Читать книгу Die Richterin - Lisa Scott - Страница 7
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ОглавлениеEin halbes Jahr später saß Cate auf ihrem hochlehnigen Stuhl auf der Richterbank und wartete darauf, die Verhandlung des Vormittags zu eröffnen. Der Gerichtssaal war brechend voll, und sie verbarg ihre ängstliche Erwartung hinter der professionellen Maske, die zu ihrer täglichen Arbeit gehörte. Der Prozess dauerte nun schon eine Woche, aber nur der heutige Tag zählte, wie die letzten zwei Minuten in einem Basketballspiel.
Die Sixers gegen die Hornets. Gestern Abend in der Bar. Wer hat wohl gewonnen?
Hinter dem wackligen Aktenstapel verlagerte Cate ihr Gewicht von einer Seite zur anderen. Sie hatte in dieser Nacht nicht sehr gut geschlafen und verließ sich darauf, dass man ihrem Gesicht nichts davon anmerkte. Davon abgesehen, war sie in voller Montur: Sie trug eine Robe aus schwarzem Synthetikstoff, einen Hauch rosafarbenen Glanzstifts auf den Lippen, neutrales Make-up und dezenten Lidstrich auf ihren großen, blauen Augen; das dunkelbraune Haar hatte sie zu einem richterlichen Knoten hochgesteckt. Schließlich gab der Deputy am Eingang Cate einen Wink.
Showtime. Cate machte eine Handbewegung und sagte, zum Anwalt des Klägers gewandt: »Lassen Sie uns anfangen, Mr Temin. Ich nehme an, dass der Kläger heute Morgen seine Aussage fortführen wird.«
»Ja, Euer Ehren.« Nathan Temin war ein rundlicher Anwalt mit einem Schmerbauch, der ihn viel älter erscheinen ließ, als er war, einem dunklen Anzug, der dringend des Bügeleisens bedurfte, und ähnlich ungebärdigem schwarzem Haar. Cate wusste natürlich, dass man einen Anwalt vor Gericht niemals nach seinem Äußeren beurteilen durfte. Sie selbst hatte sich bei ihren früheren Auftritten vor Gericht oft schlechter angezogen, als es für sie üblich war. Mit Prada konnte man Geschworene nicht für sich gewinnen.
»Sehr gut.« Cate nickte. »Dann also los.«
»Danke, Euer Ehren.« Temin eilte, eine seiner plumpen Hände an den Körper gedrückt, mit Kugelschreiber und Notizblock zum Podium. Er begrüßte die Jury und wandte sich seinem Mandanten zu, der sich vom Tisch der Klagepartei erhob. »Mr Marz, bitte kommen Sie zum Zeugenstand.«
Richard Marz ging zum Zeugenstand, und im Publikum drehten sich alle Köpfe ihm zu. Reporter kritzelten eifrig in ihre Kladden, und Gerichtszeichner füllten mit rosafarbenen Stiften die schwarzen Umrisslinien der Gesichter aus. Der Eastern District von Pennsylvania erlaubte keine Kameras im Gerichtssaal, wofür Cate Gott und dem Gerichtspräsidenten dankte.
»Guten Morgen, Euer Ehren«, sagte Marz mit seiner leisen Stimme und setzte sich dann, nachdem er vereidigt worden war. Er war noch nicht dreißig Jahre alt, und der angestrengte Blick seiner kindlichen blauen Augen zeigte, dass der Prozess ihm zu schaffen machte. Er lächelte verkrampft, mit wie von einem Gummiband straff gezogenen Lippen, und fuhr sich mit den Fingern durch seine schmutzig braunen Locken, die unter einer gehäkelten Jarmulke hervorquollen. Unter der offen stehenden dunklen Anzugjacke trug er ein weißes Hemd und eine schief sitzende gestreifte Krawatte. Es ist allgemein bekannt, dass Menschen aussehen wie ihre Hunde; aber vielleicht sehen sie eher aus wie ihre Anwälte, dachte Cate.
