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Als Kommissar Casper Munk den Skogskyrkogården erreichte, war die Zeremonie bereits im Gange. Der Priester sprach zu den Trauergästen. Munk sah sich um – es mussten wohl Tausende sein, die Abschied nehmen wollten von Rune Katt, der nur wenige Meter neben Lennart Skoglund begraben werden sollte. War das Absicht? Skoglund war einer der besten Stürmer der Welt gewesen. Aber er hatte sich sozusagen in dieses Grab gesoffen. Hatte Katt mit Skoglund zusammengespielt? Wohl kaum. Katt war jünger. Auch Greta Garbo lag auf diesem Friedhof. Munk war sicher, dass Rune Katt niemals mit Greta Garbo zusammen­gespielt hatte.

Munk hörte nicht länger darauf, was der Priester sagte, es waren ohnehin nur die üblichen Floskeln. Der Priester gab sich keine Mühe. Vermutlich interessierte er sich nicht für Fußball. Und die Menschenmenge schien ihn auch nicht zu beeindrucken. Er machte seinen Stiefel.

Munk hing seinen Gedanken nach. Katt war das Idol seiner Kindheit gewesen. Munk war Fan von AIK Stockholm gewesen, und im Tor von AIK hatte dieser große, breite Mann gestanden, der fast immer einen dunkelblauen Pullover und eine weiße Sporthose trug. Weiße Hosen hatten damals vor allem die Keeper in England getragen. In Schweden und auf dem Kontinent hatten die Tor­leute schwarze Hosen an. Katt war also extravagant gewesen. Munk hatte ihn dafür bewundert. Viele Jungs in seinem Alter hatten Katt bewundert. Er hätte einen anderen Tod verdient gehabt, dachte Munk. Er blickte nach vorne. Dort betete der Priester die Stationen von Katts Karriere lieblos herunter. Der Mann hat die Herzen von vielen Menschen berührt, dachte Munk, und jetzt wird er von einem Priester ohne Leidenschaft von dieser Erde verabschiedet.

„Danke, Rune“, murmelte Munk, als der Priester seine Rede beendet hatte und der Sarg in die Grube hinab­gelassen wurde.

Munk sah sich um. Er versuchte sich die Gesichter der Gäste einzuprägen, die dem Grab am nächsten standen. Er wusste, dass Katt in den letzten Jahren mit einer viel jüngeren Frau zusammengewesen war; Munk hatte das in den bunten Blättern gelesen. Und er wusste, dass Katt eine Tochter aus einer früheren Beziehung hatte. Munk hatte vor mehr als 40 Jahren ein Interview mit Katt gelesen, in dem dieser gefragt wurde, was sein „größtes außer­sportliches Erlebnis“ gewesen sei. Der Torwart hatte geantwortet: „Die Geburt meiner Tochter Nora machte mich über­glücklich.“ Munk erinnerte sich daran, sogar an den Wortlaut der Antwort.

In der Nähe des Grabes stand eine dunkelhaarige Frau um die 50. Sie weinte. Das musste entweder die Tochter sein oder die Lebensgefährtin. Sie stand dort ziemlich alleine, niemand tröstete sie. Als der Sarg in der Grube verschwunden war, drehte sich die Dunkelhaarige ruckartig um und ging davon. Munk und einige Trauergäste sahen ihr hinterher.

„Das ist Katts Tochter Nora“, sagte eine Stimme von hinten.

Munk drehte sich um.

„Leila!“, sagte er eine Spur zu laut. „Schön, dich zu sehen.“

„Kannst du mich ins Präsidium mitnehmen?“, fragte Leila Andersson, seine Kollegin. „Ich bin mit der U-Bahn hergekommen.“

„Klar, wir gehen – wir lassen sie erst mal in Ruhe“, sagte Munk und schaute der Dunkelhaarigen hinterher, die gerade das Friedhofstor passierte.

„Geht ihr vermutlich sehr nahe“, sagte Leila.

Munk dachte anders – er hatte Wut in den Bewegungen der Frau gesehen. Aber er sagte nichts. Er speicherte es erst mal ab.

Sie gingen zu Munks altem Saab, den er in einer Seitenstraße nahe des Friedhofs abgestellt hatte.

„Wer ist älter – Rune Katt oder dein Auto?“, fragte Leila, als Munk die Tür des Saab 900 öffnete.

„Wie alt ist Katt geworden?“, fragte Munk.

„73.“

„Sie könnten Brüder sein – Katt und mein Auto“, sagte Munk und lächelte.

„Stiefbrüder“, sagt Leila. „Sie wurden erst verwandt, als dein Auto einen Kattalysator bekam.“

Sie lachte laut über ihren Witz. Katt und Kattalysator.

Munk lachte auch, aber mehr darüber, wie laut Leila über einen Witz lachte, den sie erstens selbst gemacht hatte und der zweitens höchst albern war. Wie viele Schweden würden über Katt und Kattalysator lachen? Drei Prozent? Der Rest würde Leila raten, sich mal untersuchen zu lassen.

Munk sah sie an und lächelte. Er hatte nun drei Frauen mit Humor um sich herum: Leila, Luna und Tove. Eine Kollegin, seine beste Freundin und seine Lebensgefährtin. Gerade jetzt ist das Leben schön, dachte er. Aber er sagte es nicht.

„Erzähl mir, was im Präsidium passiert ist, während ich im Urlaub war“, sagte er stattdessen. „Haben wir einen Neuen?“

Hauptkommissar Halldor Selander hatte angekündigt, dass ein neuer Mitarbeiter kommen würde, nachdem der Kollege Achatz Larsson beim Versuch, einen durchgedrehten Mörder festzunehmen, schwer verletzt worden war. Der Mörder hatte eine Stalinorgel gebaut, die er auf Larsson abgefeuert hatte. Munk hatte im Urlaub oft an Larsson denken müssen, und einmal hatte er ihn auch im Krankenhaus besucht. Larsson war noch nicht lange bei der Mordkommission gewesen, aber er war Munk bereits ans Herz gewachsen. Larsson fehlte ihm.

„Wir haben eine Neue bekommen“, sagte Leila.

„Eine Frau?“, entfuhr es Munk.

„Nein, eine Bergziege – die Uniform steht ihr ausgezeichnet.“

Munk lachte.

„Sorry“, sagte er. „Wie ist sie? Wie heißt sie?“

„Sie heißt Kajsa. Sie ist groß, jung, blond, durch­trainiert und selbstbewusst.“

„Sympathisch?“

„Sie fängt erst heute an. Ich habe sie einmal auf dem Flur getroffen und mit ihr gesprochen – ich finde, sie ist ein bisschen zu ehrgeizig“, sagte Leila. „Aber Halldor meint, wir bräuchten frischen Wind, denn Grip hätte nur seine Witze im Kopf, ich sei manchmal zu verträumt und du seist nach all deinen Erfolgen träge, fett und selbstzufrieden geworden.“

„So sehe ich das auch“, sagte Munk, grinste und drückte aufs Gaspedal.

Opfer ohne Gewissen

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