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II

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Ungefähr fünfzig Menschen standen auf der Straße vor der Bronzetür und erörterten den bedenklichen Zustand des Volkstribuns. Petronius bog nach rechts ab in einen abfallenden Pfad zwischen der Seitenwand des Hauses und der überwucherten Brache des Nachbargrundstücks. Durch eine Kellertür traten wir in einen schmalen, von Fackeln erleuchteten Gang ein, der voll weinender Sklaven war.

Eine Schar Kinder wurde weggescheucht. Ein hübsches, junges Mädchen mit blauschwarzem Haar stieß mit ihrer Schulter gegen meinen Oberarm. Das Grüne in ihren Augen ging in der Mitte der Iris ins Gelbe über, sodass ihre Pupillen von einem Goldring umgeben zu sein schienen.

Petronius zog mich durch die Küche. Ein dickbäuchiger Koch hing über einem Topf, dessen Inhalt er mit seinen Tränen salzte. Wir stiegen eine Treppe zu einer Loggia hinauf.

Die Villa lag am äußersten Rand des Palatins, einige hundert Fuß oberhalb des Forums. Unter uns erstreckte sich Rom zu allen Seiten hin. Ganz links thronte der dunkle Koloss des Jupitertempels auf dem Hügel des Kapitols.

Rechts lagen die Villen von Carinae, bedrängt von den Mietshäusern in Esquilin. Vor uns, auf der anderen Seite des Tals vom Forum, schimmerten die Gassen von Subura zwischen den baufälligen Häusern wie Magma zwischen schwarzen Felsbrocken hervor. Am Horizont schickten Schornsteine Tausende von dünnen Rauchsäulen zu den blassen Sternen hinauf.

Wir setzten unseren Weg durch den Garten des Peristyls fort und gingen weiter ins Haus hinein. Die dunkle rechteckige Fassade wurde nur von einem einzigen erleuchteten Fenster durchbrochen.

Als wir in einen Gang traten, sah ich flüchtig einen großen, schlanken Mann, der sich umgehend in das Dunkel zurückzog, als er uns erblickte. Seine hervorgewölbten Lippen schienen in einem unergründlichen Lächeln erstarrt zu sein. Der Ausdruck in seinen schmalen Augen war ernst.

Die Öllampen blendeten mich. Ich bemerkte kaum die drei Gestalten, die in der unruhigen Stille des prächtig ausgestatteten Tablinums standen oder saßen. Petronius führte mich an einem vollgestopften Bücherregal vorbei zu einem Vorhang in der äußersten Ecke des Raums.

»Ist er tot?«, fragte ein mit einer Toga bekleideter Senator, der die Hälfte der schmalen Schlafkammer auszufüllen schien. Sein tiefer Bass klang, als käme er eher aus dem Inneren der Erde als aus einem Menschen. Ich trat einen Schritt zurück, als ich ihn wiedererkannte. Es war zu spät, um zu flüchten. Ich blieb mit dem Rücken am Türrahmen stehen.

»Er ruht«, sagte ein griechischer Arzt, der am Kopfende kniete. »Das Schlimmste ist überstanden. Ich verordne Rosenwasser zur Reinigung.«

»Das wird das Gleichgewicht zwischen den Körperflüssigkeiten nicht wiederherstellen«, entgegnete ein anderer Arzt am Fußende des Bettes. »Welche Körperflüssigkeiten?«, brummte der Senator.

»Wie schon Aristoteles geschrieben hat, so beruht jede Erkrankung des Körpers auf einem Ungleichgewicht der vier lebenswichtigen Körperflüssigkeiten: Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle. Es ist deutlich, dass der Patient zu viel Blut hat. Ich verordne einen Aderlass.«

»Unsinn!«, knurrte der erste Arzt, »er ist dehydriert. Eine Wasserkur wird ihn heilen.«

Petronius schlängelte sich zu dem hochgewachsenen Senator und flüsterte ihm etwas zu, woraufhin er sich umdrehte.

»Demetrios!«

»Salve, General Marius«, sagte ich. »Es ist eine Freude, dich wiederzusehen.«

Marius sah immer noch so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte: Die sonnengebräunte Haut saß straff über der kräftigen Muskulatur des Gesichts. Die Nase wirkte wie ein uneleganter Klumpen über den breiten, aufgesprungenen Lippen. Über der hohen Stirn, die wie ein Acker gefurcht war, stand ein Büschel kurz geschorener, hellroter Haare. Er erinnerte an einen oft benutzten Gegenstand aus Leder, der draußen jedem Wetter ausgesetzt und erst kürzlich hereingeholt worden war.

