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1.4 Verbreitung psychischer Störungen

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Die Verbreitung (Epidemiologie) psychischer Störungen wird meist anhand von Prävalenzraten ausgedrückt. Prävalenz beschreibt die Häufigkeit einer Erkrankung und Prävalenzraten entsprechend dem Prozentsatz aller Krankheitsfälle in einer definierten Population (z. B. alle in Deutschland lebenden Personen zwischen 18 und 65 Jahren) zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitperiode (z. B. 12-Monats-Prävalenz für das vergangene Jahr).

Epidemiologische Befunde zeigen, dass psychische Störungen weiter verbreitet sind, als sie allgemein wahrgenommen werden:

– In Deutschland leiden insgesamt rund 18 Millionen Menschen an einer psychischen Störung

– 12-Monats-Prävalenz der Erwachsenen in Deutschland:

Im Laufe eines Jahres erkrankt etwa jede dritte Frau und jeder vierte bis fünfte Mann an einer psychischen Störung (insgesamt 27.7 %)

– Angststörungen stellen dabei die größte Störungsgruppe dar (15.3 %), gefolgt von Depressionen (7.7 %) und Alkohol- und Medikamenten-induzierten Störungen (5.7 %)

– Männer sind im Vergleich zu Frauen eher von Alkoholabhängigkeit betroffen (insbesondere Männer unter 35 Jahren), Frauen neigen dagegen eher zu Angststörungen oder affektiven Störungen

– Jüngere (18–34 Jahre) haben häufiger psychische Störungen als Ältere (65–79 Jahre)

– Ledige oder alleinstehende Personen erkranken gegenüber Verheirateten eher an psychischen Störungen

– Auch ein niedriger sozioökonomischer Status ist häufiger mit psychischen Störungen assoziiert als ein höherer

– Und Rentner sowie Arbeitslose haben im Vergleich zu Vollzeiterwerbstätigen eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine psychische Störung zu entwickeln

– Unter den Erwerbstätigen haben die Ausfalltage aufgrund von psychischen Störungen von 2000 bis 2016 stark zugenommen und waren zuletzt der zweithäufigste Grund für betriebliche Fehlzeiten. Das liegt z. B. daran, dass

– psychische Störungen heute besser erkannt werden und

– in modernen Arbeitswelten die Einschränkungen durch psychische Störungen größer sind

– Insbesondere Personen aus dem Gesundheitswesen sowie der öffentlichen Verwaltung sind überdurchschnittlich häufig aufgrund von psychischen Störungen krankgeschrieben

Wittchen & Hoyer (2011): Klinische Psychologie & Psychotherapie:

Kapitel 3 „Epidemiologische Beiträge zur Klinischen Psychologie“ (S. 59–87)

Jacobi et al. (2014): Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: (S. 77–87)

DAK (2015). Psychoreport 2015:

Kapitel 1 „Branchen im Blick“ (S. 19–22)

Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Psychische Erkrankungen verursachen weiter häufige Fehlzeiten (Pressemitteilung vom 02.01.2018)

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (2018). Psychische Erkrankungen in Deutschland: Schwerpunkt Versorgung. Verfügbar unter: https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/f80fb3f112b4eda48f6c5f3c68d23632a03ba599/DGPPN_Dossier%20web.pdf [29.08.2020].

Übungsaufgaben

1.1 Welche Norm liegt der hier beschriebenen Definition psychischer Störungen zugrunde? Begründen Sie kurz.

1.2 Fallbeispiel: Herr Gerold M.

Leidet Herr M. an einer psychischen Störung oder handelt es sich um eine normale Krise? Begründen Sie

Fallbeispiel

Gerold M. veränderte sich – scheinbar ohne Anlass – in den letzten Wochen. Als ein bislang eher ausgeglichener und fröhlicher Mensch wurde er niedergeschlagen und verzweifelt. Der betriebspsychologische Dienst wurde eingeschaltet, als er bei einem Seminar morgens offensichtlich alkoholisiert einen Vortrag hielt. Als Führungskraft bei der Lufthansa schien es Herrn M. sehr gut zu gehen. Er hatte Geld und ein breites Spektrum von Interessen, er war körperlich gesund und hatte eine ihn liebende Familie. Aber kurz nach seinem 50. Geburtstag verlor er allmählich das Interesse an seiner Arbeit, wollte nicht mehr mit Freunden oder der Familie ausgehen und zog es vor, sich in sein Arbeitszimmer zurückzuziehen. Dort trank er – für ihn ungewöhnlich – nahezu täglich Alkohol und grübelte vor sich hin. Er war ohne Appetit, schlief schlecht und hatte an nichts Vergnügen, auch nicht am Zusammensein mit seiner Frau und den Kindern. Mehr und mehr beherrschte ihn das Gefühl, dass er die Kontrolle über die Dinge verloren habe und dass kaum noch eine Chance bestehe, sein Leben je wieder voll in den Griff zu bekommen. Herr M. merkte, dass sein Blick häufig zu den Jagdflinten schweifte, die er in dem Landhaus aufbewahrte. Er fragte sich, ob seine Finanzen genügend geordnet seien, um seiner Familie den Unterhalt zu sichern, falls er sterben würde.

Aus Wittchen & Hoyer (2011), S. 10

1.3. Wie werden Menschen mit psychischen Störungen in der Gesellschaft gesehen? Welche Vorurteile haften ihnen an? Wie stellt sich dies im Vergleich zu Menschen mit körperlichen Erkrankungen dar? Worin könnten besondere Probleme von Menschen mit psychischen (im Vergleich zu körperlichen) Erkrankungen bestehen?

Polizeirelevante psychische Störungen

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