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6. Wahre Macht

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Brenon legte seine Hände bedächtig auf den weißen Kalkstein, der wie eine schützende Mauer das Geländer der Balustrade bildete, auf der er stand und in die Ferne blickte. Er war zum ersten Mal die Wendeltreppe hinaufgestiegen, die ganz nach oben auf den höchsten Turm der Schlossanlage führte. Dieser bildete das Zentrum der Festung Tir’dahall und von hier aus konnte er nicht nur die ganze Stadt, sondern auch das ganze Land Redencia überblicken, das ihm nun mit seinen endlosen Horizonten zu Füßen lag.

Während Tir’dahall weithin von unberührten Wiesen und Auen umgeben war, kündeten Siedlungen im Westen von der Grenze zu Sydgondia. Richtete Brenon seinen Blick nach Osten, so konnte er am blauen Schimmer, der den Horizont einfärbte, das weite Meer erahnen. Irgendwo in jener Richtung musste die berühmte Hafenstadt Seehan liegen, von der aus die königlichen Truppen einst gegen Egrodt von Asyc gezogen waren. All jene legendären Orte der Vergangenheit kannte Brenon nur aus den Berichten, welche Jahre später von den Schreibern und Gelehrten aufgezeichnet und in den Bibliotheken verwahrt worden waren. Wenn sich jedoch weiterhin alles derart nach seinem Plan entwickelte, so würden ihm bald die Muße und die Möglichkeiten zufallen, diese Städte zu besuchen, in denen vielleicht noch der Geist einer vergangenen Epoche schlummerte.

Eine dieser Stätten war Tir’dahall, die Hauptstadt von Redencia und Thronsitz des Grafen von Jalúa. Unter anderen Umständen wäre Jalúa vielleicht auch einer der Männer geworden, um deren Gunst Brenon gebuhlt hätte, schließlich war er der einzige Überlebende des alten Rates. Doch Brenon hatte die Annalen des Landes in aller Sorgfalt studiert und war schließlich zur Überzeugung gelangt, dass der Herr von Redencia nichts als ein feiger Opportunist war. Schon zu Kriegszeiten hatte er es verstanden, sich immer auf die Seite des stärksten Souveränen zu schlagen und als der Elbenrat eingesetzt wurde, sah Jalúa seine Gelegenheit gekommen, sich in die mächtigste Position des Reiches aufzuschwingen. Und dort befand er sich nun, als Konsul und erster Ratsherr der Kammer. Deshalb hatte Brenon auch keinen Augenblick mit seinem Gewissen ringen müssen, als er den Befehl gegeben hatte, die Stadt des Grafen einzunehmen.

Tir’dahall war ein Schmelztiegel des Abschaums geworden. Obwohl es, wie alle anderen Städte des Südens, erst Monate später als der Norden für die Elben geöffnet worden war, hatte Jalúa dafür gesorgt, dass es wie kaum an einem anderen Ort zu einer Vermischung von elbischer und menschlicher Bevölkerung gekommen war. Die Elben waren scharenweise in die Stadt gezogen und hatten sich die menschliche Lebensweise angeeignet.

Zuletzt hatte man in der Turmstadt einen vom alten Volk gesehen, als der letzte Krieg ausgebrochen war. Doch Marius von Jalúa war es gelungen, die Bürger von Tir’dahall mit den Elben zu verbrüdern, wie es kaum einem der anderen Stadtherren im Reich gelungen war. Das Volk liebte den Grafen, sowohl Menschen wie auch Elben. Er selbst hingegen zog aus dem zweifelhaften Bündnis vor allem Vorteile, was die Sicherung seiner Machtposition auf dem Thron anbelangte. Denn im Gegenzug für seine Vermischungspolitik wurde er vom Elbenrat prompt an dessen Spitze gesetzt. Jalúa war eben ein Mitläufer und er würde es immer bleiben. Ein strategisch denkender, zugegebenermaßen, aber doch nur ein Mitläufer.

