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ОглавлениеMr Simone, könnten Sie uns bitte etwas über Ihren Werdegang erzählen?«, fragte Hartford.
»Gern. Ich stamme aus Reno und absolvierte die Universität in Las Vegas. Meinen Abschluss machte ich in englischer Literatur. Sie wissen ja, was das heißt, wenn man sich für einen Job bewirbt.« Simone setzte ein schiefes Lächeln auf. »Hallo, hier bin ich, ich kann den ganzen Hamlet auswendig, darf ich bei Ihnen Teller waschen?«
Durch die Zuschauerreihen lief ein Kichern. Besonders auffällig kicherten die rothaarige Juryberaterin und die Praktikantin des Beklagten, Micah Gilbert. Sie war etwa Anfang dreißig und hatte die Beine in den eng anliegenden Hosen übergeschlagen; ihr dunkles Haar fiel ihr offen und sexy bis auf die Schultern. Sie schrieb fast ständig mit, und Cate fragte sich, ob der eifrige Einsatz für ihren Chef sich wohl auf die beruflichen Pflichten beschränkte.
»Dann schrieb ich mich in Philadelphia für Jura ein, aber obwohl es mir immer Spaß machte, Fallbeschreibungen zu studieren, hatte ich von diesem Studium bald die Nase voll. Bis heute begreife ich nicht, wie es Juraprofessoren immer wieder schaffen, aus Sieg und Niederlage, Leben und Tod, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit etwas so tödlich Langweiliges zu fabrizieren.« Simone verzog spöttisch das Gesicht, aber seine schmale Hand mit einem breiten goldenen Ehering blieb ruhig auf dem Rand der polierten Tischplatte liegen. »Ich habe immer wahnsinnig gern ferngesehen. Deshalb bin ich nach L. A. gezogen und habe mir dort einen Job gesucht. Zuerst war ich so eine Art Mädchen für alles, dann habe ich allmählich immer mehr gelernt und produzierte schließlich meine eigene Reality-Show, die ich an verschiedene Kabelsender verkaufte. Und dann fing ich an, die Serie Recht @ Gesetz zu schreiben und zu produzieren.«
Hartford schlug eine neue Seite in seinem Notizbuch auf. »Mr Simone, Sie haben gehört, dass Mr Marz aussagte, er sei der Urheber der Idee für die Serie gewesen, aus der schließlich Recht @ Gesetz geworden ist, nicht?«
»Ja, das habe ich gehört.«
»Stimmt das?«
»Nein.« Simones spöttischer Ton verschwand. »Nein. Absolut nicht.«
Cate sah, dass sich Marz an seinem Tisch vorbeugte.
»Mr Simone, wie kam Ihnen die Idee für Recht @ Gesetz?«
»Einfach so. Eines Tages stand ich unter der Dusche, und der Gedanke kam mir, dass keine der aktuellen Gerichtsserien sich damit beschäftigt, wie Anwälte und Verteidiger wirklich arbeiten. Da sagte ich mir, wenn ich das sehen will, muss ich es wohl selbst schreiben, und so beschloss ich, es zu tun.«
»Haben Sie beim Schreiben irgendjemanden oder irgendetwas kopiert?«
»Selbstverständlich nicht. Lassen Sie mich noch einmal das zusammenfassen, was auf der Hand liegt. Es gibt kein Copyright auf die Idee einer Gerichtsserie, und zu dieser Zeit liefen im Raum Los Angeles bereits vier Serien, in denen Anwälte die Hauptpersonen waren. Marz hat das nicht erfunden, und ich genauso wenig. Eigentlich lag der Anfang schon bei Perry Mason. Ich lebe in derselben Welt wie jeder andere, und die Idee zu der Serie fiel mir ein, weil so etwas offenbar in der Luft lag.« Simone beugte sich etwas nach vorn, während er mit zunehmender Leidenschaft argumentierte, obwohl Hartfords leicht verwirrter Gesichtsausdruck zeigte, dass sein Mandant von dem abwich, was sie vor der Verhandlung abgesprochen hatten. »Verstehen Sie? Ich meine, dass ich von meiner eigenen Wirklichkeit beeinflusst wurde, meinem eigenen Leben. Hier, zum Beispiel, werde ich mit diesen absurden Vorwürfen überhäuft, und auf dem Richterstuhl sitzt eine attraktive Richterin, die wirklich das Zeug dazu hat, ein Star zu werden.« Simone wandte sich unvermittelt zum Podium. »Sie werden mir diese kleine Schmeichelei hoffentlich nicht übelnehmen, Frau Richterin?«
