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VI

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Der Hüne trat einen Schritt zurück, taxierte mich aber mit seinen dicht beieinander liegenden Augen. Hinter ihm kam eine junge Frau zum Vorschein. Ihr blauschwarzes Haar war zu einem Dutt zusammengebunden, wie es unverheiratete Frauen zu tun pflegen. Kurze Strähnen fielen ihr in die Stirn, seitlich trug sie das Haar offen und in kunstvollen Locken. Die Haut ihres ovalen Gesichts war wie aus reinem Marmor.

Sie betrachtete mich mit hocherhobener Nase und mit einer Miene, die derart demonstrativ erhaben war, dass es an Komik grenzte. Ich schätzte ihr Alter auf 16 oder 17 Jahre. Ihre dunkelgrünen Augen, die in der Mitte der Iris ins Gelbliche wechselten, sodass die Pupillen von einem goldenen Ring umgeben zu sein schienen, ließen sie älter wirken.

»Mutilus ist mein Leibwächter.« Ihre Aussprache war affektiert, ein sicheres Zeichen ihrer adligen Herkunft. »Er ist nervös, nach all dem, was heute Nacht geschehen ist. Ich bitte dich, sein Benehmen zu entschuldigen.«

Ich entgegnete, dass ein schlafender Mann eine geringe Bedrohung für einen sechs Fuß großen Gladiator sei. Die Seide ihrer roten Stola knisterte, als sie sich nach vorne beugte.

»Woher weißt du, dass Mutilus ein Gladiator gewesen ist?«

»Die Narbe unter seinem Kinn. Ihm selbst wurde ein Messer an die Kehle gehalten, doch sein Leben wurde verschont. Gewiss, weil er sich tapfer geschlagen hat.« Der Hüne strahlte eine provozierende Selbstgefälligkeit aus. »Außerdem riecht er nach Knoblauch. Die Gladiatorenschulen benutzen das als muskelaufbauendes Mittel.«

Ich hoffte, sie würde weiterfragen. Und sie enttäuschte mich nicht.

»Was kannst du mir über mich sagen?«

»Dein Name ist Servilia Caepionis. Du bist die Tochter des Senators Caepio und warst Marcus Livius Drusus’ Nichte. Du wohnst im Haus des Volkstribuns und warst zugegen, als er ermordet wurde.«

Ihr Gesichtsausdruck schien nicht länger der einer vornehmen Patrizierin zu sein, sondern der eines jungen, unsicheren Mädchens. Mir gefiel diese Verwandlung.

Sie ließ sich auf einen Schemel sinken und sperrte die Augen auf, als hätte ich ein Zauberkunststück vollbracht.

»Woher weißt du das alles?«

Wie einen halben Tag zuvor bei Petronius, ließ das Erstaunen sie alle Förmlichkeiten vergessen.

»Simple Logik, basierend auf Beobachtungen«, erklärte ich. »Man kann es mit dem Diagnostizieren eines Patienten vergleichen. Jede noch so kleine Auskunft, wie stark ein Schmerz ist, seit wann ein Symptom besteht, stellt einen kleinen Punkt in einem gesamten Krankheitsbild dar. Wenn man genügend Informationen hat, kann man die Punkte miteinander verbinden.«

In meinem Hinterkopf hallte die Stimme meines Vaters wider, wie er ruhig das Geheimnis der Diagnosestellung erklärte, bis sich diese Grundlage aller ärztlichen Heilkunst in meinem Bewusstsein festgesetzt hatte. Es war seine Theorie – und sie wurde nur selten widerlegt –, dass man diese Methode auf alle Lebensbereiche anwenden kann. Derjenige, der es versteht, seine Umwelt zu beobachten und zu analysieren, besitzt ein unschätzbares Wissen.

»Die Punkte miteinander verbinden?«, wiederholte sie.

»Die Herrin stieß mit ihrer Schulter gegen meinen Arm, als ich gestern Abend durch den Bereich der Sklaven im Keller von Drusus’ Haus ging. Aber die Herrin ist offensichtlich keine Sklavin. Auf dem Forum spricht man über die hübsche Tochter von Senator Caepio, die bei ihrem Onkel wohnt. Ich verband einfach die Punkte miteinander.« Sie senkte ihren Blick, da sie Komplimente von Fremden nicht gewohnt war. Um sie aus dieser Verlegenheit zu befreien, fragte ich sie, ob ihr Vater immer noch mit der Schwester des Volkstribuns verheiratet sei. Dies hatte jedoch den entgegengesetzten Effekt. Sie errötete von Kopf bis Fuß.

»Sie ließen sich scheiden, als ich sechs Jahre alt war. Meine Mutter ist tot.« Ein paar weiße Schneidezähne bohrten sich in die geschminkte Unterlippe. »Aber das ist nun alles unbedeutend. Ich wurde heute Nacht von Onkel Drusus’ Schreien geweckt. Meine Geschwister und ich wurden ins Untergeschoss zu den Sklaven gebracht, doch wir kamen nicht umhin zu hören, was oben gesagt wurde.« Sie schaute auf. »Was meintest du damit, dass Drusus zwei Mörder hatte?«

»Nichts. Vergiss es. Das war nur irgendein Unsinn.«

»Ich habe mich durch halb Rom begeben, um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen«, sagte sie, als wäre diese Kraftanstrengung für sich genommen schon ausreichend genug, um mein Vertrauen einfordern zu können.

