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XVIII

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»Ich möchte zunächst fragen, ob der Herr während des Essens bei Drusus etwas Ungewöhnliches bemerkte, am Abend vor dem Mord«, begann ich.

»Das Ungewöhnlichste war, dass ich überhaupt eingeladen wurde«, antwortete Mamercus. »Drusus und ich redeten nicht m-m-miteinander. Auch nicht bei dieser Gelegenheit.«

Ich hatte geglaubt, Mamercus’ Stammeln im Atrium sei durch seine Nervosität verursacht worden. Mir dämmerte nun, dass es sich eher um ein ständiges Leiden handeln musste.

»Die Herren waren doch Brüder?«

»Halbbrüder. Unser Verhältnis ist nie innig gewesen. Ich habe m-m-mein Leben lang hier auf dem Aventin gewohnt und hatte m-m-mit ihm keinen Kontakt.«

Das passte kaum zu Servilias Angabe, dass Mamercus oft im Hause von Drusus zu Besuch gewesen war.

»Dennoch lud Drusus den Herrn zum Abendessen ein?«

Mamercus zuckte mit den Schultern.

»Ich sollte sicherlich nur einen leeren Platz am T-T-Tisch ausfüllen. M-Mein Bruder hatte sich m-m-mit seinen Gesetzesvorschlägen unbeliebt gemacht. Es gab nicht m-m-mehr viele, die er einladen konnte.« Ich fragte, ob es wahr sei, dass Drusus’ Adoptivsohn Claudianus bei Mamercus wohne. Das stimme, aber da die Mores maiorum verlangten, dass der Junge bei der Leiche seines Adoptivvaters wache, befinde er sich jetzt im Haus auf dem Palatin, wo Mamercus’ Frau ihn und die übrigen Kinder hüte.

»Ich dachte«, unterbrach uns Aemilia, »dass dein Leibarzt hier ist, um uns etwas Wichtiges zu sagen, Marius. Er scheint allerdings mehr damit beschäftigt zu sein, uns auszufragen.«

»Ja, ich sollte es euch wohl selbst sagen«, entgegnete Marius gereizt. »Drusus wurde nicht nur niedergestochen, wie es der Senat verkündet hat. Er wurde auch noch vergiftet.«

Dem begrenzten schauspielerischen Talent nach zu urteilen, das Mutter und Sohn bislang gezeigt hatten, war ihre Überraschung echt.

»Bekam Drusus etwas zu essen, das sonst kein anderer erhielt?«, fragte ich, während sie sich immer noch zu fassen versuchten.

»Nicht soweit ich m-m-mich erinnern kann.«

Mamercus Stirn glänzte vor Schweiß.

»Dann erinnert sich der Herr vielleicht daran«, fuhr ich fort, »was später am Abend bei Lucius Cornelius Sulla geschah?«

»Mamercus!«, stieß Aemilia hervor. »Du bist doch nicht etwa da hingegangen?«

Die Temperatur im Garten schien plötzlich eisig zu werden.

»Dort ist nichts passiert, M-M-Mutter.« Mamercus kämpfte einen Augenblick lang mit sich selbst, bevor er fortsetzen konnte. »Es war ein M-M-Maskenball. Ich kannte kaum einen der Gäste. Sulla und M-Metrobios gaben L-L-Lu…«

Mamercus konnte nicht mehr weitersprechen. Marius und Aemilia warteten schweigend ab.

»Lukretias Tod?«, schlug ich vor.

Er warf mir ein dankbares Nicken zu.

»Genau. Auf einer kleinen Bühne im Garten. Anschließend betrank sich Sulla so stark, dass er hinfiel und ins Bett getragen werden m-m-musste. Ich ging kurz danach, das schwöre ich.«

Das Schauspiel ›Lukretias Tod‹ des Dichters Ennius behandelt die vielleicht wichtigste Episode aus der Geschichte Roms, auch wenn die große Popularität vielmehr von seinem drastischen Inhalt herrührt: Der Königssohn Sextus Tarquinius provozierte mit seiner Vergewaltigung der ehrbaren Lukretia einen Aufruhr gegen das Königtum, das zur Errichtung der Republik führte.

Ich versuchte, den Gedanken zu verdrängen, was Sulla und Metrobios aus der langen Vergewaltigungsszene im zweiten Akt gemacht haben könnten.

»Woher kennt der Herr Sulla?«, erkundigte ich mich.

»Durch die Kinder«, antwortete Mamercus. »Claudianus spielte mit Sullas Sohn. Zumindest so lange, bis der arme L-Lucius eine L-Lungenentzündung bekam und im Frühjahr starb.«

Trauer nimmt die unterschiedlichsten Formen an, und keine von ihnen ist im Grunde genommen falsch. Bei Sulla führte der Kummer über den Tod des Sohnes zur Alkoholsucht. Er wird sich vermutlich zu Tode trinken, außer jemand würde seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten können.

