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Samstag, 9. November

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Es war mal wieder eine kurze Nacht als Jens von seinem Hund aus dem Bett geholt wurde. Ohne seine obligate Tasse Kaffee machte er sich auf den Weg in den Rudolf-Wilde-Park. Ayla voraus, trabte er mit nicht ganz offenen Augen hinterher.

Zeit seines Lebens hatte sich Jens immer gefragt, woher der Mensch wusste wohin der Hund gehen wollte. Aber irgendwann bekam auch Jens mit, dass »Herrchen« und »Frauchen« einfach nur dem Hund hinterher liefen. Wie jeden Morgen ging es über die Carl-Zuckmeyer-Brücke, die Fritz-Elsas-Straße in Richtung RIAS8, den Fußweg entlang der Kufsteiner Straße und auf die Freiherr-vom-Stein-Straße. Neben einer alten Villa im Gründerstil stand, teilweise durch Bäume und Büsche verdeckt, ein gemauertes Trafohäuschen.

Bisher hatte Ayla dieses Bauwerk meistens ignoriert. An diesem Morgen erweckte es ihr besonderes Interesse. Sie lief in Richtung Trafohäuschen und blieb bellend vor einer, auf der Bank kauernden Person stehen.

Jens konnte seinen Hund kaum beruhigen und nahm ihn an die Leine. Erst dann konnte er sich mit der sitzenden Person beschäftigen. „Bullshit“, murmelte er und in Erinnerung an einen Kinofilm fügte er hinzu, „da trifft die gleiche Scheiße den selben Mann zum zweiten Mal.“

War es Intuition oder einfach nur Gewohnheit, dass er dieses Mal sein iPhone einstecken hatte. Aus dem Adressbuch suchte er sich die Nummer vom Kriminalobermeister Reuter, wählte und als dieser sich mit seinem Namen meldete, legte Jens sofort mit seinem Bericht los. „Mander. Im Volkspark Schöneberg liegt schon wieder eine Leiche. Es würde Sinn machen, wenn Sie ihren Kollegen, die Spurensicherung und einen Leichenwagen mitbringen würden. Ich erwarte sie in der Freiherr-vom-Stein-Straße Ecke Kufsteiner Straße auf der Parkseite. Und - machen Sie schnell, mir ist lausig kalt.“

Offensichtlich hatte Reuter einen guten Tag, denn er stellte keine Fragen, murmelte nur ein „Okay. Wir sind in fünf Minuten da“ ins Telefon und beendete das Gespräch.

Dieses Mal war Jens etwas gründlicher. Er machte mit seinem Smartphone mehrere Fotos von der Leiche, bevor er zum vereinbarten Treffpunkt ging um auf die Polizei zu warten.

Mit Blaulicht und Martinshorn kamen Polizei und Rettungswagen fast gleichzeitig angerast. Keine Minute später kam auch der bekannte Passat der Kripobeamten Mäurer und Reuter mit quietschenden Reifen zum Stehen.

„Wo?“, fragte Reuter ohne ein Wort der Begrüßung und Jens zeigte mit dem Arm nur in Richtung Trafohäuschen.

„Tatort absperren, die Jungs von der SpuSi kommen auch gleich“, rief Mäurer den beiden uniformierten Polizisten zu, die zuerst am Tatort waren. Dem Rettungssanitäter, der sich auf Jens Mander zu bewegte, rief er zu: „Um den brauchen Sie sich nicht kümmern, das erledigen wir“, und folgte seinem Kollegen Reuter. Der zweite Sanitäter trabte mit einem Rettungskoffer in der Hand den beiden Polizisten hinterher.

Jens Mander nutzte die Zeit, um sich mit seinem Hund zu beschäftigen, der gelangweilt zu seinen Füßen lag und vor sich hindöste. „Arme Ayla, jetzt wird es wieder nichts mit einem langen Spaziergang“, murmelte er. „Wir zwei brauchen jetzt Unterstützung.“

Er fingerte sein Smartphone aus der Tasche und wählte eine Nummer.

„Hallo mein Schatz - wie geht es Dir? Hab ich Dich aufgeweckt?“

Ohne auf eine Antwort zu warten legte er gleich los: „Kannst Du Dich mal ein paar Tage um Ayla kümmern? Ich hab da eine grosse Sache am Laufen.“

Die Antwort aus dem Telefon war offensichtlich positiv, denn er beendete das Telefonat mit einem „Okay - bis später“ und beugte sich zu seinem Hund. Mit einem „heute Nachmittag geht‘s zu Frauchen“, streichelte Jens über den Kopf seines Hundes.

Das Problem mit Ayla hatte Jens Mander erstmal entledigt und so setzte er sich auf eine, in der Nähe stehende Parkbank und harrte der Dinge, die da noch kommen würden.

Noch während er seinen Gedanken nachhing und sich nichts sehnlicher als eine Tasse Kaffee und eine Zigarillo wünschte, kam Reuter aus den hinter der Bank wachsenden Büschen.

„Herr Mander, ist Ihnen am Fundort irgendwas aufgefallen? Haben Sie was berührt oder verändert?“

Jens antwortete mit einen schnoddrigen „Nö, hab‘ alles so gelassen wie‘s war.“

Reuter winkte einen uniformierten Kollegen zu sich und mit einem „Kümmern Sie sich mal um den Hund“, nahm er Mander die Hundeleine aus der Hand und reichte sie dem Polizisten. „Der tut nix“, grinste er Mander an, „Nur kraulen, dann hast Du eine Freundin fürs Leben.“ Dann forderte er Jens auf, ihm zu folgen.