»Guten Morgen, Mr Marz.« Sie schenkte Marz ein professionelles Lächeln, das nicht ohne unterschwellige Sympathie war. In seiner Klage behauptete er, dass ein mächtiger Fernsehproduzent aus Hollywood ihm die Idee für eine Serie über Anwälte in Philadelphia gestohlen und daraus den größten Publikumserfolg eines Kabelsenders entwickelt hatte, die Serie Recht @ Gesetz. In dieser Schlacht zwischen David und Goliath war Marz derjenige, der es mit der Schleuder versuchte.
An seinem Pult zog Temin den schwarzen Mikrofonkopf auf seine Höhe herunter. »Mr Marz, Sie sagten letzte Woche, dass Sie sich zwei Mal mit Mr Simone trafen. Dann gab es das entscheidende dritte Treffen. Bitte erklären Sie der Jury noch einmal, was beim ersten Mal, am zehnten Juni, geschah.«
»Einspruch, Euer Ehren«, sagte George Hartford, der Anwalt des Beklagten. Hartford hatte graue Augen hinter leicht getönten Brillengläsern und war vor der Zeit fast völlig kahl geworden. Er musste um die fünfzig sein und stand, hochgewachsen und schlank, in einem gut sitzenden italienischen Anzug mit gelber Seidenkrawatte hinter seinem Tisch.
»Stattgegeben. Der Anwalt des Klägers vergeudet die Zeit der Geschworenen.«
Temin sagte: »Euer Ehren, es ist angemessen, noch einmal darauf zurückzukommen, weil das Wochenende dazwischenlag.«
»Abgelehnt.« Cate bedachte beide Anwälte mit strengen Blicken. »Wir sollten die Einsprüche heute nicht überhand nehmen lassen, meine Herren. Halten Sie sich bitte zurück.«
»Danke, Euer Ehren.« Temin nickte, und Hartford setzte sich griesgrämig wieder neben seinen Mandanten, den Produzenten Art Simone. Auch im Sitzen sah Simone groß und gepflegt aus. Er war im besten Alter zwischen vierzig und fünfzig Jahren. Sein rötliches Haar war modisch kurz geschnitten, und seine Schildpattbrille passte ausgezeichnet zu der karamellfarbenen Seidenkrawatte und dem dunkelbraunen Kaschmiranzug. Wenn es nach den Anzügen gegangen wäre, hätte längst festgestanden, wer der Verlierer und wer der Gewinner dieses Verfahrens war.
»Mr Marz«, begann Temin erneut, »sagen Sie uns bitte kurz, was bei dem Treffen mit Mr Simone im Juni passierte.«
»Also, ich war früher bei der Staatsanwaltschaft angestellt, hatte mit Computerkriminalität und Internetbetrug zu tun, solche Sachen. Ich habe mich immer gern mit Computern beschäftigt.« Es klang, als wolle Marz sich dafür entschuldigen. »Aber ich wollte Autor werden, und deshalb fing ich an, ein Drehbuch für eine Fernsehserie zu schreiben, über vier Anwälte, die sich gut mit Computern auskennen und ihr Wissen benutzen, um Morde aufzuklären. Der Titel meiner Geschichte war Hard Drive. Als meine Frau es las, fragte sie mich, warum ich nicht irgendwas damit anfinge.« Marz lächelte seiner Frau zu, die in der ersten Reihe saß. Es war eine hübsche Brünette, die einen langen Rock und flache Schuhe trug. »Also hab ich Art angerufen – Mr Simone – und ihm davon erzählt. Ich habe ihn gefragt, ob er sich nicht mal mit mir treffen wollte, um die Sache zu bereden, und er sagte, ja, er würde nach Philly fliegen und das Meeting mit mir machen.« Marz wandte sich mit ernster Miene an die Geschworenen. »Das sagen sie so in L. A., ›ein Meeting machen‹. Wenn sie dann ablehnen, heißt es: ›der Schuss ist danebengegangen‹; ›vielleicht‹ heißt bei ihnen: ›ein schwacher Schuss, aber wir werden sehen‹. Ich hab das immer nur mit Sex in Verbindung gebracht. Aber natürlich bin ich nur ein ahnungsloser Anfänger aus Philadelphia.«
Die Geschworenen kicherten; offensichtlich war ihnen der Kläger sympathisch. Philly ist der Underdog unter den Städten. Niemand mochte diese Stadt.