Cate errötete. So etwas hatte sie nicht erwartet. »Ist das für unseren Fall relevant?«
»Ja, natürlich. Ich versuche doch gerade zu erklären, dass meine Ideen oft direkt aus dem Leben gegriffen sind. Ich könnte, zum Beispiel, genau diesen Prozess hier in eine Fernsehserie verwandeln. Dazu bräuchte ich bloß ein Treatment in der Art von Recht @ Gesetz zu schreiben und es, sagen wir, Frauen in Roben, nennen. Und die Hauptfigur wäre eine blonde Richterin, die in vielerlei Hinsicht so ähnlich ist wie Sie, Ms Fante. Attraktiv, voller Charisma. Die interessanteste Person in diesem Gerichtssaal. Was meinen Sie?«
Cate wurde steif bei so viel offensichtlicher Schöntuerei, doch die Geschworenen und die Zuschauer warteten atemlos auf ihre Reaktion. Die meisten Bundesrichter hätten Simone wahrscheinlich einen Verweis erteilt, aber das hätte die Situation nicht entschärft. Sie antwortete: »Wirklich eine großartige Idee. Als Besetzung für mich würde ich Charlize Theron vorschlagen.«
»Einverstanden!«, rief Simone, und alle anderen fielen in sein Lachen ein.
Hartford räusperte sich. »Schön, Mr Simone. Waren Sie je mit Mr Marz befreundet?«
»Nein, nicht im Mindesten. Ich war mal sein Tutor, das ist alles. Eigentlich hatten wir in all diesen Jahren kaum Kontakt. Wir standen uns nie nahe.«
Am Tisch des Klägers runzelte Marz die Stirn, und seine Frau sah ebenfalls wenig glücklich aus.
Hartford fragte: »Waren Sie hier im Saal anwesend, als Mr Marz aussagte, er habe sich drei Mal mit Ihnen getroffen?«
»Ja, das habe ich gehört, aber was bei diesen Treffen stattfand, war nicht das, was Mr Marz behauptete. Als wir uns im Juni sahen, sagte mir Mr Marz, dass er eine Idee für eine Fernsehserie habe, und ich habe ihm zugehört, weil er ein netter Kerl ist und seine Lage ziemlich schlimm war. Er war ja bei der Bezirksstaatsanwaltschaft angestellt, aber dort lief es nicht gut für ihn und –«
»Einspruch«, unterbrach ihn Temin.
»Abgelehnt.« Cate schüttelte den Kopf, und Simone fuhr fort, bevor sie ihm das Wort erteilte.
»Mr Marz sagte, er wolle sich beruflich neu orientieren. Ich dachte, ich würde ihm einen Gefallen tun, wenn ich ihm zuhörte. Aber das war auch schon alles. Ich habe ihm nichts versprochen und nichts angeboten.« Simone wandte sich in erregtem Ton an die Geschworenen. »Seine Idee hat mit meiner Serie nichts zu tun. Ich hatte schon länger am Script für Recht @ Gesetz gearbeitet, als wir uns trafen, und ich hatte bereits beschlossen, dass der Schauplatz Philly ist, weil ich die Stadt gut kenne. Es ist purer Zufall, dass auch sein Drehbuch unter Anwälten spielt. Welche Gerichtsserie heutzutage spielt denn nicht unter Anwälten? Nehmen Sie nur Law & Order, Monk oder Die Sopranos. Das läuft doch alles auf der gleichen Schiene.«
Die Geschworenen sahen nicht überzeugt aus. Offenbar hatte Simone den Glaubwürdigkeitstest nicht bestanden. Selbst der Deputy hatte den Blick gesenkt und schien mit der Prüfung seiner Fingernägel beschäftigt zu sein.