Brenon schaute in den Norden des Landes. Während die Wiesen zu Füßen der Stadt in saftigem Grün erstrahlten, erstreckte sich nur zwanzig Meilen nördlich ein dunkler Nadelwald über den Horizont. Dieser war so tief und mächtig in seiner Größe, dass er bis zu den Bergen reichte, welche die Warge im Süden einrahmten. Den Gebirgszug konnte man von Tir’dahall bloß noch erahnen. Doch als Brenon mit nachdenklichem Blick gen Norden spähte, stellte er sich vor, dass irgendwo dort in der Ferne sein nächstes Ziel lag. Die Hauptstadt Albenbrück.

Das Knarren der schweren Holztür hinter ihm riss ihn aus seinen Gedanken und ein Mann im roten Gewand trat an Brenons Seite. Es war Herbomir von Astarwisch. Brenon musterte den Mann, der ihm seit siebzehn Jahren wie ein Vater war. Meist konnte er dem Gesicht des alten Ritters ablesen, ob er gute oder schlechte Neuigkeiten brachte, jetzt aber wahrte Herbomir einen gleichgültigen Ausdruck.

„Keine üble Aussicht, was?“, bemerkte Herbomir und Brenon entspannte sich innerlich, denn allzu üble Nachricht konnte es offenbar nicht sein.

„Ein guter Tag, um zu reisen, würde ich meinen“, sagte Brenon.

„Zwei große Kohorten stehen bereit“, erklärte Herbomir, „das sind je dreißig berittene Mann. Seitdem wir die Stadt genommen haben, kommen immer wieder Ritter aus dem Umland, die sich unserer Sache anschließen wollen. Der Widerhall unseres Erfolges entpuppt sich als noch wirkungsvoller, als wir es uns hätten träumen lassen.“

„Das ist gut“, urteilte Brenon zufrieden, „ich stehe in deiner Schuld für die Aufstellung der Truppe.“

„Nicht in meiner“, gab Herbomir schmunzelnd zurück, „bedank dich bei unserem neuen Freund.“ „Gorakon Esefo?“, fragte Brenon ungläubig.

„Eben jener! Als ich ihm unsere nächsten Schritte unterbreitete, war er Feuer und Flamme dafür, die Truppe umgehend aufzustellen“, sagte Herbomir schmunzelnd, „er scheint geradewegs Gefallen daran zu finden, endlich wieder Befehle erteilen zu dürfen.“

„Und die Männer hören auf diesen verlotterten Halunken?“

Herbomir lachte herzhaft auf, dann meinte er: „Ich habe mich dasselbe gefragt, denn ich würde ihm auch keinen Zoll an Respekt mehr erweisen, doch scheinbar hat er es nicht verlernt, die Zügel in der Hand zu behalten.“

„Bis auf das eine Mal“, gab Brenon finster zurück, „und das hätte ihn damals fast den Kragen gekostet. Wir können bloß hoffen, dass er nicht nochmal in die Verlegenheit kommt, eine Truppe anzuführen. Zumindest nicht, solange es unsere ist.“

Gerade wollte Herbomir seinem früheren Schützling zustimmen, da drangen laute Schreie aus der Turmanlage hinauf zu der Balustrade, auf der die Männer standen. Sogleich schauten beide auf die Straße, welche Dutzende von Klaftern unter ihnen lag und von der das unheilvolle Geräusch zu ihnen gedrungen war.

Mehrere der Ritter, welche sich um die Türme herum gesammelt hatten, stürmten auf der Stelle in Richtung des Geschehens, doch was dort vor sich ging, konnten Brenon und Herbomir von ihrer Warte aus nicht ausmachen, weswegen sie sich eilends die Treppen hinunter begaben und auf die Straße traten.

Brenon erschauderte beim Anblick des Bildes, welches sich ihnen dort bot. Auf dem harten Boden der gepflasterten Straße lag ein junger Mann, zusammengekrümmt und mit einer hässlichen Platzwunde am Kopf, aus der das Blut tropfte. Brenon kannte den Verletzten nicht, doch schien es sich seiner edlen Kleidung nach zu urteilen um einen der jüngst angereisten Ritter zu handeln. Ob der Mann noch lebte, konnte er nicht ausmachen, zumindest aber regte er sich nicht mehr. Der geschundene Körper schien wie an die kalte Wand des Turmes gepresst zu sein, der sich hinter ihm erhob. Vermutlich war der Ritter gegen den Stein geschleudert worden und dann bewusstlos zu Boden gegangen.

