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XVII

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Am Fuße des Aventinhügels befinden sich zahllose baufällige Mietshäuser. Weiter oben beginnen die Villen der Reichen wie Unkraut auf einem Misthaufen hervorzusprießen. Ganz oben auf dem Hügel stand Marius vor einer Villa und schlug mit mächtiger Faust hart gegen die Tür.

»Wir müssen mit deinem Herrn Mamercus reden«, sagte er zum Pförtner.

Wir wurden gebeten, in einem kreisförmigen Atrium mit einem Mosaikboden zu warten, auf dem ein tiefblauer Meeresgrund mit hellroten Korallen, allerlei lebendig wirkenden Meerestieren und kleinen, gelben Fischen abgebildet war. Auch der Brunnen in der Mitte war rund, was äußerst ungewöhnlich war. Römische Patrizier zogen meist eine rechtwinklige Gestaltung vor.

Außer der Tür, durch die der Sklave verschwunden war, gab es zwei weitere, die jeweils in einen dunklen Flur zu den Privatgemächern des Hauses führten. Marius setzte sich auf eine Bank. An diesem Morgen hatte er noch neben mir auf einem Schemel gesessen. Sein wettergegerbtes Gesicht war das Erste, was ich sah, als ich meine Augen aufschlug.

»Ich habe die ganze Nacht über nachgedacht«, fing er an.

»Schlechtes Gewissen?«

Er verstand meinen Hinweis.

»Es tut mir leid. Ich habe dich unter falschen Voraussetzungen ins Haus von Scaurus gelockt. Aber denk dran. Deine Domina hätte nicht im Traum daran gedacht, dich freizulassen, wenn ich sie gefragt hätte. Sempronia und ich haben, gelinde gesagt, kein gutes Verhältnis zueinander. Aber ein Ersuchen des Senatsvorsitzenden wird sie nicht ignorieren können. Ich habe dir faktisch geholfen, auch wenn du es nicht verdient hast. Aber es ist etwas anderes, was mich wach gehalten hat.« »Und was?«

»Mamercus. Er ist der Halbbruder von Drusus. Und der einzige männliche Verwandte. Er wird Drusus’ Vermögen nach dessen Tod verwalten. Und das ist riesig.«

»Daran habe ich auch schon gedacht.«

»Und das ist noch nicht alles. Du hast mich nach dem Abendessen bei Drusus gefragt. Du weißt, jener Abend, an dem du sagtest, dass er vergiftet wurde …«

»Mamercus saß auch am Tisch.«

»Bona Dea! Du weißt aber auch alles.«

Marius’ grobschlächtige Hände drehten rastlos eine rotbraune, zylindrische Lederhülle hin und her. Solche Köcher wurden im Botendienst des Heeres verwendet, dienten zur Aufnahme von Schriftrollen und hatten die Länge einer Elle.

»Das hier ist ein Brief mit dem feierlichen Versprechen des Senats, dass bis zum Frühjahr ein Gesetz verabschiedet wird, das den Italern das latinische Bürgerrecht zusichert. Versteck es gut, bis du fährst.«

Das latinische Bürgerrecht ist ein Bürgerrecht zweiten Ranges. Obwohl es viele der Privilegien mit sich bringt, die echte Römer genießen, beinhaltet es kein Stimmrecht.

»Glauben du und Scaurus, dass sich die Italer damit zufriedengeben werden?«

»Nicht alle. Aber die Marser, die vorzüglichsten Krieger unter ihnen, werden es tun. Und viele andere mit ihnen. Die Hälfte der Volkstämme, die die Forderung der Italer unterstützen, wird friedlich heimwärts ziehen. Teile und herrsche. Diese Politik hat Rom immer gut genutzt.«

Marius erhob sich und begann, hin und her zu laufen. Er musste sich jedoch bücken, um nicht gegen die Deckenbalken zu stoßen.