»Was für eine Überraschung. Es müssen seitdem zehn Jahre vergangen sein.«

»Zwölf, General.«

»Das mag sein. Wo hast du dich aufgehalten?«

»In Subura. Ich bin meinem Ruf gefolgt.«

»Deinem Ruf? Du machst Witze?«

Die buschigen Augenbrauen zogen sich am Nasenrücken zusammen. Ich wich seiner Frage aus.

»Ist das der Mann, zu dessen Behandlung ich gerufen wurde?«

»Ach ja«, antwortete Marius, »mein Freund Drusus hat Magenschmerzen. Wir können die alten Erinnerungen auffrischen, wenn du ihn kuriert hast. Was sagst du zu all dem Geschwätz über Körperflüssigkeiten, Junge?«

Marius fiel unbeschwert in unsere alte, vertraute Ausdrucksweise.

»Aristoteles war Philosoph, kein Arzt. Ich kenne keine anderen lebenswichtigen Körperflüssigkeiten außer Blut.«

»Exakt meine Worte.«

Der General betrachtete mich, während er das Gewicht vom einen auf den anderen Fuß verlagerte. Dann siegte seine Neugier über die Verhaltensregeln.

»Sagtest du Subura? Wie hast du zwölf Jahre lang dort in diesem Loch leben können? Wusstest du nicht, dass ich nach dir gesucht habe? Beinahe hätte ich geglaubt, dass du dich vor mir versteckt hältst.«

»Selbstverständlich habe ich mich nicht versteckt, General«, log ich.

Der erste Arzt musterte mich und fragte auf Griechisch, wie alt ich sei. »Fünfundzwanzig Jahre«, antwortete ich.

»Dachte ich es mir doch. Lass lieber einen erfahrenen Medicus diese Sache erledigen. Wenn du einen Volkstribun falsch behandelst, kann deine Laufbahn vorbei sein, bevor sie begonnen hat.«

Solch einer Reaktion war ich schon früher begegnet, und ich hatte gelernt, ihr mit einschmeichelnden Worten zu begegnen.

»Ich bin nicht völlig unerfahren. Ich habe operiert, seit …«

»Ruhe!«, unterbrach der zweite Arzt. »Der Patient muss absolute Ruhe haben. Hör lieber auf meinen Kollegen. Das Leben eines Patienten ist eine ernste Sache.«

»Haltet alle beide den Mund«, wetterte Marius. »Glaubt ihr, ich verstehe euren Unsinn nicht, nur weil ihr Griechisch sprecht? Demetrios ist gut genug. Er ist der einzige Arzt, der mich jemals behandeln durfte.« »Tatsächlich?«, sagte der erste Arzt. »Was war das Problem?«

»Krampfadern«, entgegnete ich, als Marius zögerte.

»Ähm, ja.« Sein vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem angestrengten Lächeln.

»Als du mit dem einen Bein fertig warst und in das andere schneiden wolltest, bin ich von deinem Tisch gehüpft.«

Marius’ Lachen hallte zwischen den kahlen Wänden wider.

»Bona Dea! Der Schmerz stand in keinem Verhältnis zu dem Nutzen. Doch wir dürfen Drusus nicht vergessen. Du sollst jetzt hören, was vorgefallen ist. Als wir gegen Abend vom Forum zurückkamen, wurde er auf der Straße aufgehalten. Er wollte mit einer Schar seiner Klienten sprechen. Sie waren uns auf unserem Weg gefolgt. Plötzlich fing er zu schreien an. Wir trugen ihn hier herein und riefen die Ärzte. Sie waren nicht von großem Nutzen, aber jetzt ist das Schlimmste sicherlich überstanden.«

Der Volkstribun Marcus Livius Drusus war Ende dreißig, schlank und mittelgroß. Er war bleich und das dunkle Haar war feucht vom Schweiß. Ich zählte seinen Puls, der wie ein Pferd galoppierte.

Vorsichtig wickelte ich die Toga von ihm ab. Unter ihren Falten entdeckte ich eine mögliche Ursache für seine Magenbeschwerden: In seinem Unterleib steckte bis zum Schaft ein Schuhmachermesser.

Der Römer

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