Wenige Schritt neben dem Opfer versuchten drei schwer bewaffnete Ritter, einen hünenhaften Elben in Schach zu halten, der wild um sich schlug. Der Riese fauchte und fuchtelte mit seinen bloßen Armen wild umher, doch genügte seine Erscheinung, um ihn auch unbewaffnet zu einer respektablen Gefahr zu machen. Brenon erkannte den Elben als einen Mann vom Volk der Thursen, dem Hügelvolk. Er war mindestens um eine Elle größer als seine Gegner und kräftige Muskeln spannten sich in seinen Armen und Beinen.

Obwohl die Thursen früher selten mehr als einen Lendenschurz getragen hatten, traf man sie seit Ende des Krieges zunehmend in menschlicher Bekleidung an, auch wenn es sich dabei stets um Sonderanfertigungen handelte, damit sie den Riesenkörpern überhaupt passten. Auch dieser hier trug die Leinenkleidung eines einfachen Bürgers von Tir’dahall.

Besonders auffällig war jedoch sein aggressives Gebärden, dachte Brenon, denn die Thursen waren ein ausgesprochen friedfertiges Volk. Ja, man konnte sie sogar als ausgesprochen höflich und schüchtern bezeichnen, wenn man sie mit den anderen Alten Völkern verglich.

Dieser allerdings schien seine Beherrschung gänzlich verloren zu haben und während die drei Ritter vergeblich versuchten, den Riesen zu übermannen, scharten sich immer mehr Schaulustige um die Szene, Elben wie Menschen. Brenon begriff, dass die Situation zu eskalieren drohte, wenn die Menge in den Streit eingreifen würde.

„Lasst diesen Thursen in Frieden!“, befahl er mit lauter Stimme. Die Männer wandten sich verdutzt um. Als sie den Anführer der Bruderschaft erkannten, ließen sie unverzüglich von dem Elben ab, ihre Waffen aber streckten sie weiterhin schützend in dessen Richtung. Der Thurse beruhigte sich nur langsam und während er noch immer mit gefletschten Zähnen und kampfbereiter Haltung verharrte, ging Brenon mit beschwichtigender Miene geradewegs auf ihn zu.

„Was versetzt dich in solche Aufruhr, mein Freund?“, fragte er den Elben. Als er unmittelbar vor ihm stand, wurde er sich erst der unglaublichen Größe des Thursen gewahr, der ihn um mehrere Kopf überragte. Dieser funkelte ihn aus zornerfüllten Augen an. Dann antwortete er mit einer Stimme, die so melodisch und edel klang, dass sie so gar nicht zu seinem brachialen Erscheinungsbild passen wollte. „Ich kenne dich! Was bewegt dich dazu, mich einen Freund zu nennen, obwohl du der Urheber dieses Übels bist?“

Brenon sah dem Thursen fest in die Augen und bemühte sich darum, einen möglichst höflichen, jedoch ebenso unerschütterlichen Eindruck zu machen. Er musste nun jedes seiner Worte blitzschnell abwägen, sonst würden es seine letzten gewesen sein.

„Mein Ziel ist es einzig, für alle in diesem Reich die Gerechtigkeit zu wahren“, sagte Brenon und machte dann eine Geste in Richtung der Ritter. „Steckt eure Waffen weg! Oder nennt ihr das einen fairen Kampf, gegen einen, der unbewaffnet ist?“ Zögerlich wurden die Schwerter eingesteckt. Dann wandte Brenon sich wieder seinem Gegenüber zu: „Nun kennst du offenbar bereits meinen Namen. Doch erlaubst du mir auch, dass ich den deinen erfahre?“

Der Thurse wartete mit seiner Antwort und Brenon glaubte zu erkennen, wie er mit sich haderte, ob er diesem Menschen nun mit Respekt oder Zorn begegnen sollte. Die starken Kieferknochen des Riesen traten hervor und er biss sich auf die Unterlippe, als wolle er sein Mundwerk so am Sprechen hindern. Schließlich aber entgegnete er: „Emian heiße ich, der Sohn von Emian dem Älteren. Mein Oheim ist der große König Valian von den Thursen.“

„In diesem Falle verdienst du es natürlich umso mehr, mit gebührendem Respekt behandelt zu werden, Emian der Jüngere“, erklärte Brenon, „doch habe ich immer noch nicht erfahren, was dich in solche Raserei versetzt hat. Du scheinst mir ein besonnener Bursche zu sein. Lass mich ein weiser Richter sein und erkläre mir, was dir widerfahren ist.“

