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ОглавлениеEin Baby und 11 Medikamente – Teil II
Auf was Mütter so alles stolz sein können. Ich war so glücklich und stolz, als the Kid endlich seine Medikamente bei sich behielt, ohne sich übergeben zu müssen. In der Klinik konnte man pünktlich zur „Medi“-Zeit überall auf den Gängen Mütter mit schreienden Babies beobachten, bewaffnet mit kleinen Spritzen und jeder Menge Spucktüchern. Zehn Minuten später waren die Spucktücher nass, ebenso wie die schweißgebadeten Mütter und die erschöpften Babies, die kaum mehr als die Hälfte der Medikamente bei sich behalten hatten. Aber irgendwann klappte es dann bei den meisten doch, und das bedeutete, die Entlassung war nah. Wenn nicht wieder irgendetwas Unvorhergesehenes eintraf.
Irgendwie dachte ich, wenn es einmal mit den Medis klappt, dann immer. Doch nun zahnt the Kid. Bei der allmorgendlichen Cortison-Tablette oder der abendlichen Aspirin-Tablette, schön in Wasser aufgelöst und mittlerweile als winziges babygerechtes Schlückchen verabreicht, hat the Kid plötzlich keine Lust mehr. Vier Monate hat er sie brav eingenommen, doch nun, durch die wunderbare Spuckeproduktion – dem Zahnen sei Dank – lässt sich die Tablette wieder wunderbar ausspucken. Mit gutem Zureden und bestimmender Hand ist es eigentlich kein Problem, ihm die Medis zu verabreichen. Er öffnet brav sein Mündchen, schließt es, ich atme erleichtert aus und… schwupp, kommt ein großer Schwall Spucke samt aller Medis wieder raus. Dieser Schwall ist viel größer als das kleine Schlückchen, dass ich ihm gegeben habe.
Ich habe mittlerweile die Vermutung, dass the Kid, sobald es die Spritze erblickt, bisher unbekannte Speicheldrüsen aktiviert, um genug Spucke zu sammeln, damit auch ja alles wieder heraus geschwemmt wird. Es ist mir wirklich ein Rätsel woher diese ganze Flüssigkeit stammt. Das wäre ein Thema über das ich, wenn ich Zeit hätte, meine Doktorarbeit schreiben könnte. Aber die Zeit habe ich nun mal nicht. Stattdessen schlucke ich als gutes Vorbild jeden Morgen aus einer Spritze Wasser, um the Kid zu motivieren, es mir nachzumachen. Und oh Wunder, er macht es mir nach, öffnet den Mund und schluckt sogar. Ich greife erleichtert zur Belohnungsspritze. In dem Augenblick fängt the Kid an zu lachen und ein Schwall Spucke samt weißer Tablettenkrümmel läuft heraus.
Wie kann ein so kleines Baby, das noch kein Wort sprechen kann, sich nur so ausgetüftelte Tricks ausdenken? Vortäuschen, dass er alles herunterschluckt um dann, sobald die Mutter sich in Sicherheit wähnt, alles wieder auszuspucken. The Kid muss hochbegabt sein, es gibt einfach keine andere Erklärung. Na also, das ist doch ein Grund stolz zu sein. Nur leider bringt uns das nichts. Eine gesunde Leber ist nun mal wichtiger als intellektuelle Fähigkeiten. Zumindest in dem Alter.
Statt mich also auf die Suche nach Förderstellen für hochbegabte Säuglinge zu machen, werde ich morgen mal in der Klinik anrufen. Immerhin müsste es ja eine winzige Chance geben, dass die Krankenschwestern wieder behaupten, die Medikamente würden auf der Haut stärker wirken als oral. Dann könnte ich ihm seine Medikamente auf das Kinn streichen. Oder besser noch, auf die Fußsohle, in der Hoffnung, dass die nächste Sabberattacke nicht bis dorthin reicht. Was für eine schöne Vorstellung!
Aber letztlich wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als meinen Schwur zu brechen und doch einen Blick in den Beipackzettel zu werfen. Nur fürchte ich, dass ich auf der Suche nach alternativen Darreichungsformen auch alle Nebenwirkungen durchlesen werde. Vielleicht löst sich ja dann auch das Rätsel mit den genialen intellektuellen Fähigkeiten.