Читать книгу My new life in New Orleans - Lindsey Moon - Страница 6
Kapitel 3 – Ariana
ОглавлениеIch wollte gerade das Grab meiner Schwester, meines Neffen und meiner Nichte besuchen, auch wenn ich wusste, dass sie nicht wirklich darin lagen, als ich vor unserer Familiengruft ein fremdes Gesicht sah. Abschätzend musterte ich den kleinen, schwarzhaarigen Jungen, der so sehr auf die beiden Gedenktafeln fixiert war, dass er mich nicht einmal wahrnahm. „Hallo“, meinte ich also, um auf mich aufmerksam zu machen.
Der fremde Junge musterte mich ausführlich und schien nicht vorhaben, zu antworten, also versuchte ich es erneut. „Bist du ganz alleine hier?“
Aber statt zu antworten, nickte er nur. „Und wieso, wenn ich fragen darf?“
„Ich… ich wollte meine Eltern suchen“, antwortete er zögerlich. Kurz dachte ich, er würde mich anlügen, doch ich erkannte in seinen Augen, dass das die Wahrheit war, wenn auch nicht die ganze.
„Oh, das tut mir leid“, meinte ich, auch wenn es mir eigentlich ziemlich egal war. Aber ich wollte nicht unhöflich sein. Plötzlich verabschiedete sich der Junge und drehte sich um, doch ich hielt ihn auf. Aus irgendeinem Grund interessierte mich die Geschichte des kleinen Jungen. Und irgendwie erinnerte er mich ein kleines bisschen an Mayla, meine Nichte.
„Ähm… sie hießen Clayton.“
Sofort erkannte ich, dass er log. Sein Herzschlag beschleunigte sich, er sah mir nicht in die Augen… Moment, sein Herzschlag! Er war nicht normal, nicht menschlich. Konnte es wirklich sein, dass…
„Du lügst. Du bist ein Vampir, oder? Einer von denen.“
Die letzten Worte sagte ich voller Verachtung in meiner Stimme. Schon seit einigen Jahren bedrohte eine kleine Gruppe Übernatürlicher meine Familie, insbesondere Mayla wollten sie tot sehen. Vor einigen Monaten hatten sie sogar angefangen, Kinder ihres Alters in Vampire zu verwandeln und sie als unauffällige Späher einzusetzen. Einfach grauenhaft, vor allem da sie wussten, dass wir, und gerade ich, ihnen nichts antun würden. Aber dass sie es jetzt auch noch wagten, ihre Späher an Annis Grab zu stellen, machte mich unglaublich wütend.
Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und kam dem Jungen bedrohlich näher. „Wage es ja nicht, auch nur ein einziges Mal wieder hierher zu kommen! Wenn ich dich hier noch einmal am Grab meiner Schwester sehe, töte ich dich, egal, wie alt du bist oder was sie dir von mir erzählt haben. Ist das klar?“
Er nickte ängstlich, doch ich war immer noch wütend, dass er allein mit seiner Anwesenheit das Andenken meiner Familie entweihte. „Ich habe gefragt, ob das klar ist!“, schrie ich ihn jetzt an.
Erst als er ein erschrockenes „Ja“ herausbrachte, zog ich mich zurück und meinte etwas gelassener: „Gut. Das kannst du deinen anderen kleinen Vampirfreunden übrigens auch ausrichten.“ Ich wollte nicht, dass so etwas je wieder vorkam.
Plötzlich stand eine junge Frau zwischen mir und dem Vampirjungen. Sie sah ihm ziemlich ähnlich, wahrscheinlich waren sie Geschwister.
„Wer bist du?“, fragte sie mich feindselig, bevor sie ihren Bruder fragte, ob alles in Ordnung sei.
„Ariana Johnson. Vielleicht habt ihr schon von mir gehört“, stellte ich mich ebenso feindselig vor.
„Allerdings“, murmelte sie. Wenigstens etwas.
„Dann wisst ihr ja auch sicher, dass man sich nicht mit mir und meiner Familie anlegt“, drohte ich.