»Mr Simone, wir springen jetzt zu dem letzten Treffen im Le Bec Fin. Sie haben gehört, dass Mr Marz aussagte, Sie und er hätten bei diesem Treffen ein Geschäft gemacht. Angeblich sagten Sie zu ihm: ›Wenn ich Geld verdiene, verdienst du mit.‹ Haben Sie seine Aussage gehört?«
»Ja, ich habe sie gehört, aber das stimmt absolut nicht. Wir vereinbarten nichts, es gab keine geschäftliche Abmachung irgendeiner Art. Ich hatte nie die Absicht, seine Idee oder sein Treatment zu kaufen, und ich habe auch nichts in dieser Art gesagt. Und ganz bestimmt habe ich nie und nimmer gesagt: ›Wenn ich Geld verdiene, verdienst du mit.‹«
Am Tisch des Klägers versuchte Marz krampfhaft, die Fassung zu bewahren. Temin berührte seinen Arm, um ihn zu beruhigen.
Hartford fragte: »Haben Sie über einen Preis verhandelt? Gab es Überlegungen darüber, wie viel Sie Mr Marz für seine Idee bezahlen würden?«
»Nein, überhaupt nicht. Er hatte seinen Job bei der Bezirksstaatsanwaltschaft gekündigt, um an seinem Treatment zu arbeiten, und ich hörte ihm zu und nickte und sagte ja, ja, aber das ist alles, was ich tat, um ihm ein bisschen Mut zu geben. Ich wollte ihn aufheitern.«
»Und hat es funktioniert?«
»Ein paar Flaschen Dom Perignon heitern jeden auf.«
Die Geschworenen lachten nicht. Cate wusste, dass ihnen der Name nichts sagte. Ihr hätte er auch nichts gesagt, wenn sie nicht schon längere Zeit unter Anwälten zugebracht hätte.
Mr Hartford notierte sich etwas. »Lassen Sie mich noch Folgendes fragen: Wenn Sie seine Idee nicht kaufen wollten, warum nahmen Sie dann seine Arbeitsunterlagen an?«
»Es war unmöglich, ihm das abzuschlagen. Er drängte sie mir auf, also nahm ich sie an mich. Sobald ich das Restaurant verlassen hatte, warf ich sie in die nächste Mülltonne.«
Marz machte eine Bewegung, als wollte er sich von seinem Sitz erheben. Seine Frau beugte sich vor.
»Gut, und schließlich möchte ich noch wissen, ob und wann Sie das nächste Mal etwas von Mr Marz hörten?«
»Nach dem letzten Treffen hat er noch ein paarmal versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen, aber ich reagierte nicht. Ich hatte viel zu tun, und er fragte mich, ob ich sein Treatment gelesen hätte, was ich verneinte. Als Recht @ Gesetz erfolgreich geworden war, schrieb mir Mr Marz einen Brief, in dem er behauptete, ich hätte ihm seine Idee gestohlen. Dann strengte er diese Klage gegen mich und meine Produktionsfirma an.« Simones Stimme klang verärgert. »Aber Sie wissen ja, Undank ist der Welten Lohn.«
»Vielen Dank, Mr Simone.« Hartford klappte seinen Block zu und sah zu Cate. »Euer Ehren, ich habe keine weiteren Fragen.«
»Ich beantrage Kreuzverhör, Euer Ehren.« Temin war aufgesprungen.
»Nur zu«, sagte Cate, und der Anwalt des Klägers begann in feierlichem Ton, den Beklagten erneut zu befragen, was allerdings nicht das Geringste an der Sache ändern konnte. Die Meinungen standen fest, wenigstens die ihre.
Hartford stand auf. »Euer Ehren, der Beklagte stellt den Antrag auf richterliche Entscheidung ohne Anhörung der Jury.«
Termin sagte: »Euer Ehren, der Kläger ist gegen diesen Antrag.«
Cate schlug mit dem Hammer auf den Tisch. »Beweisführung und Plädoyers morgen früh um acht, Gentlemen.«
Dann stand sie auf und sah im Hinausgehen auf die Uhr. Es war 17 Uhr 05. Sie musste sich beeilen.
Ihr Termin wartete.