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1.3 Klassifikation psychischer Störungen
ОглавлениеUnter der Klassifikation psychischer Störungen versteht man die Zuweisung von Diagnosen zu Syndromen (Gruppe typischerweise gemeinsam auftretender Symptome). Damit ist die Klassifikation psychischer Störungen rein beschreibend: Ohne Aussagen über die Entstehung psychischer Störungen zu machen, werden leicht erkennbare und gut messbare Symptome, daher vor allem Verhaltensauffälligkeiten, nur aufgelistet. Ab einer gewissen Anzahl, Dauer, Häufigkeit und Intensität der auftretenden Symptome wird ihnen ein Krankheitswert zugeschrieben und damit ihre klinische Bedeutsamkeit beurteilt. So kann entschieden werden, ob eine psychische Störung vorliegt oder nicht und welchen Schweregrad sie aufweist. Die Grenzwerte dafür basieren auf dem Konsens internationaler Experten und dem aktuellen Stand der Forschung.
Derzeit gibt es zwei international gültige Klassifikationssysteme für psychische Störungen: Kapitel F der ICD-10 (10th Revision of the International Classification of Diseases, WHO 1992) sowie das DSM-5 (5th Revision of the Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, American Psychiatric Association (APA), 2013). Grundsätzlich sind beide Systeme hinsichtlich Diagnosen und Aufbau miteinander kompatibel. Die in Deutschland zur Kodierung und Leistungsabrechnung verwendete ICD-10 klassifiziert in anderen Kapiteln darüber hinaus auch alle weiteren Krankheiten – nicht nur die psychischer Art. Dafür ist das DSM-5 für psychische Störungen ausführlicher und wird vor allem von Psychologen und in der Forschung verwendet. Ein einheitliches, mehr erklärendes Klassifikationssystem gestaltet sich aufgrund vieler unspezifischer Störungsbilder und multikausaler Entstehungsbedingungen schwierig.
Tabelle 1: Psychische Störungen und Kategorisierung nach ICD-1010 | |
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Gliederung | Art der Störungen |
F00-F09 | Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen• z. B. Demenzen (Alzheimer, vaskuläre Demenz, Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten)• andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns |
F10-F19 | Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen• Akute Intoxikation• Schädlicher Gebrauch• Abhängigkeits- und Entzugssyndrome für Substanzen (z. B. Alkohol, Tabak, sonstige Drogen wie Cannabinoide, Kokain, andere Stimulantien, einschl. Koffein etc.) |
F20-F29 | Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen• Z. B. paranoide, hebephrene, katatone Schizophrenie• akute vorübergehende psychotische Störungen• schizoaffektive Störungen (manisch, depressiv oder gemischt) |
F30-F39 | Affektive Störungen• z. B. Manie und Hypomanie• Depression (depressive Episode, rezidivierende depressive Störungen)• Bipolare affektive Störung |
F40-F49 | Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen• Phobien und andere Angststörungen (z. B. Panikstörung, generalisierte AS)• Zwangsstörungen• Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (z. B. akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung)• Dissoziative Störungen (z. B. dissoziative Amnesie, Multiple Persönlichkeit)• Somatoforme Störung (z. B. hypochondrische Störung) |
F50-F59 | Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren• Z. B. Essstörungen• Schlafstörungen• Sexuelle Funktionsstörungen |
F60-F69 | Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen• Z. B. spezifische Persönlichkeitsstörungen (z. B. paranoide PS, dissoziale PS)• Andauernde Persönlichkeitsänderungen (z. B. nach Extrembelastung)• Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (z. B. pathologisches Spielen, pathologische Brandstiftung, Kleptomanie)• Störungen der Geschlechtsidentität• Störungen der Sexualpräferenz (Paraphilien) (z. B. Fetischismus, Voyeurismus, Exhibitionismus, Pädophilie, Sadomasochismus) |
F70-F79 | Intelligenzminderung• Leichte (IQ von 50–69) bis schwere (IQ von 20–34) Intelligenzminderung |
F80-F89 | Entwicklungsstörungen• Sprache, Sprechen, schulische Fertigkeiten (z. B. Lese-Rechtschreibstörung)• motorische Störungen• Autismus |
F90-F98 | Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend• Z. B. Hyperkinetische Störungen, Tic-Störungen• Störungen des Sozialverhaltens, Störungen sozialer Funktionen |
F99-F99 | Nicht näher bezeichnete psychische Störungen• Nicht klar definierbare Störungsbilder |
Wittchen & Hoyer (2011): Klinische Psychologie & Psychotherapie:
Kapitel 2 „Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen“ (S. 33–42)