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LAUDATIO FÜR LOTTE TOBISCH ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DES PROFESSORENTITELS, gehalten von Kammerschauspielerin Annemarie Düringer am 5. November 1996

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Herr Minister, Herr Generalsekretär, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Lotte!

Ich muss gestehen, dass ich bis zu dem Zeitpunkt, da man mich beauftragt hat, eine Laudatio zu halten, nicht genau wusste, was dieser Begriff in seinem ganzen Umfang und Ernst bedeutet − es ist mir natürlich nicht entgangen, dass anlässlich von Ehrungen, wie der heutigen, jeweils auch eine gediegene Rede gehalten wird, und ich mir still dabei dachte − aha − jetzt wird gelobt!

Ich folge gerne dieser Tradition und es wäre somit der Moment gekommen, das reiche, wunderbare und wundersame Lebensalbum von Lotte Tobisch aufzublättern, aber schon zögere ich, dies zu tun, denn in den letzten 15 Jahren ist Lottes außergewöhnliches Curriculum Vitae jeweils ab Anfang Jänner bis zum Tag des Opernballs im Februar in sämtlichen einschlägigen Gazetten, Zeitschriften, Hochglanzpostillen sowie TV- und Radiosendungen beschrieben, besprochen bzw. abgelichtet worden. Alle Jahre wieder zierte ihr Bildnis Titelseiten, mit strahlendem Lächeln und mattem Schimmer edler Perlen um den Hals und Decolleté, gefolgt von Interviews, Aufsätzen und Beschreibungen der feinsten Art, diese verfasst von journalistischen Koryphäen wie zum Beispiel: Inge Santner, Susanne Zanke und auch von unserem über alles geliebten Tier- und Landschaftsschützer Prof. Antal Festetics − um nur einige Namen zu nennen. Sie erzählten von Lottes einmaligen Verdiensten um das Faschingsgroßereignis des Jahres und sie erwähnten Lottes jahrhundertealten Stammbaum, berichteten von ihrer reizvollen Jugend und der Schauspielkarriere, ihren Erlebnissen in Kriegs- und Nachkriegszeiten, beschrieben ihre Burgtheatertätigkeiten, deuteten dezent Privates an und nannten ihre Freundschaften mit kostbaren Männern der Geisteswelt − kurz, all dieses und mehr war alljährlich nachzulesen − und da ich in diesem Auditorium auch Leser vermute, scheint mir hiermit der Hauptteil einer Laudatio bereits erfüllt.

Gestatten Sie mir dennoch, sehr verehrte Damen und Herren, dieser offiziellen Laudatio einige persönliche Anmerkungen hinzuzufügen.

Lotte und ich kennen uns seit 47 Jahren und in all dieser Lebenszeit ist Lotte für mich interessant, aufregend und bemerkenswert geblieben. In all diesen Zeiten habe ich in meiner Kollegenschaft niemanden kennengelernt außer ihr, mit dem ich stundenlang über die Dinge des Lebens, dessen Werte und dessen Sinnfälligkeiten hätte sprechen können: Gedanken austauschen über die Licht- und Schattenseiten unseres Daseins − frei von jedem öden Theatertratsch und Alltagsklatsch. Nach solchen gemeinsamen Gesprächen fanden sich verschobene Gewichte wieder zurechtgerückt, was, anders ausgedrückt, heißen soll: Es gibt noch Wichtigeres auf der Welt als das Theater!

Ich darf Ihnen an dieser Stelle auch verraten, mit den genauen Kenntnissen unserer jahrelangen Gespräche und mit unserer mehr als 40-jährigen Branchenerfahrung, dass wir beide das Burgtheater ganz fabelhaft geführt hätten.

Verwunderlich, dass das noch niemandem eingefallen ist. Ich versuche dieses historische Versäumnis dahingehend zu erklären, dass wir eben nur schwache Frauen sind.

Es wäre da auch Lottes Risikofreudigkeit mit ihrer eigenen Gesundheit anzumerken. Abgesehen von ihrem energievollen Einsatz und kräfteraubenden Schwung, mit welchem sie alle Unternehmungen angeht. Sie hat nicht nur mit erhöhter Temperatur, sondern gemessenen 38 Grad eine Opernballnacht im wahrsten Sinne durchgefiebert!

Sie kaut auch unentwegt Gummibärchen − die Farbe spielt dabei keine Rolle − und sie gefährdet somit zur Freude ihres Dentisten interne Füllungen; das Rauchen hat sie sich damit abgewöhnt, aber diese überwundene Sucht leider durch eine neue ersetzt. So viel über die unerforschliche Selbstzerstörung eines wachen Geistes.

