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Die Murmeltiere

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«Gibt es hier auch Wild?» Standardfrage des Touristen. «Ja es gibt hier auch Wild», sagt der Jäger, «aber lesen Sie lieber Adorno. Sie sehen aus wie einer, der Adorno liest!» Jäger zitiert feierlich Adorno mit romanischem Akzent: «Wer einmal den Laut von Murmeltieren hörte, wird ihn nicht leicht vergessen. Dass er ein Pfeifen sei, sagt zu wenig: es klingt mechanisch, wie mit Dampf betrieben. Und eben darum zum Erschrecken. Die Angst, welche die kleinen Tiere seit unvordenklichen Zeiten müssen empfunden haben, ist ihnen in der Kehle zum Warnsignal erstarrt; was ihr Leben beschützen soll, hat den Ausdruck des Lebendigen verloren. In Panik vorm Tod haben sie Mimikry an den Tod geübt.»

Tourist ist von diesen Beobachtungen Adornos begeistert. Jäger denkt für einen Moment daran, Touristen eventuell mitzunehmen, um das echte Murmeltier zu zeigen, die Gemse, den Steinadler. Steinad­ler ist für Touristen die Krone der Tiere der Alpen. Er würde verwundert fragen: «Steinadler hat es?» Aber die Frage wird gar nicht gefragt. Der Respekt vor dem Murmeltier des Philosophen lässt den Fremden selbst den sonst so begehrten Steinadler vergessen.

Die Murmeltierwachen stehen wie Hydranten oder Bu­ben mit langen Pelerinen oben in den Geröllhängen. Drehen einzig manchmal mechanisch den Kopf um fünfzehn, um dreissig, um fünfundvierzig Grad, während der Körper ganz still Männchen macht.

Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee

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