„Sind Sie auf Leichen spezialisiert“, versuchte Reuter einen fast kollegialen Ton anzuschlagen. „Es ist so was von unwahrscheinlich, dass ein Mensch innerhalb weniger Tage eine Leiche findet, sie wieder verliert und dann erneut auf eine andere Leiche trifft.“ Sie hatten den Fundort fast erreicht, als Reuter plötzlich stehen blieb, Jens anblickte und fortfuhr: „Das stinkt doch zum Himmel - oder sind Sie da anderer Meinung?“

„Wie meinen Sie das?“, erwiderte Jens. „Das erste war keine Leiche - oder haben Leichen die Angewohnheit vom Fundort zu verschwinden? Und der da?“ Er deutete in Richtung des Trafohäuschens. „Was glauben sie, wie viele Besoffene und Kiffer in diesem Park rumliegen und nur ihren Rausch ausschlafen wollen?“

Jens ging einfach weiter, während Reuter noch sinnierend stehen blieb.

Kriminalkommissar Mäurer hatte die Szene beobachtet und auch den Wortwechsel gehört. Er ging auf die beiden zu. „Der Sani meint, dass der Tod schon vor einigen Stunden eingetreten ist. Die Leichenstarre hat schon eingesetzt“, informierte er seinen Kollegen Reuter. „Frank Stein von der Gerichtsmedizin hat heute Dienst. Der Leichenwagen ist schon unterwegs und Frank wird heute noch eine Leichenschau vornehmen.“

Er wandte sich zu Mander. „Nun zu Ihnen. Wie kommt es, dass Sie schon wieder am Fundort einer Leiche sind?“, fragte Mäurer.

„Also jetzt mal langsam mit den jungen Pferden. Ich habe gestern mein Horoskop für heute gelesen und da stand: Geh in den Park und Du wirst eine Leiche finden“, höhnte Jens. Mander war inzwischen merklich gereizt: kein Kaffee, keine Zigarillo und dann noch solche dämlichen Fragen - das war zu viel für ihn.

„Sie dürfen sich bei meinem Hund bedanken, der hat die Leiche gefunden. Ich hab nur bei Euch angerufen. Das kann mein Hund noch nicht - hat nämlich keinen Daumen um das Telefon zu halten und ich hatte heute noch keinen Kaffee und auch keine Lust mich schräg anquatschen zu lassen“, polterte Jens los.

Mäurer und Reuter sahen sich verblüfft an. Reuter fing sich als erster. Um Jens zu beruhigen, meinte er in seinem grausamen Bayerisch-Imitat: „Ned daß ma redt, ma sagt ja bloß...“

Inzwischen war der Fundort der Leiche und die nähere Umgebung mit Scheinwerfern ausgeleuchtet. Männlich, zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt, schlank, schon fast unterernährt, dunkle Hautfarbe, schwarzes Haar und fürchterlich tot. Den Kopf hatte er zwar noch auf den Schultern, der aber saß oder besser gesagt hing in einem merkwürdigen Winkel an der Wirbelsäule. Am Hals waren einige dunkelblaue Druckstellen zu sehen. Außerdem war eine dünne schwarze Linie auf der Vorderseite des Halses zu erkennen.

Der linke Arm war durch den Körper verdeckt und damit nicht sichtbar ohne die Leiche zu bewegen. Am rechten Arm, der auf seinem Oberschenkel lag, war jedenfalls keine Spur einer Fesselung zu erkennen. Aber Jens wusste, worauf er achten musste und entdeckte am Daumen der rechten Hand tiefe Einschnitte, die nach seiner Meinung von einer Daumenfessel hätten herrühren können.

Der Tote trug nur ein schwarzes T-Shirt und eine mittelgraue Hose - keine Socken, keine Schuhe. Im Schritt der Hose bemerkte Jens einen dunklen Fleck, fast wie bei unkontrolliertem Urinieren.

Jens war noch immer ziemlich gereizt. „Der hat wohl seine Rechnung nicht bezahlt und da hat ihm jemand von der Luftzufuhr getrennt“ kommentierte er seine Beobachtungen. Als würde er die Blicke von Mäurer und Reuter nicht bemerken fuhr er fort: „Saubere Arbeit - so etwas lernt man in der Legion9, beim Special Air Service10, den US Special Operations Forces11, der GSG 912 und beim KSK13.“

Unvermittelt drehte sich Jens Mander um und grinste die beiden Kriminalbeamten an. „Ich vermute mal, im Nacken werden Sie eine großflächige Druckstelle finden. Dafür dürften aber mindestens zwei Nackenwirbel nur mehr undefinierbares Knochenmehl sein.“

Jens setzte sich wieder in Bewegung - Richtung Freiherr-vom-Stein-Straße, wo sein Hund zwischenzeitlich innigste Freundschaft mit dem Polizisten geschlossen hatte und Jens erst bemerkte, als dieser sich neben den Beiden auf die Bank setzte.

Kriminalobermeister Reuter war hinter Jens Mander her gestapft und setzte sich ebenfalls auf die Bank.

„Da haben Sie ja gerade einen gucken lassen“, sagte Reuter, fingerte eine Zigarette aus der Packung und zündete sie an. „Woher wissen Sie das alles?“

„Als Journalist lese ich viel und wenn ich Zeit habe, lese ich auch privat“, bequemte sich Jens nach einer kurzen Pause zu einer Antwort. „Und alles Andere können Sie auch Allgemeinbildung nennen.“

„Jetzt mal Butter bei die Fische, Mander. Wer oder was sind Sie?“

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