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XII

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»Drusus’ Tod versetzt uns in eine schwierige Lage. Ja, so viel ist sicher.«

Der Senatsvorsitzende Scaurus saß in einer Ecke seines großen, üppigen Gartens auf einer sonnenbeschienenen Bank unter ein paar Zypressen, deren kräftige Borken im goldenen Licht des Nachmittags aufzuplatzen schienen. Er ließ eine Hand über seinen Scheitel gleiten und lächelte angestrengt. Sein Gesicht war von einem dichten Geflecht aus Falten überzogen.

»Ich habe von meinem Spion bei den Marsern die Nachricht erhalten, dass die Stimmung unter den Italern, ja, man kann wohl sagen, feindlich gesinnt ist. Vor 20 Tagen zogen sie mit einem gut ausgerüsteten Heer von 10 000 Mann zehn Meilen von der Stadtmauer entfernt vorbei. Es gelang dem Senat, das zu verheimlichen. Hätte man in der Stadt gewusst, dass unser wichtigster Verbündeter solch ein großes Heer hat, hätte das Angst auslösen können. Ja, ich würde sogar sagen, Panik.«

»Es wird früher oder später sowieso zu einem bewaffneten Aufruhr kommen.« Crassus Orator saß dem Gastgeber gegenüber auf einem Stuhl und starrte mich mit seinen kleinen Pupillen gehässig an. »Es ist überhaupt nicht unwahrscheinlich, dass die Italer Drusus ermordeten. Vielleicht glaubten sie nicht mehr daran, dass sie durch ihn die Bürgerrechte erhalten würden. Silo, der Anführer der Marser, wurde in der Mordnacht hier in Rom gesehen.«

An dieser Stelle hätte ich ihnen zurufen können, dass ich Silo in Drusus’ Haus gesehen hatte, so wie ich auch hätte erzählen können, dass es das Gift eines Pilzes war, das den Volkstribun umbrachte. Aber seitdem ich die Marmorwüste von einem Atrium bei dem Senatsvorsitzenden betreten hatte, spürte ich an seiner oberflächlichen Höflichkeit – und an der schlecht verborgenen Verachtung des Orators –, dass ich nicht hier war, weil man daran interessiert war, was ich zu sagen hatte. Sondern ich war hier, weil man mir mitteilen wollte, was man von mir erwartete.

»Marius hat dir doch die Situation erklärt, oder?«, sagte Scaurus. An der Eingangstür hatte er Marius mit einer Handbewegung fortgeschickt. Der große General hatte sich mit einem Nicken zurückgezogen, als wäre er ein gewöhnlicher Bote.

»Also nicht?« Der Senatsvorsitzende schüttelte mit dem Kopf. Es war nicht das erste Mal, dass ihn Marius enttäuschte. »Du sollst ins Land der Marser reiten und Silo einen Brief überbringen mit der Zusicherung, dass die Italer im kommenden Jahr die römischen Bürgerrechte erhalten werden.«

»Ich?« Ich starrte ihn an.

Scaurus machte eine Kunstpause, bevor er fortfuhr: »Du bist kein römischer Bürger. Ja, als Grieche kannst du sogar als neutral bezeichnet werden. Marius hat deine Tatkraft und Intelligenz gelobt. Du schienst uns allen der Geeignetste für diese Aufgabe zu sein. Ja, das bist du gewiss.«

Die Vorstellung, mich, der seit zwölf Jahren nicht die Mauern Roms verlassen hatte, hinauf in die Berge zu schicken, um einen Mann aufzusuchen, den ich nur ein einziges Mal gesehen hatte, und ihm ein Dokument mit einem leeren Versprechen zu überreichen, war absurd. Ein kurzer Blick auf die beiden Senatoren machte mir bewusst, dass ich selbst sie von ihrem Irrtum abbringen musste.

»Erwähnte der Senatsvorsitzende nicht vorhin, dass er einen Späher bei den Marsern hat? Wäre dieser Mann nicht weitaus besser in der Lage, die frohe Kunde zu überbringen?«

»Das hier ist das Letzte, was ich von meinem Späher gehört habe.«

Scaurus bückte sich und hob einen Topf hoch, der unter der Bank stand.

Er entglitt seinen krummen, altersschwachen Fingern, fiel zu Boden und brach mit einem Schlag entzwei. In den Scherben lag der abgeschlagene Kopf eines Mannes. Darunter breitete sich eine kleine Essiglache aus.

