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ОглавлениеVier Sklaven bugsierten eine Sänfte durch die geöffnete Bronzetür von Drusus’ Haus und setzten sie auf einem unbebauten Nachbargrundstück ab. Ich kroch aus meinem Versteck hervor und stieg ein. Mamercus machte in der engen Kabine Platz, zog den Vorhang zu und ordnete seine Trauertoga. Er deutete unter den Sitz, wo eine Tunika aus kräftiger, ungebleichter Wolle für mich lag.
»Das kann ich nicht annehmen.«
»Drusus hat für sie keine Verwendung m-m-mehr. Er hätte gewünscht, dass sie jemandem von Nutzen ist. Er war sehr praktisch veranlagt.«
Ich zog mich um, während die Sänfte die gewundenen Straßen hinab zum Forum schaukelte.
»Hat dich m-meine Einladung überrascht?«, erkundigte er sich.
»Es war deutlich, dass der Herr und seine Mutter unterschiedliche Auffassungen davon hatten, was ich wissen sollte. Und ich selbst forderte den Herrn auf, sich zu melden, wenn ihm noch etwas einfiele, was die Nachforschungen weiterbringen könnte.«
»Ja, das hast du getan. M-Mutter und ich haben über die Sache gesprochen. Wir sind uns nun einig. Du hast doch nicht m-meine Einladung M-M-Marius gegenüber erwähnt? Ich kann dich Drusus’ Feinden vorstellen, aber m-mit M-M-M …«
Stotterer haben es oft schwer, bestimmte Konsonanten auszusprechen. Im Falle von Mamercus betraf es das L, T und M.
»Marius?«, schlug ich vor.
Er nickte. »M-Mit ihm in der Nähe wird es für dich unmöglich werden, m-mit ihnen zu sprechen. Caepio hasste m-meinen Bruder, weil er unsere Schwester während der Scheidung unterstützte.«
»Eine Scheidung kann eine hässliche Angelegenheit sein.«
»Du hast keine Ahnung. Ich war glücklicherweise zu jung, um damit etwas zu t-tun zu haben. Ich habe Caepio den Eindruck vermittelt, dass ich auf seiner Seite wäre. Ihn kann m-man mühelos beeindrucken. Er ist nicht gerade eine geistige L-Leuchte. Das Einzige, was er von der Welt verlangt, ist Demut. Je wirkungsvoller, desto besser.«
»Und Konsul Philippus?«
»Wir werden ihm aus dem Weg gehen, wenn sich das m-machen llässt. Das Gleiche gilt für Varius.«
»Wer?«
»Den Handlanger des Konsuls. Varius ist ein hinterhältiges kleines Wiesel. Ich bin m-mir sicher, dass er es war, der das M-Messerattentat ausführte.«
»Drusus wurde auf dem Nachhauseweg vom Forum von einigen seiner Klienten begleitet. Sie können möglicherweise deinen Verdacht bestätigen.«
»Du kannst sie gern heute Abend beim Begräbnisfest befragen.«
Mamercus lehnte sich in dem Sitz zurück. Ich müsse verstehen, sagte er, dass er sich grauenhaft fühle, da er nicht bei seinem Bruder sein konnte, als dieser starb. Alle hätten geglaubt, er sei Drusus’ Feind. Deshalb habe keiner daran gedacht, ihn herbeizurufen.
»Die Götter spielen m-mit uns. M-Meinen Bruder ließen sie t-töten, gerade als er dabei war, das wichtigste Gesetz durchzubringen, das seit 30 Jahren dem Senat vorgelegt wurde. Aber m-mich, der noch nie etwas Besonderes zustande gebracht hat, lassen sie l-leben.«
Er spuckte nach draußen durch einen Spalt des Vorhangs. Das fahle Tageslicht fiel auf sein Gesicht, das grau und zerfurcht war wie eine gekalkte Wand.
»Ist der Herr krank?«
»Das ist die Schminke. M-Man erwartet, dass die Familie Trauer zeigt.« Mamercus räusperte sich und hielt einen Moment lang inne, bevor er in einen einstudierten Monolog einfiel, bei dem er sorgsam die drei gefürchteten Konsonanten vermied. »Das gilt besonders, wenn der Verstorbene ein Volkstribun war, wie die Gracchusbrüder. Die kennst du doch noch, nicht wahr, Demetrios?«
Er reichte mir eine zylinderförmige Hülle aus rotem Leder. Ich öffnete den Verschluss und zog eine Schriftrolle heraus. Sie ließ sich nur mühsam entfalten, als hätte sie dort drinnen jahrelang zusammengerollt gelegen. Ich las die ersten Zeilen:
Dies ist die wahrhaftige Erzählung über Tiberius und Gaius Gracchus; über ihr Wirken zum Nutzen der Republik und des römischen Volkes; über den Widerstand, dem sie von Männern wie Marcus Livius Drusus und Konsul Opimius ausgesetzt waren, und über ihren viel zu frühen Tod. Geschrieben von dem Arzt Demetrios, der das Geschehene bezeugen kann.
»Das ist das Buch, das dein Vater geschrieben und herausgegeben hat.« Mamercus steckte die Schriftrolle in die Hülle zurück. »Ich fand es ganz oben in Drusus’ Bibliothek. Jemand hatte es erst kürzlich gelesen.«
»Ich weiß nichts über dieses Buch«, entgegnete ich.
War Mamercus ebenso aufgeweckt wie Scaurus?
»Du kennst es«, behauptete er. »Wir wissen beide, was das für dich bedeutet.«
Ich sah, wie der rote Lederköcher unter dem Sitz verschwand und fühlte mich, als hätte man mich in kaltes Wasser getaucht.
»Es war M-Mutter, die es herausfand. Ihre Verwandte Sempronia weiß allerdings nichts von dir. Ansonsten wärst du schon seit Langem gefasst worden. Wenn du Drusus’ M-Mörder findest, wird M-Mutter dafür sorgen, dass du deine Freiheit erhältst. Diskret, natürlich.«
Die Sänfte schaukelte ein letztes Mal und kam dann zur Ruhe. Durch einen Schlitz zwischen den Vorhängen konnte ich einen Blick auf das abgewetzte Pflaster des Forums und die erwartungsvolle Menge erhaschen, die sich auf dem Platz zusammendrängte.
Mamercus’ Sklaven hatten die Tragestangen auf ihre Schultern gehievt, sodass wir eine glänzende Aussicht über das Meer von Menschen hatten.
»Da kommt der L-L-Leichenzug«, sagte Mamercus.