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Keime, Viren und der Postbote

Normalerweise bestelle ich keine Produkte über das Internet. Weder Bücher, noch Babypflege oder Kleidung. Ich finde es politisch nicht korrekt, große Konzerne zu unterstützen, während immer mehr kleine Läden pleite gehen. Aber unsere Isolation hat dazu geführt, dass ich gegen meine Prinzipien verstoße. Beim Einkaufen in vollen Läden könnten uns einfach zu viele Keime begegnen. Nun ja, das Gemüse kaufe ich noch nicht im Internet. Das besorge ich am Dienstagmorgen, wenn kaum jemand einkaufen geht, im Bioladen, gut vorbereitet mit Desinfektionsspray in der Jackentasche und the Kid sicher im Tragesack verpackt, sein Näschen in meiner Jacke versteckt.

Eigentlich ein Wunder, dass mich bisher noch niemand schräg angesprochen hat, wenn ich mir, nachdem ich am Kühlregal war, meine Hände desinfiziere, um meinem Sohn sein Mützchen zurecht zu rücken. Seltsame Blicke habe ich aber schon eine Menge kassiert. Wie damals, als ich mit Erkältung und the Kid im Tragetuch spazieren ging. Natürlich mit Mundschutz, um meinen Kleinen nicht anzustecken. Für solche Zwecke habe ich ein besonders schickes Modell mit Blümchen. Trotzdem blieben die Kinder mit offenem Mund am Straßenrand stehen, bevor ihre Mütter sie schnell zur Seite zogen. Offensichtlich haben auch andere Mütter Angst vor ansteckenden Krankheiten. The Kid stört sich aber zum Glück nicht an meiner seltsamen Aufmachung. Er ist diese seltsamen Masken noch aus dem Krankenhaus gewohnt, wo erkältete Ärzte und Schwestern sie regelmäßig trugen.

Nur in seinem eigenen Gesicht sind sie ihm fremd. Neulich hatten wir einen Termin in der chirurgischen Abteilung. Da gerade die Grippe umging, entschied ich spontan, mal wieder einen Versuch zu starten, the Kid an einen eigenen Mundschutz zu gewöhnen. Das würde einiges vereinfachen. Ich wurde zwar vorgewarnt, dass Kinder in dem Alter noch keinen Mundschutz akzeptieren. Aber mir fiel plötzlich ein, dass die kleine Mai-Lin, die einen Monat nach the Kid transplantiert wurde, schon im Alter von 10 Monaten einen Mundschutz ohne Probleme trug. Also dachte ich: Ein Versuch kann nicht schaden.

Ich habe ihm zunächst den kleinen Kindermundschutz mit schickem Mickey-Mouse-Aufdruck zum Spielen angeboten. Dann schob ich ihm die Maske langsam vor die Nase, um ihm schließlich vorsichtig die Schlaufen hinter seinen Ohren zu befestigen. Ein befreundeter Arzt, der uns zur Untersuchung begleitete, und ich zogen uns aus Solidarität auch einen Mundschutz über. Schließlich machen die Kleinen einem doch sonst auch so gerne alles nach. Aber da hatten wir uns gewaltig getäuscht. Zuerst begann the Kid sich zu winden. Sein Hals wurde immer länger bei dem Versuch, ihn zu überstrecken, um diese lästige Nasenmaske loszuwerden. Als das nicht gelang, schien ihm plötzlich einzufallen, dass er es ja auch mit den Händchen versuchen könnte. Und just in dem Augenblick, in dem wir mitten in der Grippezeit das überfüllte Wartezimmer der Chirurgie betraten, zog er mit einem Ruck die Maske von seinem Gesicht, um sofort genüsslich die abgestandene Luft einzusaugen. Und weil es gerade so schön war und er nun wusste, wie es geht, riss er mir meinen Mundschutz auch gleich herunter. Das kann ja heiter werden, wenn ich das nächste Mal erkältet bin. Mensch, bei Mai-Lin hatte das so einfach ausgesehen… Aber ich hatte vergessen, dass sie aus China kommt. In Asien wird einem das Mundschutztragen ja praktisch in die Wiege gelegt.

Nun, weil das also alles so kompliziert ist und überall in den Läden und Einkaufspassagen Keime lauern, kommt seit unserer Heimkehr aus der Klinik regelmäßig der Paketbote zu uns, um uns mit den neuesten Produkten aus der Außenwelt zu versorgen. Er kennt mich schon und bekommt vor Feiertagen auch hin und wieder ein Trinkgeld, aus Dankbarkeit, dass er manchmal mit mir ein paar Worte über das Wetter wechselt und ich mir dann nicht ganz so isoliert vorkomme. Es tut gut, ab und zu ein vertrautes Gesicht zu sehen, das gibt mir irgendwie das Gefühl, wir seien „normal“. Doch eines Tages konnte er plötzlich nicht schnell genug wieder weg. Mit schreckgeweiteten Augen rannte er zu seinem Lieferwagen. Ich war irritiert, sieht man mir die Isolation mittlerweile schon so sehr an, dass man fürchten muss, sich anzustecken? Als ich auf dem Rückweg zum Wohnzimmer am Flurspiegel vorbeikam, dämmerte es mir plötzlich. Ich war erkältet, trug meinen blauen Hausanzug und hatte in der Eile vergessen, meinen Mundschutz abzunehmen, bevor ich die Tür öffnete. Und das zu einer Zeit, in der die Nachrichten täglich von neuen Ebola-Fällen berichteten. Am nächsten Tag stand ein neuer Paketbote vor der Tür, in gebührendem Abstand und stumm. Seither wechseln die Paketzusteller regelmäßig und halten sich möglichst fern von unserer Tür. Schade, doch kein Smalltalk mehr. Nun ja, dann spare ich mir wenigstens das Trinkgeld. Davon kann ich dann wenigstens jede Menge neue Mundschutze kaufen. Aber ich lasse sie mir auf jeden Fall liefern.

Two in Isolation

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