»Dein Späher wird gewusst haben, worauf er sich einließ«, sagte ich, nachdem ich mich gefasst hatte. »Wenn er enttarnt worden ist, besteht für mich keine Aussicht auf Erfolg.«

»Er war Spion. Du wirst Kurier sein. Ja, genau genommen der offizielle Bote des Senats. Du verstehst doch den Unterschied, oder?«

»Nicht ganz.«

»Für dich wird sich das Risiko lohnen, du unverschämter Grieche«, unterbrach mich Crassus Orator.

»Das glaube ich kaum.«

»Crassus sagt die Wahrheit. Auch wenn es dich vielleicht ein wenig kränkt, dass er es nicht so diplomatisch ausdrückt, wenn er mit einer Person weit unterhalb seines eigenen Standes spricht.«

Plötzlich waren in Rom doch nicht mehr alle so gleich, wie sie es noch in der Mordnacht gewesen waren. Die versteckte Drohung schwebte einen Augenblick lang in der Luft, bevor der Senatsvorsitzende fortfuhr.

»Wir haben deine Vergangenheit studiert. Dein Vater war Arzt und hieß ebenfalls Demetrios. Vor etwas mehr als 30 Jahren gab er ein Buch heraus – nicht etwa über ärztliche Heilkunst, wie man es erwartet hätte, sondern über den Versuch von Tiberius und Gaius Gracchus, die Republik zu stürzen.«

»Ich weiß nichts über ein solches Buch. Außerdem sind alle Exemplare seit Langem vernichtet.«

Der Orator schmunzelte über meinen Versprecher.

»Drusus hatte eine Abschrift davon in seiner Bibliothek. Darin konnten wir lesen, dass dein Vater Sklave war.«

Vater war der Leibarzt von Cornelia Graccha gewesen. Sein Geschick hielt die alte Dame am Leben, lange nach dem Tod ihrer Söhne. Aber ein Sklave – ja, das war er.

Scaurus sprach weiter:

»Als Quintus Servilius ein Heer nach Gallien führen sollte, nahm er deinen Vater als Feldarzt mit. Er beschlagnahmte ihn förmlich. Du hast ihn als Assistent begleitet. Zu jenem Zeitpunkt bist du kaum zehn Jahre alt gewesen. Dein Vater kam in der Schlacht von Arausio um. Es wäre interessant zu hören, wie du überleben konntest. Ja, das wäre es bestimmt.«

»Ich gelangte zu meinen Angehörigen in Massilia.«

Scaurus nickte, während er über meine Erklärung nachdachte.

»Als deine Herrin starb, erbte dich ihre Tochter«, führte Crassus Orator weiter aus. »Sie glaubte, du seist ein Opfer von Quintus Servilius’ Unfähigkeit geworden und gemeinsam mit deinem Vater und den 80 000 Mann gestorben. Du hättest in Gallien bleiben können, aber du warst dumm genug zurückzukehren. Du hast dich zwölf Jahre lang versteckt, doch du bist immer noch ein Sklave. Nun holt dich dein Schicksal ein. Du kennst die Strafe.«

Anhand eines einzigen Dokuments, das lange vor meiner Geburt geschrieben worden war, hatten sie den Verlauf meines Lebens rekonstruiert. Ich konnte dem nichts mehr hinzufügen. Nicht in dieser Gesellschaft.

»Beruhige dich nun wieder«, sagte Scaurus. »Wir haben keinen Grund, dich zu melden. Nein, ganz im Gegenteil, kann man sagen. Wenn du von den Marsern zurückkehrst, werden wir für dich Fürsprache einlegen. Deine Domina wird schwerlich Nein sagen können, wenn der vornehmste Mann des Senats sie bittet, ihren Sklaven, von dem sie noch nicht einmal wusste, dass er ihr gehört, freizulassen.«

Nachdem ich mit dem Tod bedroht worden war, wurde mir nun ein Köder hingeworfen, der mich gefügig machen sollte. Die beiden Senatoren betrachteten mich, als erwarteten sie, dass ich in einen Freudengesang ausbrechen würde.

»Du hast doch sicherlich nichts gegen eine kleine Mahlzeit einzuwenden?«

Der Senatsvorsitzende klatschte in die Hände, woraufhin ein Sklave angelaufen kam und den abgeschlagenen Kopf entfernte.

Die Tragödie war ein Teil der Vorstellung gewesen.

Der Römer

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