»Dein Onkel hatte im Laufe des Tages mehrfach erbrochen«, antwortete ich nach einer kurzen Pause. »Außerdem hatte er blutigen Durchfall, Krämpfe und erweiterte Pupillen. Das alles sind Symptome für eine Vergiftung, die ihn letztlich umbrachte. Das Messer gab ihm nur den Rest.«

Drusus’ Leiden wurden von einem Waldpilz namens Amanita Virosa, dem Knollenblätterpilz, verursacht, den man leicht mit einem gewöhnlichen Egerling verwechseln kann. Er hat einen süßlichen Geschmack und enthält ein Gift, das anfänglich gewaltiges Erbrechen auslöst. Danach Leber- und Nierenversagen. Schließlich perforiert das Gift den Darm, sodass sein Inhalt in die Bauchhöhle fließt und das Innere des Körpers in einen Morast verwandelt. Diese Details ersparte ich jedoch dem jungen Mädchen.

Sie merkte an, dass dieselbe Person, die ihren Onkel vergiftete, auch zugestochen haben könnte. Ich wandte ein, die Wirkung des Gifts hätte sich spätestens einen halben Tag, nachdem es das Opfer eingenommen hätte, eingestellt, und dass nur die wenigsten ein derart langsam wirkendes Gift verwenden würden, um anschließend ein riskantes Attentat auszuführen. Sie dachte darüber nach und nickte.

»Was brauchst du, um herauszufinden, wer meinen Onkel vergiftete?«, fragte sie dann und brachte den Einwand des Leibwächters mit einer Handbewegung zum Schweigen. Ich schaute beide nacheinander an.

»Ich kann keinen Mord aufklären.«

»Warum nicht? Du hast bereits mehr herausgefunden als sonst irgendjemand. Der Senat hat mitgeteilt, dass Drusus bei einem Messerattentat ermordet wurde, also wird keiner nach einem Giftmörder suchen. Es ist außerdem recht unwahrscheinlich, dass der Messerstecher gefunden werden wird. Im Gegensatz zu Athen hat Rom keine Miliz, wie du weißt.«

Das war nichts, was ein einzelner Mann bewerkstelligen könnte. Doch ich war bereits mehr in die Sache verwickelt, als ich mir eingestehen wollte. Ich driftete ab, sowohl im übertragenen wie im buchstäblichen Sinne. Nichts von alldem hatte etwas mit mir zu tun, redete ich mir ein.

Ihr sagte ich nur: »Es tut mir leid.«

Sie lehnte sich erschöpft an die Wand. Plötzlich lief sie zum Fenster und lehnte sich hinaus. Einen Augenblick lang hatte sie unser Gespräch vergessen.

»Dort sind das Kapitol und die Arx. Und der gesamte Palatinhügel. Deine Aussicht ist beinahe so schön wie unsere.«

Ich stellte mich neben sie. Unter uns breitete sich die Stadt aus in einem wirren, aber schmucken Gewimmel aus rotbraunen Terrakottadächern.

Sie streckte die Hand nach ein paar Spatzen aus, die auf der Dachrinne saßen.

»Diese kleinen Vögel sind überhaupt nicht ängstlich.«

»Ich übe mit ihnen, damit sie aus der Hand fressen. Hier, versuche, ihnen ein wenig Brot zu geben.«

Das Düstere in ihrem Blick war verschwunden. Im Licht der Nachmittagssonne glänzten ihre perlengleichen Zähne, die schmalen Nasenflügel schienen beinahe durchsichtig zu sein und ihre Lippen schimmerten. Ich betrachtete sie mit stockendem Atem.

»Du bist die Tochter eines der reichsten Männer Roms«, sagte ich. »Du hast gewiss spannendere Zerstreuungen als Spatzen auf einer Dachrinne.«

Zu spät fiel mir ein, was allgemein bekannt war: Das Vermögen der Caepiofamilie war konfisziert worden, als ihr Großvater wegen Betrugs ins Exil geschickt worden war.

Die grüngelben Augen musterten mich über den Nasenrücken hinweg. Nun kam es mir nicht mehr länger merkwürdig vor. Von den Fingerspitzen aus durchzog ein leichtes Zucken meine Handfläche, als sie mir die Brotkrumen zurückgab. Sie drehte sich um und machte eine Handbewegung zu Mutilus in Richtung der Leiter.

»Warte«, rief ich. »Versuch, Petronius zu fragen, was er in der Mordnacht gesehen hat.«

»Den Pförtner des Onkels?« Sie starrte mich an. »Er ist verschwunden. Er saß auf seinem Platz am Hauseingang, als die letzten Senatoren das Haus verließen. Als ich zu ihm gehen wollte, war er weg. Keiner der anderen Sklaven weiß, was aus ihm geworden ist.«

Der Römer

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