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2.6 Diathese-Stress-Modell

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Das Diathese-Stress-Modell ist ein heute dominierender integrativer Ansatz, der biologische, psychische und soziale Faktoren zur Erklärung der Entstehung und des Verlaufs psychischer Störungen vereint. Man geht davon aus, dass zur Entwicklung einer Störung sowohl Diathese (Disposition, Vulnerabilität) als auch Stress nötig sind; ein einzelner Faktor allein führt in der Regel nicht zum Ausbruch. Diathese beschreibt dabei die Neigung/Verletzbarkeit/Anfälligkeit eines Menschen, auf besondere Weise auf belastende Umweltereignisse zu reagieren. Diese Neigung kann in einer biologischen Disposition (wie z. B. genetische und neurobiologische Faktoren) oder in psychologischen (wie z. B. früher Verlust oder Trauma) oder auch sozialen Faktoren (z. B. familiäre Sozialisation, soziale Schicht, Bildung) begründet sein, die wiederum jeweils in Wechselwirkung zueinander stehen. Hat jemand eine Vulnerabilität für eine bestimmte Störung, erhöht sich das Erkrankungsrisiko – die Störung muss jedoch erst durch aktuelle Stressoren ausgelöst werden. Mit Stressoren sind dabei aktuelle ungünstige Umweltreize gemeint, wie z. B. einschneidende traumatische Erlebnisse (z. B. Scheidung) oder auch alltäglichere Ereignisse (z. B. Stress am Arbeitsplatz). In Abhängigkeit von der Stärke der Disposition wird eine Störung durch niedrige oder hohe Stresslevel ausgelöst. Wenn gar keine Disposition vorhanden ist, ist das Stresslevel nicht relevant.

Davison, Neale & Hautzinger (2007): Klinische Psychologie:

Kapitel 2.7 „Das Diathese-Stress-Modell: Ein integratives Paradigma“ (S. 53–55)

Übungsaufgaben

2.1 Lesen Sie das folgende Fallbeispiel und beantworten Sie folgende Fragen:

– Wie würden Sie mit dem Diathese-Stress-Modell das Auftreten der Depression bei Frau M. erklären?

– Welche möglichen Erfahrungen der Patientin haben die Störung verursacht (welche Faktoren bilden die Diathese/Vulnerabilität für die Depression, was sind die Stressoren)? Hier können Sie auch über die Angaben im Text hinaus Hypothesen bilden.

Fallbeispiel

Frau M., eine 38-Jährige Fabrikarbeiterin, war bereits seit 2 Monaten depressiv, als sie einen Psychologen aufsuchte. Wie sie berichtete, hatte sie keine glückliche Kindheit gehabt. Als sie 6 Jahre alt war, starb ihre Mutter, die sie sehr geliebt hatte. In den folgenden Jahren lebte sie abwechselnd bei ihrem Vater oder der Schwester ihrer verstorbenen Mutter. Ihr Vater litt allerdings an wiederkehrenden depressiven Episoden und trank zum Teil sehr viel. Er hatte kein geregeltes Einkommen und es war nie genug Geld da, um fällige Rechnungen zu bezahlen. Zuweilen war der Vater unfähig, sich um sie zu kümmern, so dass sie oft auf sich allein gestellt war und sich oftmals überfordert fühlte. Sie verbrachte dann manchmal Wochen, manchmal auch Monate bei ihrer Tante in einem nahegelegenen Vorort. Dies erschwerte zudem das Knüpfen fester Freundschaften und führte dazu, dass sie das Gefühl bekam, nichts im Leben selbst beeinflussen und gestalten zu können.

Trotz dieser Beeinträchtigungen hatte sie es geschafft, ihre Lehre zu beenden und eine Anstellung zu finden; seit dem ersten Kind hatte sie allerdings für mehrere Jahre ihre Berufstätigkeit eingestellt. Als Mutter von 4 Kindern hatte sie dann vor 3 Jahren wieder angefangen zu arbeiten, weil die Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen es der Familie unmöglich machte, allein vom Geld des Ehemannes zu leben.

Sieben Monate später wurde sie aber plötzlich entlassen und die finanzielle Situation der Familie verschlimmerte sich. Die ständigen Geldsorgen führten zu verstärkten Auseinandersetzungen mit ihrem Mann. Dabei ging es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen eine schwierige Phase hatten, was hohe Anforderungen an sie als Eltern stellte und zum Teil Grund zur Sorge bereitete. Dann begannen ihre Schlafschwierigkeiten, sie verlor den Appetit und nahm ab. Sie hatte nur noch wenig Energie und verlor das Interesse an Tätigkeiten, die ihr früher Freude bereitet hatten. Obwohl sie stundenlang vor dem Fernseher saß, konnte sie sich nicht für die Sendungen interessieren, die sie früher gern gesehen hatte. Die Erfüllung ihrer Haushaltspflichten wurde unmöglich und ihr Ehemann beklagte sich und machte ihr zunehmend Druck, was zu weiteren Streitereien führte. Nun hatte er ihr mitgeteilt, sich zu trennen, wenn sie sich nicht Hilfe suche.

(modifiziert nach Davison, Neale & Hautzinger, 2007, S. 3 und S. 307)

Polizeirelevante psychische Störungen

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