Temin fragte: »Kannten Sie Mr Simone von früher?«
»Ja, ich kannte ihn von einem Sommercamp her, als ich so etwa zehn Jahre alt war. Camp Willowbark, Einheit A. Er war auch Pfadfinder, etwas älter als ich, und ich sah zu ihm auf wie zu einem älteren Bruder. Dann hörte ich, dass er in Hollywood Fernsehen machte, und hoffte, dass er mir irgendwie helfen könnte.«
»Und was passierte bei diesem Meeting, kurz gesagt?«
»Wir trafen uns im Le Bec Fin, und ich habe ihm ausführlich von meiner Idee erzählt und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, dass seine Firma das Ganze produzierte. Der Chef des Anwaltsbüros in meiner Serie ist ein ehemaliger Polizist, ein Italiener aus South Philly, der immer gut angezogen ist und ein absoluter Krawattenfreak ist –«
»Sie müssen nicht noch einmal ins Detail gehen«, unterbrach ihn Temin, der Hartfords Einspruch voraussah.
»Okay, gut. Tut mir leid. Wichtig ist eigentlich nur, dass die vier Anwälte, die ich Mr Simone beschrieb, am Ende genau so in Recht @ Gesetz auftauchten.«
»Einspruch, Euer Ehren! Das ist eine Meinungsäußerung!«, sagte Hartford, aber Cate winkte ab.
»Abgelehnt. Die Geschworenen wissen, dass das seine Meinung ist.«
Temin hielt inne. »Übrigens – waren Sie nicht überrascht, Mr Marz, dass Mr Simone eigens hierherflog, um sich mit Ihnen zu treffen, statt dass Sie zu ihm nach Kalifornien kamen?«
»Doch, ich war überrascht, aber er sagte, dass er sowieso herkommen wollte, um seine Mutter zu besuchen. Sie lebt in einem Altersheim in Jersey.« Marz’ Gesicht verdunkelte sich. »Mittlerweile glaube ich, er wollte mich in Philly treffen, weil er wusste, dass die Gesetze von Pennsylvania in einer Hinsicht strenger sind als die von Kalifornien, nämlich –«
»Einspruch!«, rief Hartford neben seinem Mandanten, der zusammenzuckte, und Cate hob die Hand.
»Stattgegeben. Halten Sie sich mit Ihren Meinungsäuβerungen bitte zurück, Mr Marz. Machen Sie mir keinen Kummer.«
Die Geschworenen lächelten, und Temin fragte: »Machte sich Mr Simone bei diesem Treffen Notizen?«
»Nein.«
»Gut, Mr Marz. Jetzt springen wir zum zweiten Treffen am fünfzehnten und sechzehnten September, ebenfalls in Philadelphia. Wer war dabei?«
»Ich, Detective Russo, Mr Simone und seine Praktikantin Micah Gilbert.«
»Ist das Ms Gilbert, die hinter Mr Simone im Zuschauerraum sitzt?«
»Ja.« Marz deutete auf eine hübsche junge Frau in der ersten Reihe. Micah Gilbert war vom ersten Tag an im Gerichtssaal gewesen. Sie saß neben einer attraktiven jungen Juryberaterin, deren kinnlanges Haar in einem optimistischen Rotton gefärbt war.
»Was ist bei dem Treffen passiert?«
»Mr Simone kam nach Philly, weil er mich und einen Freund von der Mordkommission, Detective Frank Russo, treffen wollte. Russo war das Modell für den Protagonisten meiner Serie, einen typischen Vertreter von South Philly. Am ersten Tag trafen wir uns im Liberties. Ich hatte diesen Ort gewählt, weil dort echte Detectives verkehren.«
Die Augen der Geschworenen wurden wachsam. Das Restaurant in Recht @ Gesetz hieß ebenfalls Liberties, und die meisten von ihnen hatten die Serie verfolgt. Es gab in Amerika offenbar nicht einen Menschen, der sie nicht kannte, trotz Hartfords Bemühungen. Der Anwalt des Beklagten hatte im Vorfeld der Verhandlung versucht, die Jury mit Leuten zu besetzen, die wenig fernsahen. Die rothaarige Juryberaterin hatte ihm dabei geholfen. Cate griff nie auf eine Juryberaterin zurück. Eine Jury zusammenzustellen hieß immer, auf den Zufall zu vertrauen.
