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XI

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Viele glaubten, dass Sturmfluten und Missernten die Kimbern aus ihrer Heimat, der Halbinsel nördlich von Germanien, vertrieben hätten. Andere behaupteten, sie seien schon seit grauer Vorzeit auf Wanderschaft gewesen. Sicher war, dass sie mit ihrer gigantischen Wagenkolonne, die über eine halbe Millionen Menschen zählte, jahrelang die Länder nördlich der Alpen verwüstet hatten, bevor sie ihren Mut zusammennahmen und es auf Roms Reichtümer absahen.

Ich hatte mich freiwillig für das Heer gemeldet, und die für die Anwerbung zuständigen Offiziere hatten großzügig über das Alter der Anwärter hinweggesehen. Ich wurde nach Gallien geschickt, wo Marius am Einfallsweg nach Italien ein uneinnehmbares Lager errichtet hatte.

Ich wurde eingeteilt, um im Krankenlager zu helfen, denn zu meinem Ärger war die Bedrohung durch die Kimbern bereits verschwunden. Aufgrund der wenigen Verletzten begriff ich, dass der General das Schlachtfeld sorgsam ausgewählt hatte: Er hatte auf dem Gipfel eines Hügels seine Stellung eingenommen, und die Barbaren wurden bei ihrem Angriff von der Sonne geblendet und hatten keinerlei Kampfstrategie. Während der Schlacht fiel ihnen zudem noch Marius’ Reiterheer in den Rücken. Der Sieg war vollkommen gewesen und der Jubel grenzenlos. Alle glaubten, Rom sei befreit. Doch sie sollten eines Besseren belehrt werden.

Mir wurde zwar nicht erlaubt, chirurgische Eingriffe durchzuführen, doch meine Kenntnisse der Kräutermedizin waren den Patienten ebenfalls von großem Nutzen.

Keiner verstand, weshalb durch meine Pflege weitaus mehr Kranke überlebten als bei den anderen Ärzten, und im Lager breitete sich das Gerücht aus, dass ich ein Heiler sei. Deshalb stand ich eines Abends vor dem General, der sich damals mitten in seiner fünften Amtszeit als Konsul befand.

Das Zelt des Feldherrn war so groß wie ein Haus. An den Wänden standen Rahmen aus rohem Birkenholz, auf die Karten gespannt waren, auf dem Feldbett lag eine Decke aus Bärenfell, in einer Ecke staken Schwerter in einem Bronzegestell. Es roch nach Schweiß und Leder, Rauch aus einem Kohlenbecken erfüllte die Luft. Der große General erhob sich von seinem Stuhl hinter einem schlichten Tisch und sah mich mit einem grimmigen Ausdruck an.

»Was willst du, Junge?«

Ich war noch übermütig gewesen, als ich hinter dem Zenturio, der mich abholte, durch das Lager marschierte. Im Angesicht des Heerführers war das jedoch eine andere Sache.

»Der General hat nach mir schicken lassen«, murmelte ich.

»Unsinn! Ich bat darum, einen Arzt zu sehen, der meine Wunden heilt. Wer bist du? Ein Wasserträger? Ein Latrinenfuhrmann?«

»Ich bin derjenige, den sie den Heiler nennen, General.«

»Ich kann meine Zeit nicht mit Kindern vertrödeln. Weg mit dir!«

Von Scham benommen schnürte es mir den Hals zu, dann schlug ich mir gegen die Brust und streckte meinen Arm aus in einer unbeholfenen Nachahmung jenes Grußes, den die erwachsenen Legionäre für gewöhnlich machten. Als ich gerade nach dem Vorhang des Vorzeltes griff, hörte ich hinter mir seine schweren Schritte.

»Kannst du keinen Spaß vertragen, Junge?« Das Gewicht seiner Hand auf meiner Schulter hätte mich beinahe umgeworfen. »Man sagt, du hättest magische Fähigkeiten. Woher kommen sie? Wer ist dein Vater?«

»Ich habe keinen Vater, General.«

»Jeder hat einen Vater. Was hat er dazu gesagt, dass du dich hast anwerben lassen? In deinem Alter? Ich habe deine Papiere hier. Demetrios Macedonicus. Zumindest kannst du schreiben. Doch du kannst mir nicht vormachen, dass du 17 bist. Wie alt bist du, Junge? Und hör auf zu lügen.«

Ich gab zu, erst 13 Jahre alt zu sein. Er setzte sich auf die Tischkante und musterte mich.