»War Lucius sein einziges Kind?«

»Er hat auch eine Tochter«, brummte Marius.

»Ich bin ihr ein paar M-Mal begegnet.« Mamercus lächelte. »Sie ist siebzehn Jahre alt und ausgesprochen anmutig. Sie ist blond wie eine Gallierin, sie hat das bezauberndste L-Lächeln und Augen so blau wie der Himmel …«

»Wir wissen, wie Cornelia aussieht, Mamercus.«

Aemilias Tonfall war schneidend. Die Kiefermuskeln ihres Sohnes traten unter der Haut wie Tauwerk hervor. Ich war auf einen heiklen Punkt gestoßen, der wohl zum wiederholten Male Diskussionen auslösen würde. Es war am klügsten, das Thema zu wechseln.

»Wusste der Herr, dass sich der Anführer der Marser in der Mordnacht in Drusus’ Haus aufhielt?«

»Silo? Er war bei Drusus?«

»Ich sah ihn im Gang vor dem Tablinum. Könnte er etwas mit dem Mord zu tun haben?«

»Das würde der Sache der M-Marser nichts nutzen.«

Außer, schien der Blick von Marius zu sagen, die Marser würden lieber Krieg als die latinischen Bürgerrechte haben wollen.

»Wusste der Herr, dass Silo vor 20 Tagen mit einem Heer von 10 000 Mann dicht vor den Toren Roms stand?«

Mamercus zuckte mit den Schultern und sagte, dass die Marser ein wenig mit den Schwertern gerasselt hätten, um die Xenophoben im Senat einzuschüchtern.

»Diesen Zwischenfall hat der Senat allerdings geheim gehalten, um Panik zu vermeiden. Woher hat der Herr davon erfahren?«

Wie Trauer, so nimmt auch Angst die unterschiedlichsten Formen an. Mamercus saß wie angewachsen auf dem Stuhl, blass und mit halb geöffnetem Mund.

Eine feindselige Stille breitete sich zwischen uns aus.

Marius meinte anscheinend, dass es nun an der Zeit war, zu improvisieren. Oder vielleicht hatte er von Beginn an vorgehabt, seine Bekanntmachung erst bei passender Gelegenheit einfließen zu lassen.

»Lass mich erklären, was all die Fragen sollen, Mamercus. Ich habe Demetrios gebeten, eine private Untersuchung vorzunehmen. Das, was er herausfindet, wird einem Senatstribunal vorgetragen, das den Tod deines Bruders aufklären soll.«

Die Erklärung überraschte weniger Mamercus und Aemilia als vielmehr mich.

»Aus wem wird das T-Tribunal bestehen?«

»Aus den Vorsitzenden des Senats, natürlich. Außerdem aus Crassus Orator und mir selbst. Männer, die Drusus kannten. Männer, die die Sache um jeden Preis aufklären wollen.«

Mamercus dachte lange über eine Antwort nach.

»Drusus und ich haben uns heimlich getroffen«, sagte er schließlich. Marius stellte den Becher, den er gerade geleert hatte, mit einem Knall auf dem Tisch ab. Aemilia spitzte ihre Lippen und betrachtete ihren Sohn. Zum ersten Mal wirkte das Verhalten von Mamercus nicht einstudiert. Er schaute in meine Augen, als wartete er noch auf eine Frage. »Warum musstet ihr euch heimlich treffen?«

»Hätten Drusus’ Feinde im Senat gewusst, dass wir uns gut verstehen, hätten sie m-mir nichts m-mehr anvertraut.«

»Wer waren Drusus’ Feinde im Senat?«

Mamercus zählte eine Reihe Männer auf, darunter Konsul Philippus und Servilias Vater Caepio. Drusus hatte Mamercus darum gebeten, seinen politischen Gegnern Sympathie vorzutäuschen, und er war dann schnell in ihren Kreis aufgenommen worden.

»Ich hielt Drusus ständig unterrichtet. Sein Pförtner kam regelmäßig hierher und erkundigte sich nach Neuigkeiten.«

»Petronius?« Ich rückte auf dem Stuhl vor. »Er verschwand am Morgen nach dem Mord. Habt ihr seitdem etwas von ihm gehört?«

Mamercus öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch seine Mutter kam ihm zuvor.

»Weshalb um alles in der Welt sollten wir etwas von Petronius gehört haben? Drusus ist doch tot. Du musst entschuldigen, Marius, aber ich kann wirklich nicht sehen, wohin das hier führen soll.«

Sowohl die Mutter als auch der Sohn wichen meinem Blick aus. Das kurzzeitige Tauwetter war vorbei. Hier war nichts mehr zu holen.