Auch auf ein physikalisches Wunder möchte ich zu sprechen kommen: das Phänomen der Strahlung. Das schöne blonde Wesen, sie war es schon immer − und sie ist es zu meiner Konsternation geblieben. Was wir anderen Schauspieler nur sehr schwer mithilfe von Scheinwerfern und Schminke erkämpfen, sie hat sie − die Ausstrahlung −, wo immer sie auftritt bzw. erscheint, Lotte Tobisch wird sofort bemerkt und wahrgenommen. Ihr ist die Kraft zu leuchten gegeben, ihre inneren Lampen zünden.

Auch über die Willkür des Glückes möchte ich im Zusammenhang mit Lotte eine Anmerkung machen. Ich spielte einst in dem Stück »Empfindliches Gleichgewicht« und hatte in meinem Text irgendwann den Namen Nescafé rühmend zu erwähnen. Zu meinem Vorteil muss in einer Vorstellung ein Werbeleiter der nämlichen weltberühmten Firma gesessen haben. Jedenfalls erhielt ich nach einiger Zeit (wohl nach Absprache mit der Konzernleitung) einen höflichen Dankesbrief mit Gutschein für eine Dose Nescafé, einzulösen in einer Filiale meiner Wahl.

Anders Lotte Tobisch: In einer Nebenbemerkung über Körperpflege anlässlich eines ihrer ungezählten Interviews fällt der Name NIVEA. Diese Firma lässt sich nicht lumpen und versorgt die Tobisch mit Packungen ihres Produktes, welche bis zum Ende des Jahrtausends reichen werden, vermutlich weit darüber hinaus.

Müsste ich diese Tatsache kommentieren, würde ich mit folgendem Aphorismus aus Goethes posthum erschienener Spruchsammlung »Maximen und Reflexionen« abschließen: »Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.«

47 Jahre kennen wir uns beide − 47 Jahre ist eine lange Zeit, und da ist viel geschehen mit und um uns herum, aber unsere Freundschaft hat gehalten. Der Grund dafür ist wohl: Treue, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Humor − rare Charakteristika, aber noch vorhanden, und Lotte Tobisch darf sie ihr Eigen nennen. Ja, und außerdem Nachsicht. Ihr kann ich sagen: Behäng dich nicht jeden Tag und zu den unpassendsten Gelegenheiten wie ein Pfingstochs mit all deinen goldenen Ketten, schlag nicht beim Diskutieren mit all deinen goldenen Ringen auf fremder Tische Hochglanzpolitur …

Sie geruht mir darauf lakonisch zu entgegnen: Ach du mit deinem Schweizer Charme, versuch du lieber, nicht so oft auszuschauen wie’s Hendl unterm Schwaf. Solche Artigkeiten können wir uns sachlich unterbreiten, ohne dass eine Freundschaft einseitig aufgekündigt wird.

Ich nähere mich nun langsam der Kernfrage des heutigen Nachmittags: Warum der Professorentitel? Alter ist kein Verdienst − 70 bin ich auch … Welche Vorzüge und Verdienste sprechen für diese Ehrung?

Nennen wir doch einfach den Opernball: Wer weit über ein Jahrzehnt mit der High Society auf dem Opernball umgeht, ich meine dort, wo die Luft am dünnsten ist, ohne Atembeschwerden zu bekommen, der kann nicht nur über eine robuste Gesundheit verfügen, sondern vor allem über großes Wissen, Würde, Takt und Diplomatie. An Feinden hat es Lotte nicht gefehlt, doch wer sich fürchtet, der muss sich ein anderes Metier suchen.

Sie hat bestanden. Mit der vollendeten Betreuung dieser berühmten Veranstaltung hat sie sich in der Öffentlichkeit und in internationalen Fachkreisen Geltung und großen Respekt verschafft.

Ihr größter Triumph: das gnostische Element − Lotte Tobisch beendet das Opernball-Management zu dem Zeitpunkt, wo die Erkenntnis kam: Der Zenit ist erreicht!

Wer kann und in der Lage ist so zu handeln, deshalb, so meine ich, für diese besondere Haltung ist die heutige Ehrung gerechte Anerkennung.

Wir gratulieren dir Herzlich!


Die neue Frau Professor mit ihrer Laudatorin

Alter ist nichts für Phantasielose

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