»Das Schlachtfeld ist kein Ort für ein Kind. Was willst du in meinem Heer?«

»Kimbern töten, General.«

Er lief eine Runde im Zelt umher, während er über mich lachte.

»Wie hast du dir vorgestellt, dass das passieren sollte? Mit einem Skalpell? Woher kommt deine unbändige Lust, die Feinde Roms töten zu wollen?«

Ich erzählte, dass mein Vater in der Schlacht von Arausio vor zwei Jahren getötet worden war. Als hätte ich ihm den Tod eines nahen Angehörigen verkündet, sackte der General in sich zusammen und glich mit einem Mal einem sehr alten Mann.

»Arausio. Die Götter mögen diesen Ort verfluchen. Glücklicherweise war ich es, der damals das Kommando über das Heer hatte und nicht … nicht …«

Er stockte und schloss die Augen.

»Wer, General?«

»Dieser nichtsnutzige Trottel. Dieser Verräter. Er, der die Schuld an dem Tod von 80 000 bei Arausio trägt.«

Er schnippte mit den Fingern, als könnte dieses schwache Geräusch seine Erinnerung anregen.

Wenn General Marius einen Namen vergaß, blieb die Welt stehen, bis er sich wieder daran erinnern konnte. Oder bis ihm jemand anderes auf die Sprünge half.

»Quintus Servilius?«, fragte ich.

»Ja, wer denn sonst?« Die Eitelkeit des Generals ließ es nicht zu, sich für Hilfe zu bedanken. »Hör nun gut zu. Ich bin nicht unsterblich. Auch wenn es viele gibt, die das glauben. Deshalb habe ich beschlossen, mir einen Leibarzt zuzulegen.«

Angesichts seines Alters war das eine vernünftige Entscheidung. Ich wollte nicken, brachte aber nur ein Schulterzucken fertig.

»Schlägst du etwa mein Angebot aus?«

Ich trat einen Schritt zurück.

»Angebot, General?«

»Weigerst du dich, mein Leibarzt zu werden?«

»Ich? Nein, General.«

»Du hast eine Stunde Zeit, deine Sachen zusammenzusuchen und anzutreten. Du bekommst dein eigenes Zelt. Dahinten. Wegtreten!«

An die Beweggründe des Heerführers, eine solch ungewöhnliche Beförderung vorzunehmen, verschwendete ich damals keinen einzigen Gedanken.

Das tat ich allerdings jetzt, während ich an seiner Seite im Gleichschritt durch Subura marschierte. Es war spät am Nachmittag und das Gedränge war am Abflauen. Diejenigen, die sich immer noch in den Straßen bewegten, wichen vor dem Eroberer der Po-Ebene respektvoll zur Seite.

»Sagtest du etwas zu Drusus’ Pförtner, als du am Vormittag das Haus verließest?«, fragte ich.

»Eine merkwürdige Frage«, brummte Marius. »Sklaven sollte man weder sehen noch hören.«

»Vielleicht kannst du dich dann daran erinnern, wer am Abend vor dem Mord beim Essen von Drusus zugegen war?«

»Selbstverständlich kann ich das. Glaubst du etwa, ich bin altersschwach?« Er dachte nach. »Neben mir waren Scaurus und Crassus Orator da.«

»Sonst niemand anderes?«

»Keiner von Bedeutung.«

Das hätte im Großen und Ganzen genommen jeder sein können.

»Wurde das Essen in Portionen serviert?«

»Natürlich nicht. Die Schüsseln standen offen herum, sodass sich alle nehmen konnten, worauf sie Lust hatten.«

»Enthielten einige Gerichte Pilze?«

»Sicherlich. Drusus liebte Pilze.« Marius blieb stehen und kniff die Augen zusammen. »Was haben all diese Fragen zu bedeuten? Und woher weißt du etwas von dem Abendessen?«

Ich ignorierte die zweite Frage und beantwortete die erste.

»Die Wirkungszeit des Giftes deutet darauf hin, das Drusus an jenem Abend vergiftet wurde.«

»Bona Dea!« Marius hielt sich eine Hand vor den Mund.

»Beruhige dich. Das Gift war nicht im Essen. Sonst würden wir jetzt nicht miteinander sprechen.«

Der Römer

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