„Ja. Hatten wir auch nicht vor.“
Als ob ich das jetzt glauben würde. Was machten sie denn sonst an der Gruft meiner Familie? Ich würde sie noch eine Weile im Auge behalten müssen. Dennoch erwiderte ich nur: „Na, dann ist ja gut.“
Die beiden gingen, doch ich hing noch ein wenig meinen Gedanken nach. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihre Stimme von irgendwoher kennen würde, sie klang so seltsam vertraut. Aber dennoch konnte ich sie nicht eindeutig zuordnen. Das Gesicht der Frau hingegen kam mir nicht im Geringsten bekannt vor. Wieso dachte ich also so viel über ihre Stimme nach?
Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu vertreiben, doch ich kam einfach nicht von ihnen los. Selbst als ich schon längst zu Hause war, stellte ich mir immer wieder die gleiche Frage: Wo hatte ich die Stimme dieser jungen Frau schon einmal gehört?
In dieser Nacht träumte ich wirr von unserer Familie. Ich hörte, wie meine Mutter mir ins Ohr flüsterte, dass sie uns alle töten würde und ich hörte die Stimme von Anni, wie sie mir Vorwürfe machte, dass ich nicht da gewesen war, als sie gestorben ist. Zitternd wachte ich mitten in der Nacht auf. Noch lange lag ich so da und dachte darüber nach, dass ich eine furchtbare Schwester war. Anni war nur mit Rose und Cian an ihrer Seite gestorben. Keiner von unserer Familie war da gewesen. An dem Abend waren meine Brüder und ich unterwegs gewesen, weil Mayla, Mikes Tochter, gerade geboren wurde. Wir hatten nicht wissen können, dass das Annis letzter Abend war, aber ich machte mir trotzdem Vorwürfe.
Plötzlich ging mir ein Licht auf. Schlagartig wurde mir klar, von wo ich die Stimme der jungen Frau vom Friedhof kannte. Sie hatte exakt die gleiche Stimme wie Anni und unsere Mutter. Das konnte unmöglich ein Zufall sein. War Anni wieder von den Toten auferstanden? Sofort verwarf ich den Gedanken wieder, sie wäre bestimmt zu uns gekommen. Spätestens auf dem Friedhof hätte sie mich erkennen müssen. Hatte unsere Mutter etwa wieder einen Weg gefunden, den Tod auszutricksen? Das wäre furchtbar, aber leider durchaus möglich.
Sofort rief ich nach meiner Familie, mit der ich zusammen in unserer großen Villa wohnte. „Mike, Josias, Sarah!“ Sarah war die junge Werwölfin, die Mayla damals zur Welt gebracht hatte und nun mit ihr auch hier wohnte.
Einen Augenblick später standen die drei um mein Bett herum. Ja, auf meine Brüder war wirklich immer Verlass. Genauso wie auf Sarah. Zumindest für mich war sie mittlerweile eine echte Johnson. „Was ist los, Aria?“, fragte Mike mich und verdrehte die Augen, als er auf die Uhr sah. So genervt war er nicht mehr gewesen, seit Mayla Probleme mit ihren Zähnen hatte und wir Tage gebraucht hatten, um einen Zahnarzt zu finden, der beim Anblick ihrer Vampirzähne nicht gleich in Ohnmacht fiel. Aber das interessierte mich gerade herzlich wenig.
„Ich war doch heute Nachmittag auf dem Friedhof bei Annis Grab. Aber ich war nicht allein. Ein kleiner Junge, etwa so alt wie Mayla, und vermutlich seine ältere Schwester waren auch da. Sie waren beide Vampire, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht, woher ich die Stimme des Mädchens kannte, und es ist mir gerade wieder eingefallen.“
„Und dafür weckst du uns mitten in der Nacht?“, fragte er mich missmutig.
„Ja. Das geht uns alle etwas an und ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist. Denn das Mädchen hatte die Stimme von Mutter. Sie ist wieder da.“