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BURGTHEATER

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»Bewundert viel und viel gescholten …«

Johann Wolfgang von Goethe, »Faust II«

Ich habe nie behauptet, eine wirklich gute Schauspielerin gewesen zu sein, aber ich glaube sagen zu dürfen, dass ich vom Theater einiges verstehe und ein Wissen über unseren Beruf erworben habe. Ich hatte eine gute Ausbildung in Wien, in einer vom Theater besessenen Stadt, zu einer Zeit, als viele der »Großen« unseres Berufsstandes noch unter uns waren. Legendäre Vorstellungen mit Schauspielern, von denen man in Theaterkreisen heute noch schwärmt, waren für mich und die, die mit mir jung waren prägende Erlebnisse. Man soll nicht alles, was alt und vergangen ist, verherrlichen, aber man soll es auch nicht vergessen oder, noch schlimmer, missachten.

Man verzeihe, wenn ich noch mit 90 Jahren an die Besonderheit des Burgtheaters glaube, das dieser Stadt und diesem Land so viel Beglückung und Selbstwertgefühl gespendet hat. Wer dies nicht nachzuvollziehen vermag, kann sich auch nicht vorstellen, um wie viel ärmer das Kulturland Österreich ohne dieses Haus gewesen wäre.

Wer die Geschichte des Burgtheaters kennt, weiß, dass es seit seiner Gründung 1776 immer wieder totgesagt wurde. Kritiker, Besucher sowie Nichtbesucher waren sich seit jeher darin einig, dass der Direktor falsch besetzt ist und das Haus als solches reformiert gehört, damit das Burgtheater wieder zu dem wird, was es angeblich (aber auch tatsächlich) einmal war: die erste Bühne im deutschen Sprachraum.

Auch die jüngsten Debatten über dieses Theater waren im Grunde nur ein Wiederaufflammen eines 240 Jahre andauernden Krieges, der gelegentlich von längeren oder kürzeren Gefechtspausen unterbrochen wird.

Dass sich das Burgtheater auf dem mit Geltungsbedürfnis, persönlichem Ehrgeiz und überlebten Ideologien übersäten Schlachtfeld immer wieder behaupten konnte, ist ein Beweis dafür, dass die Präsenz und Vitalität des Hauses letzten Endes von jenen, die allabendlich auf seinen Brettern stehen, bestimmt wurde. Denn das Burgtheater, von dem ich hier schreibe, wurde seit seinem Bestehen wie keine andere deutsche Bühne vor allem von seinem Ensemble, das heißt den Schauspielern, repräsentiert. Man hat diese Tatsache mit literarischen, gesellschaftspolitischen und stilistischen Begründungen mit Regelmäßigkeit kritisiert und in den letzten Jahrzehnten gar als Anachronismus abgetan. Aber ich wage zu bezweifeln, dass es fürs Burgtheater von negativer Auswirkung wäre, wenn es, wie seine Schauspieler, zeitnah und zeitgebunden und weniger opportunistisch zeitbezogen und zeitbedingt, wie die meisten seiner Kritiker, dastehen würde.

Wir, die es hautnah erlebten, können bezeugen, was das Burgtheater seinen Schauspielern zu geben vermochte und in welchem Maß die Schauspieler dem Haus dieses Geschenk zurückerstatteten. So hat zum Beispiel die von außen oft angefeindete Vertragssicherheit, die das Burgtheater seinen Mitgliedern bot, nicht bloß deren Versorgung, sondern deren künstlerische Entwicklung ermöglicht. Und wie die Geschichte des Hauses uns lehrt, waren es gerade diese Ensemblemitglieder, die ihm in Kriegs- und Nachkriegszeiten selbstlos die Treue hielten und damit sein Weiterbestehen ermöglichten.

Ich wünsche mir, dass alle, die das Burgtheater lieben, und alle, die es beschimpfen − wobei das eine das andere nicht ausschließt −, sich Gedanken darüber machen, warum und wodurch dieses Theater sich von allen anderen großen, berühmten, längst in die Theatergeschichte eingegangenen deutschen Bühnen unterschieden und immerhin schon 240 Jahre behauptet hat.

Eines aber bleibt sicher unverändert: Ob das Burgtheater sich avantgardistisch oder antiquiert, modern oder modernistisch, laut oder leise präsentiert, alle wissen: »Früher war es viel besser!«


Alter ist nichts für Phantasielose

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