»Also, hör nun zu, was mich wachgehalten hat: Mamercus hat den Gesetzesvorschlag seines Bruders nicht unterstützt. Faktisch war er immer auf der Seite von Drusus’ Gegnern im Senat. Weshalb er dann trotzdem zu dem Abendessen eingeladen war, bei dem Drusus seine Pläne mit seinen besten Freunden erörterte? Du hast Talent, Leute zum Reden zu bringen. Deshalb solltest du ihn mit mir zusammen besuchen und ihm ein paar Fragen stellen.«

»Was sollte dabei herauskommen?«

»Jetzt hör schon auf, Junge. Ich weiß, wie schlau du bist.«

Wenige Tage nach meiner ersten Begegnung mit dem General hatte man die Leichen der getöteten Barbaren auf dem Gipfel des Hügels, der das Schlachtfeld ausgemacht hatte, aufgetürmt und mit Öl übergossen. Das Heer der Römer hatte Aufstellung genommen, um der Verbrennung beizuwohnen. Marius stand da mit einer über dem Kopf erhobenen Fackel, als ein Bote aus Rom zu ihm heraufgaloppierte, einen Gruß des Senats überbrachte und ihn darum bat, umgehend heimzukehren, da das Hauptheer der Kimbern bereitstehe, um von Westen her nach Italien einzudringen. Die Barbaren, die Marius geschlagen hatte, seien nur der Vortrupp gewesen.

Zwei Tage später umrundeten wir auf einem Küstenweg die Alpen in Richtung der fruchtbaren Po-Ebene, wo eine nervenaufreibende Wartezeit begann.

Der Schnee türmte sich allmählich an den Palisaden auf und die Wasserläufe froren zu, und bald zeichnete sich ab, dass das kostbare Getreide in den Vorratslagern des Militärlagers schneller schwand, als man es bei üblicher Verpflegung aufbrauchte. Es konnte sich nur um einen organisierten Betrug handeln.

Der Verdacht richtete sich auf den Proviantmeister, einen Mann von unbekannter, nichtrömischer Herkunft. Unter denjenigen, die ihn beschuldigten, war der Juniorkonsul Catullus, ein Aristokrat aus einer vornehmen Familie, hochgewachsen und sehnig, dunkelhaarig, schlank und aufrecht wie ein Zollstock. Während sich Marius in Rom aufhielt, befahl Catullus, den Proviantmeister zu foltern. Als der General zurückgekehrt war, erzählte ich ihm, was geschehen war. Vor Marius’ Tisch im Feldherrnzelt stehend behauptete Catullus, dass die Bestrafung in Hinblick auf die Moral des Heeres notwendig gewesen sei.

»Lass mich mit dem Proviantmeister reden!«

»Er starb während des Verhörs, doch mir gelang es, sein Geständnis zu bekommen. Hier ist eine Abschrift.«

Marius entfaltete die Schriftrolle, studierte sie und legte sie auf der Tischkante ab. Catullus schlug vor, eine Kommission einzusetzen, um den Umfang des Betrugs festzustellen.

»Je früher, desto besser«, brummte Marius.

»Der Juniorkonsul sollte sinnvollerweise damit beginnen, seinen eigenen Legaten zu befragen«, schlug ich vor.

»Und warum«, fragte Catullus lächelnd, »wünscht der Leibarzt des Generals, dass mein untergebener Befehlshaber verhört wird?«

»Gemäß dem Bericht hier fragte der Legat den Proviantmeister, wie viel die Gallier, die den gestohlenen Weizen kauften, pro Wagenladung bezahlt hätten.«

»Eine relevante Frage, würde ich meinen.«

»Auch wenn sie gestellt wurde, bevor der Verhörte seine Hehlerei zugegeben hat?«

Catullus musste sich anstrengen, sein selbstsicheres Lächeln aufrechtzuerhalten.

»Und übrigens, wie konnte es gelingen, so viele Wagenladungen Weizen aus den Vorratslagern zu entfernen?«, fuhr ich fort.

Catullus kam kaum um eine Antwort herum. Aber er zog es vor, unbeirrt fortzufahren.

»Der Mann hatte Komplizen.«

»Davon steht nichts in dem Geständnis.«

Der Juniorkonsul lächelte zu Marius hinüber.

»Muss ich mir das wirklich gefallen lassen, von einem Kind ausgefragt zu werden?«

»Ja, warum nicht?« Marius’ wasserblaue Augen musterten mich. »Tu einfach so, als wäre ich es, dein General, der die Fragen stellt.«

»Hier sind eine Reihe von Tagen aufgeführt«, sagte ich weiter, »an denen die Getreidediebe zugeschlagen haben. Dem Wachtplan zufolge hatte der Legat des Herrn das Kommando über die Nachtwache an den meisten dieser Tage.«

»Eine schwere Anschuldigung.« Catullus lächelte nicht mehr länger. »Ich werde die Sache untersuchen.«

»In den übrigen Nächten hielt der Herr selbst Wache. Ist das dann auch eine Anschuldigung?«

»Was soll das bedeuten? Ich werde es nicht hinnehmen …«

»Danke, Catullus.« Marius hatte sich erhoben. »Würdest du draußen warten?«

Als der Juniorkonsul gegangen war, zog mich der General zu sich heran. Er legte seine schweren Hände auf meine Schultern.

