Читать книгу Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpack und Schokolade, die nicht dick macht - Leon Skip - Страница 7

Pullover auf nackter Haut - 1977

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Gut ist es, wenn man nur auf ein, zwei Dinge fokussiert ist. Dann merkt man erst, was Kraft bedeutet. Zielgerichtet und wahrlich übermenschlich stellt sie sich dann dar, ohne Grenzen und Zweifel. Der Zen-Mönch sagt: Wenn ich esse, dann esse ich und wenn ich lese, dann lese ich. Wir haben es geschafft, gleichzeitig fernzusehen, zu essen, zu telefonieren und uns dabei auch noch Sorgen aller Art zu machen, da kommt also nichts mehr dabei raus. Die Verzettelung, höchste Errungenschaft und größter Feind des Homo Erectus, halten uns nun für den Rest unserer Tage am Boden.

Ganz und gar nicht verzettelt steige ich in Kiel aus dem Zug und da wartet schon ein Kleinbus, um mich zum Segelcamp zu bringen. Gute Idee meiner Eltern, mich auf diese Weise für ein Weilchen loszuwerden. Ich bin ihnen mitnichten böse, denn die See und die darauf schwimmenden fahrbaren Untersätze haben´s mir angetan, seit ich denken kann. Soll ich´s ihnen da verübeln, wenn sie mich in die Obhut von Lagerleiter und Segellehrer abschieben? Schot und Segel sind mir nicht fremd, wenngleich mir auch dessen Bedienung nur auf Binnengewässern geläufig ist. Das Meer gilt es noch nautisch zu erkunden, und dazu bin ich angereist. Und wie sich´s herausstellt, kommen die größten und schönsten Abenteuer über einen, wenn man´s am wenigsten erwartet.

Der erste Tag ist ausgefüllt mit spannender Unterweisung in Wohl und Wehe maritimer Angelegenheiten, die frische Brise in der Kieler Fjörde umspielt unser blondes, braunes, schwarzes sechzehnjähriges Haar und zwanzig Kids werden zu einer Truppe zusammengeschweißt. Einer für alle, alle für einen, denn auf See geht’s kameradschaftlich zu. Boot und Mannschaft haben eins zu sein, sonst kommt man da draußen in Teufels Küche. Zehn Jollen warten auf die Ausfahrt und am Tag zwei heißt es: Leinen los!

Der Lehrer segelt voraus und wie die Küken zuckeln wir in Zweierpacks hinterher, der Blick stets rundum gerichtet wegen dem Schiffsverkehr und schon stecken wir in der ersten Flaute mitten in der Schifffahrtsrinne. Der Lehrer funkt um Hilfe, das Motorboot soll uns reinschleppen, doch das dauert und da kommt der erste dicke Pott genau auf uns zu. Unglaublich, wie titanisch riesig der Bug über einem aufragt, wenn man mit dem Arsch fast am Wasser sitzt und es mit dem Antrieb hapert, weil das Segel flautenbedingt schlapp macht, wie wenn man´s im Wohnzimmer gesetzt hätte. Da bleibt nur Staunen und Klammern, als sich der Koloss an uns vorbei schiebt, seine Bugwelle drückt uns zur Seite wie Ungeziefer und der eine und andere spitze Schrei entringt sich unseren Kehlen, als wir solcherart in jungen Jahren mit dem möglichen Tod durch Faschieren konfrontiert werden, denn die Schiffsschraube, nur halb eingetaucht beim frachtlosen Frachter, drischt und mahlt mit einer Wucht an uns vorbei, dass es an ein Wunder grenzt, hier und heute keine Toten beklagen zu müssen. Alle Boote bis auf zwei kentern durch die Wucht und abends hat keiner der Lehrer etwas dagegen, dass wir Jungen uns Kakao mit Rum reinschütten, um unser zweites Leben zu begrüßen.

Und Wunder Nummer zwei lässt nicht lange auf sich warten. Der Segelklub hat zur Party geladen und ich weiß nicht, was C in Kiel zu tun hatte, aber sie ist da und ich bin da, jeder von uns erwärmt durch Rum und Jugend. Wir tanzen und ich bekomme das Geschenk, das Geschenk, das jene bekommen, die nicht verzettelt sind. Reine Freude und reines Geben, ein strahlendes Antlitz, und blonde, glänzende Haare, die wie Kaskaden aus Sternenstaub über diesen weißen Strickpulli fallen. Sie nimmt meine Hand und legt sie auf ihren Busen, wie um mir zu sagen: Das ist kein abgekartetes Spiel wie bei den Alten, lass uns spielen, wie nur wir es können, und ich verliere mich in einem haptischen Wunder aus seidenweichen Haaren, Wolle und ihrem Busen, der ohne störendem BH dahinter wartet, fest, wohlgeformt und erregt. Zwei Stunden später danke ich dem großen Programmierer dafür, mir das erste Mal so leicht gemacht zu haben. Wir hören entfernt die Musik und das Lachen der Truppe und liegen noch immer in dem kleinen Holzboot, in dem wir zum ersten Mal diese süßen Früchte gekostet haben. Ungemütlicher geht´s nicht, würde der Pragmatiker sagen, doch uns Unverzettelten kommt´s gerade recht, wie´s ist.

Wir blicken zu den Sternen, gebettet zwischen Anker, Leinen und Rudern und strahlen einen Teil unseres Glücks mit Lichtgeschwindigkeit ab, an den Rest unserer Galaxie.

Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpack und Schokolade, die nicht dick macht

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