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XXVII

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Sie trugen mich zwischen sich, als ich langsam wieder zu mir kam. Der eine hatte meine Fußknöchel umfasst, der andere hatte mich unter den Armen gepackt. Sie waren groß, muskulös und stanken nach Knoblauch. Der Hintere hielt meine Beine so lange fest, bis der Vordere mich wieder beruhigt hatte, was so kurz wie das Niesen einer Katze dauerte. Dann verhielt ich mich ruhig.

Sie legten mich auf den Boden. Der Erste zog einen Schlüssel hervor und schloss eine Tür auf. Als sich der andere bückte, um mich ins Innere zu zerren, stieß ich ihm mein Knie in seinen Schritt. Er fiel um wie eine Kuh, der man auf die Stirn geschlagen hatte, ich schnappte die Eisenstange von seinem Gürtel und rollte mich über den Boden. Als der Erste über seinen Kameraden stieg, zielte ich auf seine Kniescheibe. Es knirschte, als ich zuschlug, und sein Aufschrei hallte zwischen den feuchten Wänden wider. Ich kam auf die Beine und lief los. Selbst diejenigen, die ihr Leben lang in Rom gelebt haben, können sich in seinem Labyrinth aus Gassen verirren. Das passierte mir nun auch. Ich lief eine schmale Gasse entlang, von der ich wusste, dass sie zum Clivus Suburana führte – eine der wenigen mit einem Namen bezeichneten Straßen in Subura –, um dann festzustellen, dass sie sich teilte. Den Weg, den ich wählte, endete in einer Sackgasse. Die Mauer am Ende war jedoch niedrig genug, sodass ich über sie hinüberklettern konnte.

In dem Peristylgarten duftete es nach Rosen und Kräutern. Ich bewegte mich vorsichtig durch die Schatten der Blätter auf ein dunkles Rechteck in der Hausfassade zu, die Hintertür. Ich schlich auf Zehenspitzen an den Schlafzimmern vorbei, aus denen ich ruhiges Atmen hörte, und erhöhte mein Tempo. Da stieß ich direkt gegen einen Tisch. Becher und Teller fielen derart laut scheppernd auf den Fußboden, als marschierte eine Legion vorbei.

Der Hausherr torkelte schlaftrunken ins Atrium hinaus und streckte mir ein Schwert entgegen.

»Ein Dieb! Ein Dieb!«, rief er.

Sein Blick richtete sich auf meine Hand, mit der ich immer noch die Eisenstange umklammerte. Gemäß dem Zwölftafelgesetz durfte ein Dieb, der mit einer Waffe in einem fremden Haus erwischt wurde, umgehend erschlagen werden. Er machte einen gezielten Schritt nach vorne, fiel aber ins Becken des Atriums. Wasser spritzte auf meine Schuhe. Als ich aufblickte, lag er auf dem Mosaikboden des flachen Beckens und starrte mich an, während ihm Blut an den Mundwinkeln herablief.

Es war derjenige Senator, der sich vor einigen Tagen darüber beklagt hatte, dass er fünf Denare für die Behandlung des verstauchten Arms seiner Sklavin bezahlen sollte.

Sein Kopf sank langsam auf die Brust und fiel schließlich zur Seite wie ein Sack auf einem Eselsrücken. Er war in sein eigenes Schwert gefallen, das nun aus seinem Brustkorb herausragte.

Mir kam es so vor, als geschähe das alles bei Tageslicht. In der Tür stand eine Frau mit einer Öllampe in der Hand. Das füllige, gekräuselte Haar rahmte ihr rundes Gesicht mit seinen mandelförmigen Augen ein.

»Arzt«, stieß sie hervor.

Ich schob den Riegel zur Seite, riss die Tür zur Straße auf und lief ein paar zufälligen Nachtschwärmern in die Arme.

»Halt! Stehengeblieben!«, riefen sie, ohne größere Anstalten zu machen, mich zu verfolgen.

In Paniksituationen überlässt der Geist die Kontrolle des Körpers den Beinen. In der Ilias beschreibt der große Dichter Homer, wie Paris, der im Zweikampf gegen Menelaos zu unterliegen droht, von Aphrodite gerettet wird, indem sie ihn mit dichtem Nebel umhüllt. Die eher bodenständigen Römer nennen dieses Phänomen die Waffe des Angsthasen. Das Resultat ist dasselbe. Erst wenn man durchs Rennen erschöpft ist, wird man sich bewusst, wo man gelandet ist.