»Und was geschah im Liberties?«
»Detective Russo und ich erzählten Mr Simone die Handlung, die wir ausgearbeitet hatten, und beschrieben ihm die wichtigsten Personen. Außerdem habe ich ihm so einiges über Computer erzählt.« Marz’ Blick glitt zu Simone. »Weil er nämlich nicht das Geringste von Computern versteht.«
»Haben sich Mr Simone oder Ms Gilbert Notizen gemacht, während Sie sprachen?«
»Nein.«
»Kam Ihnen das merkwürdig vor?«
»Damals nicht, aber heute denke ich, er wollte einfach keine Aufzeichnungen von –«
»Einspruch! Das ist wieder reine Spekulation, Euer Ehren. Ich beantrage die Streichung dieser Aussage.« Hartford stand auf, aber Cate bedeutete ihm, sich wieder zu setzen.
»Stattgegeben.« Cate wandte sich an Marz im Zeugenstand. »Bitte beschränken Sie sich auf die Fakten. Keine Interpretationen.«
Temin fuhr fort: »Und was passierte nach dem Mittagessen im Liberties?«
»Detective Russo und ich gingen mit Mr Simone und Ms Gilbert zum Roundhouse, der Polizeizentrale, wir machten eine kleine Führung mit ihnen und sagten ihnen, wie die Mordkommission wirklich arbeitet. Wir zeigten ihnen ein paar Sachen in den Räumen der Abteilung, zum Beispiel, dass die Detectives die Tür mit einem alten Abfalleimer offen halten und gar nicht merken, dass es stinkt. Nur die Besucher merken es.« Marz wandte sich erneut an die Geschworenen. »Das mit dem Abfalleimer ist wichtig, weil es etwas über die Personen aussagt. Es zeigt, dass sie sich an schlechte Sachen gewöhnen, an die Hässlichkeit, die sie in ihrem Job jeden Tag zu sehen kriegen.«
Etliche der Geschworenen nickten ernst, und einer warf einen kalten Blick zum Tisch des Beklagten. Wenn die Jury jetzt zu entscheiden hätte, würde sie für Marz und seinen symbolischen Abfalleimer stimmen, dessen war sich Cate sicher.
»Und was taten Sie am zweiten Tag?«
»Detective Russo und ich fuhren Mr Simone und Ms Gilbert in den Vierteln herum, wo die Handlung stattfindet. Das nennt man ›die Location besichtigen‹.«
Temin blätterte in seinem Notizblock ein Blatt weiter. »Jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Treffen mit Mr Simone am neunten November, ebenfalls im Le Bec Fin. Wer war bei diesem Treffen anwesend?«
»Ich und Mr Simone.«
»Und was hat sich bei diesem Mittagessen ereignet?«
»Mr Simone sagte, wir hätten etwas zu feiern. Er bestellte Champagner, zwei Flaschen, obwohl ich gar nicht so viel trinke.« Marz warf einen erbitterten Blick zum Tisch des Beklagten. »Jedenfalls – ich sagte ihm, dass ich das Treatment schon vor dem Termin fertig hätte, und gab es ihm.«
»Bitte erklären Sie der Jury, was ein Treatment ist.«
»Ein Treatment ist eine ausgearbeitete Handlungsskizze, in der alle Personen und die Handlung genau beschrieben werden. Ich hatte Mr Simone gesagt, dass ich das Treatment im August fertig hätte, aber mit der Arbeit im Büro des Bezirksstaatsanwalts schaffte ich das nicht, deshalb hatte ich gekündigt.«
»Euer Ehren, darf ich eine Zwischenfrage stellen?«, fragte Temin, und Cate nickte. Er nahm vom Klägertisch drei dicke schwarze Ordner, auf denen ein mit Hard Drive beschriftetes Etikett klebte. Einen davon gab er Hartford, einen dem Gerichtsschreiber; dann ging er zum Zeugenstand und gab den dritten Marz. »Mr Marz, ist das das Treatment, das Sie schrieben und Mr Simone gaben?«
»Ja«, antwortete Marz, nachdem er den als Beweisstück zugelassenen Ordner aufgeschlagen und durchgeblättert hatte. Temin wandte sich erneut an ihn.