»Was ist hier los, Junge?«

Ich erklärte, dass Catullus und sein Legat hinter dem Betrug stünden, doch die Stimmung im Lager hätten sie dazu gezwungen, einen Schuldigen zu suchen. Das Geständnis hätten sie selbst angefertigt.

»Warum haben sie dann nicht den Wachtplan verändert?«

»Catullus ist nicht dein intelligentester Offizier.«

Marius räumte ein, dass sein untergebener Befehlshaber ebenso dumm wie halsstarrig sei. Rom befinde sich allerdings im Krieg und es mache einen schlechten Eindruck, wenn adlige Offiziere des Betrugs an der Staatskasse überführt würden. Der Proviantmeister müsse der Schuldige bleiben, zumal er nun schon tot sei und sich nicht mehr verteidigen könne.

Trotz dieser Enttäuschung erhielt ich einen kräftigen Schlag auf die Schultern und die Zusicherung, dass der General stolz auf mich sei.

Der Pförtner von Mamercus kehrte in das kreisrunde Atrium zurück. Er wurde von einem Mann seines Alters begleitet, der braunes Haar und ein rundes, jugendliches Gesicht hatte und seinem verstorbenen Halbbruder nicht im Geringsten ähnelte. Er hieß Marius willkommen, während er mich zu übersehen schien.

»Mein herzliches Beileid«, sagte der General. »Bona Dea, dein Bruder ist auf grauenvolle Weise gestorben.«

Mamercus schnitt eine Grimasse. Sein Verhalten wirkte einstudiert. Ihm versagte vor lauter Nervosität die Stimme.

»Du musst entschuldigen, dass ich mich aufdränge«, fuhr Marius fort. »Ich habe ein paar Fragen. Vielleicht können wir an einem abgeschiedenen Ort miteinander reden?«

»Natürlich«, entgegnete Mamercus unsicher. »Komm m-m-mit.«

Er geleitete uns hinaus in einen offenen Peristylgarten mit einer großartigen Aussicht auf den Circus Maximus und die Rückseite des Palatinhügels. Eine Frau saß an einem Tisch im Schatten. Ein Sklave hatte bereits weitere Stühle gebracht.

»Du kennst m-m-meine Mutter«, sagte Mamercus.

»Selbstverständlich.«

Marius nahm die Hand der Frau.

»Es freut mich, dich wiederzusehen, Aemilia. Ich habe oft daran gedacht, wie es dir wohl geht.«

Aemilias Alter, das gewiss höher war, als sie es zugeben würde, hatte sie ein wenig rundlicher werden lassen. Ihr kurz geschnittenes Haar hatte eine außergewöhnliche Farbe, die weder grau noch weiß war, sondern eher an alte Stücke von Trockenfisch erinnerte. Sie verbarg es zwar besser als ihr Sohn, doch auch sie war nervös.

Die Anspannung hing in der Luft wie ein lange nachklingender Glockenton.

»Früher lebte ich nur für meine Söhne«, sagte Aemilia getragen. »Nun wurde uns der Älteste von ihnen entrissen. Wenn du gekommen bist, um über Drusus zu reden, hoffe ich, dass ich zuhören darf. Ich sehne mich danach, die ganze Wahrheit zu erfahren.«

Aemilias brennender Wunsch überschattete schon bald das Gespräch, sodass ihr Sohn schließlich gar nicht über sich sprach.

Marius setzte sich schwerfällig hin. Seine Kaumuskeln arbeiteten unablässig, während er versuchte, einen Vorwand zu finden, damit Aemilia ging. Doch das gelang ihm nicht.

Er seufzte und lächelte.

»Hervorragend. Vielleicht kannst du uns noch helfen. Dies hier ist mein Leibarzt Demetrios. Er hat etwas Wichtiges zu berichten.«

Der Römer

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