Ich bemerkte, dass das Gebäude, an das ich mich anlehnte, die Schenke an der Ecke zur Straße der Sandalenmacher war. In einem mäßig raschen Tempo lief ich den schmalen Gang mit den hölzernen Fensterläden der geschlossenen Geschäfte entlang. Auf der untersten Stufe einer Treppe entdeckte ich die Lederhülle mit Marius’ Dokument. Meine Entführer hatten sie übersehen, als sie mich fortgeschleppt hatten.

Ich warf einen Blick zurück in die Straße. Zwei Männer kamen mir entgegen. Einer von ihnen humpelte deutlich.

»Da ist er!«, riefen sie im Chor.

Zu spät erkannte ich, wie töricht es war, die Treppe hinaufzulaufen, doch ich eilte weiter nach oben, weg von dem Getöse unter mir, in der Hoffnung, meine Dachkammer erreichen und die Leiter hinter mir hochziehen zu können. Im sechsten Stockwerk stolperte ich über die oberste Stufe, stürzte gegen eine Tür und fiel in jenem Zimmer zu Boden, das Aelia mit ihrem Sohn und Sarpedon teilte.

»Was ist los?«, wollte sie wissen.

Ich schloss die Tür und gebot ihr, zu schweigen.

Der Hinkende blieb auf dem Absatz stehen. Sein Kamerad stieg die Leiter hinauf. Dort würden sie ein leeres Zimmer vorfinden und sich sofort ausrechnen können, wo ich mich aufhielt. Zumindest glaubte ich das.

Zu meiner Verwunderung erklangen laute Rufe von oben herunter, Staub und Putz rieselten durch die Ritzen der Bodenbretter, zwei Personen liefen hintereinander her. Der Lärm kam vom anderen Ende des Raums, und dann waren die Stimmen draußen zu hören.

Auf die gegenüberliegende Hauswand warf der Mondschein die Schatten von zwei Gestalten, die über das Dach liefen. Ich lehnte mich hinaus und konnte gerade noch sehen, wie der Vordere sein Gleichgewicht verlor und zur Kante hinabpurzelte. Ein paar Beine glitten über die Dachtraufe. Unendlich langsam, wie mir schien, folgte schließlich der Rest des Mannes. Er stieß einen heiseren Schrei aus und stürzte dann tief unten auf das Pflaster.

In den umliegenden Häusern wurden Fensterläden aufgestoßen.

»Was ist passiert?«, rief einer.

»Jemand ist heruntergefallen«, antwortete ein anderer.

Der Verfolger lief über den Boden über uns und kletterte die Leiter herab zu seinem Kameraden. Gemeinsam stiegen sie dann weiter die Treppe hinab.

Inmitten von Neugierigen kniete ich neben dem verdrehten Körper. Petronius’ hervorstehende Augen starrten mich mit stummer Angst an, sein Schädel war mit Blut bedeckt. Er schnappte mit kurzen Atemzügen nach Luft. Eine verlorene Jugend auf dem Schlachtfeld hatte mich gelehrt, dass der menschliche Körper fast jeden Knochenbruch überleben kann – nur der Nacken verkraftet nicht die kleinste Fraktur. »Es sieht nicht schlimm aus, Petronius«, tröstete ich ihn. »Du bist schneller wieder auf den Beinen, als du schauen kannst.«

Während ich redete, konnte ich zusehen, wie ihn das Leben verließ. Seine Lippen formten immer wieder dasselbe Wort. Ich legte ein Ohr an seinen Mund.

»Stercorius«, flüsterte er. »Stercorius. Sterc…«

Ich schloss die Augen des armen Sklaven. Jemand reichte mir eine Münze. Ich legte sie unter seine Zunge als Wegezoll für den Fährmann Charon, damit er ihn über den Fluss Styx ins Reich der Schatten übersetzen konnte.

»Was bedeutet das?«, erkundigte sich Aelia, die an meiner Seite kniete. »Ein Name. Oder vielleicht ein Ort.«

Ich drehte mich um, um der Person zu danken, die mir die Münze gegeben hatte.

Servilia war mit einer Feststola bekleidet, die ihre Rundungen gleichzeitig verhüllte und betonte. Die grasgrüne Farbe des Stoffs passte zu ihren Augen, die in einer Mischung aus Schrecken und Faszination auf Petronius’ Leiche starrten.

Der Römer

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