»Hat Mr Simone sich während des Essens Notizen gemacht?«
»Nein.«
Temin ließ diese Aussage wirken. »Und was geschah dann?«
»Dann sagte Mr Simone –«
»Einspruch! Hörensagen!«, rief Hartford, der seinen teuren Federhalter in der Hand hielt. Temin erstarrte.
»Es ist kein Hörensagen, Euer Ehren!«
»Abgelehnt.« Cate wandte sich an Marz. »Bitte, fahren Sie fort.«
»Er sagte, dass er alles für die Produktion vorbereiten würde, und wenn er alles fertig hätte, würde er mich anrufen. Er war sehr aufgeregt, und wir trafen eine Vereinbarung.«
»Einspruch gegen diese Charakterisierung, Euer Ehren!«, rief Hartford noch lauter. Er stand auf. »Es gab in diesem Fall keine Vereinbarung!«
»Doch, die gab es!«, entgegnete ihm Temin nicht minder lautstark, und Cate hob ihre Hand wie ein Stoppschild.
»Genug davon, Gentlemen. Der Einspruch ist abgelehnt. Mr Hartford, der Kläger kann bei seiner Zeugenaussage seine Sicht der Geschichte darlegen, genauso wie Ihr Mandant. Keiner wird benachteiligt. Das sehen Sie doch ein, oder?« Cate machte eine Handbewegung zu Temin hin. »Weiter, bitte.«
»Mr Marz, worin bestand die Vereinbarung zwischen Ihnen und Mr Simone?«
»Sie bestand darin, dass er meine Idee als Fernsehserie produzieren würde, und er sagte: ›Wenn ich Geld verdiene, verdienst du mit.‹«
»Das sagte er genau so?«, fragte Temin, und am Tisch des Beklagten schüttelte Hartford in stummer Entrüstung den Kopf. Simone blieb stoisch.
»Wörtlich«, antwortete Marz.
»Ist es möglich, dass Sie ihn missverstanden? Sie sagten aus, dass Sie Champagner getrunken hatten. Vielleicht sagte er: ›Gib mir die Serviette?‹«
»Nein, ich hörte ihn vollkommen deutlich. Außerdem hatte er die Serviette schon.«
Die Jury lachte, und die Zuschauer im Saal lachten ebenfalls. Temin versuchte offenbar, dem Kreuzverhör, das folgen würde, die Spitze zu nehmen, aber Cate glaubte nicht, dass das etwas nützen würde. Sie stützte ihr Kinn auf die Faust und verbarg ihre Besorgnis.
»Mr Marz, im Ernst, wieso können Sie so sicher sein?«
»Weil ich mich schon gefragt hatte, wann wir zum Thema Geld kämen. Meine Frau hat immer wieder zu mir gesagt, ich sollte ihn endlich danach fragen, aber es war nie der richtige Zeitpunkt.« Marz errötete, und seine Frau senkte den Blick. »Und als er das dann sagte, wusste ich, dass wir eine richtige Vereinbarung getroffen hatten.«
»Haben Sie und Mr Simone diese Vereinbarung schriftlich festgehalten?«
»Das brauchten wir nicht. Wenigstens glaubte ich, dass wir es nicht brauchten.« Marz zog die Brauen zusammen. »Wir sind Freunde, waren Freunde. Er war mein Studienberater an der Universität. Ich vertraute darauf, dass er sich um mich kümmerte.« Marz schob die Lippen vor, und seine Enttäuschung schien zwischen ihm und den Geschworenen in der Luft zu hängen.
Cate konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, etwas dazu zu äußern; stattdessen schrieb sie auf den vor ihr liegenden Block: HAST DU IM STUDIUM NICHT GELERNT, DASS MAN ANDEREN NICHT TRAUEN DARF?