„Jener“, brummte Emian und wies auf den blutenden Ritter an der Wand, „er hat meine Familie entehrt. Als ihr die Stadt einnahmt, da schwort ihr, keinem Thursen und auch keinem anderen Elben ein Leid anzutun. Dieser Bursche aber hat meine Frau und meine Kinder aus unserem Haus vertrieben und sich wie eine Made dort eingenistet. Als ich heute von der Jagd heimkam, da hatte er unser Hab und Gut geplündert und die Speisekammer fast leer gefressen!“

Wieder blitzte der Hass in den Augen des Thursen auf, als dieser den leblosen Ritter betrachtete. „Er hat nichts anderes als den Tod verdient“, zischte Emian.

„Du hast nun nichts mehr, um deine Kinder zu versorgen, nicht wahr?“, fragte Brenon mitfühlend. Der Thurse wandte sich wieder ihm zu und nickte grimmig.

Bevor er weitersprach, ließ Brenon den Blick über die Menschentraube wandern, die inzwischen auf knapp hundert Köpfe angewachsen sein musste. Zwischen den Menschen zählte Brenon etwa ein Dutzend Thursen, deren Häupter über die der anderen Zuschauer hinwegragten. Kurz wägte er seine Möglichkeiten ab, ohne sich jedoch äußerlich etwas erkennen zu lassen.

„Ich verstehe deinen Groll und möchte dir anbieten, dass deine Familie sich an meiner eigenen Speisekammer labt und sich nimmt, was euch genommen wurde“, beteuerte Brenon. Der Thurse entspannte sich sichtlich und seine Miene hellte sich schlagartig auf.

„Denn das nenne ich Gerechtigkeit, wenn Gleiches mit Gleichem vergolten wird“, sprach Brenon weiter, „was aber denkst du, soll ich nun tun, um den Tod dieses Mannes wieder gut zu machen?“

Aus dem gerade gewonnenen Vertrauen des Thursen wurde mit nur einem Satz wieder Misstrauen und Argwohn. „Ihm geschah Gerechtigkeit“, beteuerte Emian, „denn sein Verbrechen war umso größer, nachdem du uns Sicherheit versprachst!“

„In der Tat habe ich euch Sicherheit versprochen. Doch sicher ist nur, wer sich auch dem Gesetz beugt“, sagte Brenon und seine Miene verfinsterte sich mit einem Mal.

„Das Gesetz erlaubt euch nicht, diese Stadt zu erobern!“, rief es plötzlich aus der Menge. Brenon wandte sich den Zuschauern zu, um den Sprecher der aufrührerischen Worte auszumachen.

„Wer hat das gesagt?“, rief er laut aus, um die ganze Menge zu erreichen. Doch statt einer Antwort, erschall eine weitere Stimme und diese stammte eindeutig von einem Thursen, der weiter vorne stand: „So denkt hier jeder! Ihr habt das Gesetz gebrochen!“

Auf einmal entstand Unruhe im Pulk der Anwesenden. Menschen wie Elben begannen, geräuschvoll miteinander zu tuscheln, einige der Thursen drängten sich nach vorne und stießen dabei andere Bürger zur Seite, was die Stimmung noch mehr anheizte. Brenon begriff, dass er jetzt Stärke zeigen musste, sonst würde ihm die Kontrolle über die Situation im nächsten Augenblick entgleiten.

„Ich bin das Gesetz!“, rief Brenon lauthals aus, „ich richte über Recht und Unrecht! Dies aber, was sich hier zugetragen hat, das ist Unrecht!“ Er wies auf den toten Ritter, ohne die Menge aus den Augen zu verlieren. „Wir sind in diese Stadt gekommen, um wieder für Gerechtigkeit zu sorgen. Und das, obwohl wir wussten, dass wir auf Unrecht stoßen würden und solche, die für Unrecht einstehen! Wir wollen Sicherheit und Gerechtigkeit für jeden von euch!“

Er wartete einen Augenblick ab, bevor er weitersprach. Die Menschen und Elben hatten ihre Aufmerksamkeit wieder ganz auf ihn gerichtet. Auch Emian, der kurzzeitig wieder gedroht hatte, in Rage zu geraten, schaute ruhig auf Brenon herab.

