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Lilljehorns Schlaf war leicht gewesen. Das Schnarchen seines Burschen Fritz, dessen Bett von seinem nur durch einen Paravent abgetrennt war, ließ ihn immer wieder hochfahren. Wovon der wohl träumte, träumte er überhaupt? Er mochte Fritz, weil er mit ihm Deutsch sprechen konnte, bevor er sich an seinen Werther setzte. Ja, seit dem gestrigen Abend wusste er, er schrieb jetzt nicht mehr für sich, jedes seiner Worte war nun bedeutsam.

Eine Stunde früher als üblich ließ er sich von Fritz das Frühstück aus der Küche heraufbringen. Zwieback, Kaffee und Butter. Wie immer nahm Fritz Haltung an, wenn er von seinem Herrn einen Befehl erhielt, wenn er Stiefel putzte, Gewehre lud, beim Ankleiden half, Schnallen polierte, Pferde striegelte oder sich einfach unsichtbar machen sollte. Dabei erfüllte ihn eine tiefe Zufriedenheit, denn die Armee war ihm eine gütige und ernste Heimat. Selbst wenn es nicht die große und mächtige Armee des Preußenkönigs war. Die Armee achtete ihn, gab ihm Kost und Logis.

Nach dem Kaffee trat Lilljehorn auf die Straße. Der Winter war zurück. Ihm blieb noch ein halber Tag zum Dienstantritt. Für seine wirkliche Arbeit musste er rasch wach werden. So hoffte er auf die schneidende Kälte. Wohin ihn seine Schritte lenkten, kümmerte ihn nicht. Allmählich wurde es selbst in den schmalen Gassen der Stadt milchig weiß. Er dachte an die letzte Ossian-Szene im Werther: »Armar kam in seinem Grimm, drückt ab den grau befiederten Pfeil, er klang, er sank in dein Herz, o Arundal, mein Sohn! Statt Erath, des Verräters kamst du um, o Arundal, mein Sohn!«

Musste nicht jede empfindsame Seele gerührt werden? Als er aufblickte, stand er vor der Tyska Kirkan. Die Turmuhr schlug sechs, jetzt begann der Morgengottesdienst. Deutsche Handelsherren, Seeleute vor dem Auslaufen und Dienstboten drängten sich in den hölzernen Bänken. Lilljehorn freute sich über jedes deutsche Wort, und die Kantate »Lobe den Herrn, den mächtigen König der Erde« stimmte ihn feierlich.

Nun erklomm ein neuer Pastor aus Stralsund die Kanzel aus Ebenholz und Alabaster. Er hatte den Mann noch nie gehört, der nun mit gepresster Stimme die Geschichte von der Heilung des Wassersüchtigen am Sabbat auslegte. Das Gleichnis sei so zu verstehen, dass die Erzählung vom Wunder, das nicht stattgefunden haben müsse, keineswegs gegen die Vernunft spreche. Denn Jesus als Rabbi und Gelehrter verfügte über Kenntnisse der Kräuter und Arzneistoffe, die er gegen das Vorurteil des Sabbats zur allgemeinen und größeren Glückseligkeit einsetzte. So wie man einen Ochsen, ein Nutztier, am Sabbat aus einem Brunnen ziehen dürfe, müsse man auch am Tag des Herrn das allgemeine Wohl befördern. Nur eine unaufgeklärte Epoche halte starr an der Arbeitsruhe von Sonnabend bis Sonntag fest.

Ungestüm erhob sich Lilljehorn aus seiner Bank und trat ins Vestibül. Dabei stieß er an das Regal mit den Gesangsbüchern, von denen mehrere zu Boden fielen. Als er das erste Buch zurücklegen wollte, fiel ein zusammengefaltetes Papier auf den Boden. Mit sicherem Strich waren da Mann und Frau dargestellt – sie nackt, nach hinten über ein Sofa gebeugt, mit entblößter Scham. In wilder Lust legte sie ihren Kopf in den Nacken, erwartete den Liebhaber. Vor ihr ein schmächtiges Männlein mit Hakennase und ungepflegtem Haar, ebenfalls halb nackt, sein erigiertes Glied knapp vor dem Eindringen. Hinter diesem Mann war eine zweite Figur deutlich zu erkennen, ein hochgewachsener Offizier, jedenfalls stärker und männlicher als die Gestalt vor ihm. Dieser zweite stützte den ersten und führte dessen Glied in die Scham der Frau. Jedes Kind hätte die drei Personen erkannt. Die Frau war die Königin, der schmächtige Mann der König und der Offizier sein Vertrauter aus Jugendtagen, Adolf Frederik Munck. Und um jeden Zweifel zu zerstreuen, war mit ungelenker Hand die Beschriftung hinzugefügt: S. Magdalena, G. III, Munck.

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