Temin sagte: »Mr Marz, einige Geschworene verstehen vielleicht nicht, dass Sie, als juristisch gebildeter Mensch, so weit gegangen sind, ohne an eine schriftliche Vereinbarung zu denken. Was würden Sie dazu sagen?«
»Ich würde sagen, dass sie recht haben, aber juristisch gebildete Menschen sind auch nur Menschen.« Marz wandte sich erneut an die Jury. »Ich gebe zu, dass ich den Kopf verloren habe, als das mit Hollywood so konkret wurde. Er hat ein Flugzeug. Einen Wagen mit Chauffeur. Er kennt all diese Berühmtheiten. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, etwas darzustellen. Vielleicht bin ich naiv gewesen, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Art Simone mir meine Serie gestohlen hat.«
»Keine weiteren Fragen«, sagte Temin, doch Hartford war schon aufgesprungen.
»Ich beantrage Kreuzverhör, Euer Ehren.«
Cate nickte, und Hartford ging mit raschen Schritten zum Zeugenstand, den Temin gerade verlassen hatte. Er begann in scharfem Ton: »Mr Marz, nur ein paar kurze Fragen zu dieser angeblichen Vereinbarung. Sie geben zu, dass sie nie schriftlich niedergelegt wurde?«
»Es war eine mündliche Vereinbarung. Mündliche Vereinbarungen werden jeden Tag getroffen.«
Cate nahm wieder ihren Stift. BITTE, LIEBER GOTT, HILF IHM. SIEHST DU NICHT, DASS ER EINE JARMULKE TRÄGT?
Hartford wurde deutlicher. »Mr Marz, ich wiederhole: Es gab keine schriftliche Vereinbarung. Ja oder nein?«
»Nein.«
»Und Sie und Mr Simone sprachen auch nicht über die Bestimmungen dieser Vereinbarung, oder?«
»Ich erwähnte es bereits. Er sagte: ›Wenn ich Geld verdiene, verdienst du mit.‹«
»Vielleicht haben Sie mich missverstanden.« Hartford straffte seine gepolsterten Schultern. »Was ich meinte, war: Sie und Mr Simone sprachen nicht über einen bestimmten Preis für Ihre Idee, oder?«
»Ich hatte ihm doch das Treatment für Hard Drive schon gegeben«, erläuterte Marz.
»Ich stelle meine Frage anders. Sie und Mr Simone haben nicht über einen bestimmten Preis für Ihre Idee und Ihr Treatment gesprochen, oder?«
»Nein.«
»Sie besprachen nicht, wann, wo oder wie die Bezahlung vor sich gehen würde?«
»Nein.«
»Sie besprachen nicht, wer Sie bezahlen würde, ob Mr Simone persönlich oder seine Produktionsfirma?«
»Nein.«
»Also besprachen Sie keinerlei Einzelbestimmungen dieser angeblichen Vereinbarung bei diesem Essen?«
»Nein.«
»Wie steht es mit den Telefonaten und den E-Mails, die Sie wechselten und über die Sie letzte Woche Ihre Aussagen machten?«
»Nein, wie ich schon sagte, weil –«
»Ja oder nein.«
»Nein«, antwortete Marz zögernd. Sein Mund war wieder ein elastischer Strich, und die Geschworenen blickten ihn mit einem einheitlich teilnahmsvollen Stirnrunzeln an. Sie würden nicht nur dafür votieren, dass Simone Schadenersatz leistete, sie hätten ihn am liebsten geteert und gefedert gesehen.
»Keine weiteren Fragen«, sagte Hartford und beendete damit das Kreuzverhör schneller, als irgendjemand, außer Cate, erwartet hatte.
»Wollen Sie den Zeugen noch etwas fragen?« Cate wandte sich an Temin.
»Ja, Euer Ehren.« Temin kehrte zum Zeugenstand zurück und stellte noch eine Reihe von Fragen, die nichts Neues brachten, und Cate gab aus Gründen der Symmetrie zwei Einsprüchen Hartfords statt. Doch Marz’ Aussagen änderten nichts, und am Ende schloss sie die Sitzung zur gewohnten Zeit und verkündete die Mittagspause.
Als sie aufstand, nahm sie ihren Notizblock mit, auf dem sie geschrieben hatte: GIBT ES NUR NOCH IM FERNSEHEN GERECHTIGKEIT?