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Die Wasser

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Den Charakter geben dieser Landschaft die Wasser. Ich fantasiere, dass sie die Täler eingefressen haben, vielleicht mit Hilfe der Gletscher, die einmal da waren und mit Zungen die Täler ausfüllten, aber tatsächlich haben die Wasser gefressen, geschichtet, Kerben in die Felsen geschlagen, gespalten, gestemmt. So sind die Täler entstanden. Das wäre, kurz gesagt, schon die Surselva: Täler und Rheine. Die Wasser heissen hier Rheine: Rein da Medel, Rein da Sumvitg, denn rein heisst: «der Fliessende», ein altes vorrömisches Wort. Wenn sie klein sind, nennt der Rätoromane die Rheine einfach aua (Wasser): Aua da Ramosa. Toben sie, sind es darguns, Drachen, die Landschaft und Erde schlucken, die spritzen und schnauben, donnern. Sie ändern ihren Weg, wie sie wollen, dorthin, wo sie der Mensch nicht zwischen behauene Steine gezwängt oder mit Vorbausteinen bezwungen hat – und noch vor diesen Riesensteinen hat der Rhein wenig Respekt, wenn er sich in ein Ungeheuer verwandelt.

Der grosse Rhein wird alle vierzig bis sechzig Jahre ein Drache: 1888, 1927, 1987. Dann geraten auch die modernen Leute ausser sich. Die Fremden schimpfen, wenn sie auf der Strasse nicht weiterkommen. Die Einheimischen staunen, wenn ihre an Rheine gebauten Häuser überflutet werden. Dass die Alten lediglich Sägen, Stampfen und Mühlen an Wasser bauten, hat der Surselver vergessen wie all seine andern Landsleute.

Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee

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