„Jeder, der Unrecht verbreitet, ist eine Gefahr für euch! Ich aber bin euer Beschützer, ich bewahre eure Sicherheit!“ Auf einmal war es wieder völlig ruhig auf der Straße von Tir’dahall und nur das ferne Krächzen einer Krähe durchbrach die Stille.

Brenons Herz aber klopfte wild, er rang innerlich mit sich. Er wusste, dass er ein Exempel statuieren musste, doch innerlich sträubte sich alles in ihm. So lange hatte er auf einen solchen Augenblick gewartet, doch nun hielt ihn eine unsichtbare Hand zurück und hinderte ihn daran, das Rechte zu tun.

Warum überkamen ihn auf einmal, wie aus dem Nichts, diese grausamen Zweifel? Er war der Herr von Tir’dahall, er war der Anführer der Bruderschaft, er war das Gesetz. Mit gequältem Blick schaute er hinüber zu dem einzigen Mann, der ihm ein Leben lang mit Rat zur Seite gestanden hatte und auf dessen Entscheidungen er seinen Kopf verwetten würde.

Herbomir hatte an der Mauer des Turmes Aufstellung genommen, wo er nach dem Puls des Erschlagenen getastet hatte. Nun stand er mit verschränkten Armen wenige Schritt rechts von Brenon und seinem riesenhaften Gegenüber.

Als die Blicke der beiden Männer sich trafen, wurde Brenon auf einmal die Klammheit seines Herzens genommen und er spürte die vertraute Zuversicht des alten Ritters, die ihm schon so oft den Rücken gestärkt hatte. Ein Außenstehender hätte von der versteinerten Miene Herbomirs keinerlei Regung ablesen können. Doch für Brenon war es, als würde der Mann ihm seine volle Zustimmung aussprechen.

Brenons Muskeln spannten sich, er würde alle Kraft benötigen, die seine Arme aufbringen konnten, denn die Knochen waren hart und das Fleisch zäh.

Ruckartig zog er sein Schwert aus der Scheide und die Klinge blitzte in der Mittagssonne auf. Noch in derselben Bewegung holte er weit zum Schlag aus und ließ dann die Schneide durch die Luft wirbeln. Gerade noch konnte Emian den linken Arm schützend vor das Gesicht halten, doch damit hatte Brenon gerechnet.

Die ersten Reihen schrien entsetzt auf, als das Eisen sich durch das Handgelenk schnitt und einen blutenden Stumpf hinterließ. Beinahe im gleichen Moment traf das Schwert auf den Hals des Thursen. Brenon spürte den Widerstand in der Waffe, doch die Wucht des Schlags reichte aus, um die Klinge über die gesamte Kehle fahren zu lassen, sodass der Kopf des Riesen haltlos nach hinten kippte und sich ein Strom aus dunklem Blut über seine Brust ergoss.

Es benetzte auch Brenons Hände, Arme, seine Brust und das Gesicht. Doch davon merkte er nichts, zu sehr war er von dem grausamen Anblick ergriffen. Der leblose Körper kippte zur Seite und prallte mit einem dumpfen Geräusch auf dem Kopfsteinpflaster auf, direkt neben der anderen Leiche.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann hatte Brenon sich wieder gefasst, wischte sich mit der linke Hand die Blutstropfen aus dem Gesicht und wandte sich der fassungslosen Menge zu. Er wusste nicht, was als nächstes geschah. Doch zu seiner Erleichterung rührte sich niemand, nur die drei Ritter hinter ihm zogen instinktiv die Waffen.

„Das ist Gerechtigkeit!“, rief Brenon. Dann schob er die rote Klinge zurück in die lederne Scheide und wandte sich beschwichtigend den Rittern zu. „Es ist gut“, sagte er und gab ihnen mit einer Geste zu verstehen, ebenfalls die Waffen wegzustecken.

Ohne sich der Menge ein weiteres Mal zuzuwenden, verließ er den Ort des Geschehens und zog sich wieder zurück in seinen Turm.

Etwas in ihm war zerbrochen.

Doch gleichzeitig fühlte er sich so stark wie nie zuvor.

Ariowist und Inkubus

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