären und anwenden,
❙ geeignete Erhebungsdesigns auswählen und Erhebungsmethoden bestimmen,
❙ die Erhebungsarbeiten effizient und flüssig in den Bildungsalltag einbetten, mit einem Schwerpunkt bei Fragebogen,
❙ Auswertungs- und Bewertungsarbeiten konzipieren und abstimmen, mit einer Vertiefung bei qualitativen Daten,
❙ Evaluationsberichte auf die Adressierten zeitlich und inhaltlich abstimmen,
❙ die effektive Nutzung der Evaluation und ihrer Ergebnisse vorbereiten,
❙ sowie Voraussetzungen für eine Evaluation der Evaluation – die sogenannte Meta-Evaluation – schaffen.
Es empfiehlt sich, das Buch von vorne nach hinten durchzuarbeiten. ➞ Kapitel 1 enthält eine kleine Fallbeschreibung dazu, welche Herausforderungen sich schon ganz zu Beginn der Evaluation einer Bildungsmaßnahme stellen. Das Beispiel ist bewusst einfach gewählt. Dennoch entfaltet sich in seinen fiktiven Dialogen bereits die Komplexität, deren Bewältigung auch für erfahrene Evaluierende immer wieder eine große Herausforderung darstellt. In vielen der 39 Beispielkästen der nachfolgenden Kapitel wird auf dieses Eingangsszenario zurückgegriffen. Andere enthalten verdichtete kurze Fallbeispiele von Evaluationen, jeweils bezogen auf das im Kapitel behandelte Thema.
Die folgenden ➞ Kapitel 2–13 führen in die Methodologie und Fachsprache der Evaluation ein. Die Kompetenzen der Datenerhebung müssen Sie entweder bereits aus anderen Studien mitbringen oder durch Bearbeitung von einschlägigen Lehrbüchern zu empirischen Methoden evtl. in Kombination mit entsprechenden Studienangeboten erwerben. Gleiches gilt für die qualitativen und quantitativen Auswertungsverfahren. In den entsprechenden Kapiteln dieses Buches geben wir Literaturempfehlungen, welche durch Internetquellen ergänzt werden.
Für die zweite Auflage wurden alle Kapitel überarbeitet. Das gilt besonders für die ➞ Kapitel 7 (Bewertungskriterien) und 8 (Erhebungsdesign). In ➞ Kapitel 10 ist die Bewertungssynthese ausführlicher behandelt. Neu erarbeitet sind auch die Übungsaufgabe zur Unterscheidung von Fragestellungs-Arten sowie die Ausführungen zur Verbindung von Evaluationsfragestellungen und Erhebungsmethoden in ➞ Kapitel 6. Von den knapp 320 Literaturangaben ist mehr als ein Viertel neu hinzugekommen oder aktualisiert.
Eine exemplarische Erweiterung und Vertiefung bei Erhebung und Auswertung bilden die neu aufgenommenen ➞ Kapitel 14 und 15, welche unter einer evaluationsspezifischen Perspektive in die Konstruktion von Fragebogen sowie in die qualitative Auswertungsmethode Text-Sortier-Technik einführen. Ebenfalls neu ist ➞ Kapitel 16, in dem zwei reale Fallbeispiele den zuvor geschilderten zehnschrittigen Evaluationsprozess illustrieren.
Vielfach wird in späteren Kapiteln das Wissen der vorangehenden vorausgesetzt. Eine Besonderheit besteht darin, dass alle Fachbegriffe nach bestimmten Regeln definiert sind und sie bei jeder Verwendung im Buch stets dieselbe Bedeutung haben. Sie finden die Begriffserklärungen im angehängten Glossar, das – wie einige andere im Literaturverzeichnis aufgeführte aktuelle Publikationen – auf dem noch umfangreicheren Online-Glossar des Evaluationsinstituts Univation basiert (vgl. Schobert, Beywl & Niestroj, 2016). Es ist unter http://eval-wiki.org/glossar/Eval-Wiki:_Glossar_der_Evaluation verfügbar.
Die meisten Kapitel des Evaluationsprozesses enthalten Übungsaufgaben. Diese ermöglichen es, Ziele unterschiedlicher Anspruchsniveaus zu verfolgen, von der Erarbeitung des Begriffsverständnisses über die Anwendung von Wissen auf vorgegebene Fallbeispiele bis hin zum Transfer auf reale Praxisbeispiele aus den Bildungsfeldern, in denen Sie tätig sind. Im Anhang des Buches finden Sie passende Musterlösungen. Für am Selbststudium Interessierte empfiehlt es sich, alle Übungsaufgaben durchzuarbeiten. Wenn Sie in Lerngruppen arbeiten, tauschen Sie sich zu Ihren Lösungen aus. Wenn Sie an einer Präsenzweiterbildung teilnehmen, in der Sie von Evaluationsexpertinnen und -experten begleitet werden, ist auf die Bearbeitung der Übungsaufgaben eventuell zu verzichten.
Zum Beleg von Originalaussagen werden in diesem Buch an verschiedenen Stellen fremdsprachige Textstellen zitiert. Zum leichteren Verständnis haben wir diese sinngemäß ins Deutsche übersetzt und die übersetzten Textteile in den Text integriert. In den Kapiteln zur Fragebogenerstellung und zur Text-Sortier-Technik sowie in den beiden Fallbeispielen werden Originaldokumente aus Evaluationen in der Deutschschweiz genutzt, mit leicht abweichender Rechtschreibung.
Sollten Sie bei der Lektüre des Buches auf Fehler oder unklare Passagen stoßen, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail an: evaluiert@lars-balzer.info.
Lars Balzer und Wolfgang Beywl, Zollikofen und Bern, im Oktober 2018