»Nun denn«, sagte ich zu Marius. »Vielleicht sollten wir stattdessen mit Konsul Philippus und Caepio reden?«

»Mit denen kommst weder du noch ich ins Gespräch«, erwiderte Marius. »Sie glauben allen Ernstes, dass alle Fremden ausgewiesen werden sollten. Du würdest nicht die geringste Chance haben.«

»M-Mit einer prächtigen T-Tunika würde Demetrios nicht einem Griechen ähneln.«

Mamercus sprach langsam, als wollte er eine verborgene Bedeutung in dieser anscheinend unschuldigen Bemerkung hervorheben. Marius erteilte ihm eine Abfuhr.

»Hast du noch weitere Fragen, Demetrios?«

»Nein, das war in der Tat alles. Ich bedanke mich, dass der Herr und die Herrin sich Zeit genommen haben. Wenn dem Herrn noch etwas einfällt, was den Nachforschungen weiterhelfen kann, sollte er es mich unbedingt wissen lassen.«

Ein Sklave geleitete uns zurück zum Atrium mit dem Meeresboden-Mosaik. Am Rand des runden Springbrunnens konnte sich Marius nicht mehr länger zurückhalten.

»Weshalb hast du nicht die Fragen gestellt, um die ich dich gebeten hatte?«, fauchte er.

»Weil es uns nicht schlauer gemacht hätte. Würdest du einen Augenblick warten? Es tut mir leid, aber ich muss kurz die Latrine des Hauses aufsuchen.«

Mit dem Sklaven dicht auf den Fersen bog ich vom Atrium in einen der Seitengänge ab und gelangte in einen mit Fliesen ausgelegten Raum von sechs mal zehn Fuß. Eine Seite des Raumes wurde in der gesamten Breite von einer eingemauerten Marmorbank mit drei tropfenförmigen Löchern eingenommen. Darunter war das Plätschern von Wasser zu hören, das wie von einem kleinen Bach klang. Ich zog den ledernen Lendenschurz herunter und nahm unterhalb eines Lüftungsschachts Platz.

»Ich entdeckte die Latrine, als wir im Atrium warteten«, erklärte ich Marius danach, während wir uns den Weg durch das Gewirr der Straßen bahnten. »Der Lüftungsschacht führt in den Peristylgarten hinaus. Ich vertraute darauf, dass Mamercus und seine Mutter im Garten bleiben würden, um über unseren Besuch zu reden. Und ich sollte Recht behalten.«

»Und was hast du herausgefunden?«

»Viel mehr, als sie uns zu erzählen bereit waren. Sie haben Angst davor, was Drusus’ Gegner aushecken könnten, wenn das Doppelspiel von Mamercus herauskommt. Aber im Gegensatz zu seiner Mutter ist Mamercus bereit, das Risiko einzugehen.«

»Der Kerl spielt Komödie«, brummte Marius.

»Ich glaube nicht, dass Mamercus in der Lage ist, seine Mutter zu täuschen. Sie wirkt scharfsinnig.«

»Aemilia ist eine der großartigsten Frauen, die ich kenne. Wäre sie ein Mann, hätte es Scaurus im Senat nicht so leicht gehabt. Aber sie ist schwierig. Sie und Drusus’ Vater waren wie Hund und Katz.«

»Wurden sie deshalb voneinander geschieden?«

»Aemilia nahm sich einen Liebhaber. Als der Vater von Drusus entdeckte, dass sie schwanger war, warf er sie auf die Straße, der Idiot. Bona Dea, sie war damals so hübsch. Wie ein Sommermorgen. Oder wie ein Goldreif, oder was weiß ich.« Metaphern zählten nicht zu den Stärken von Marius. »Aemilius Lepidus, ihr Liebhaber, warb um sie. Sie wohnten zusammen in einem Haus auf dem Aventin, bis er vor fünf Jahren starb. Haben sie noch mehr gesagt?«

»Aemilia hielt Mamercus vor, dass er zu Sullas Fest ging. Sie meinte, er sei nur deshalb dorthin gegangen, um einen Blick auf Sullas Tochter zu erhaschen.«

»Cornelia ist es ja auch wert, angeschaut zu werden.«

»Mamercus ist verliebt. Und nicht in seine Frau. Leider wunderte sich der Sklave, warum ich so lange auf der Latrine war. Das Letzte, was ich hörte, war, dass sie über Drusus’ Pförtner sprachen. Zweifellos messen sie Petronius eine große Bedeutung zu. Die Frage ist nur, welche.«

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