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Mittwoch, 13. November

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Am frühen Morgen hatte Rahul per SMS endlich das amtliche Kennzeichen des Mercedes Transporters geschickt, ein weiteres Steinchen im Mosaik.

Jens griff zum Telefon und wählte aus dem Gedächtnis eine Nummer in der Schweiz. Die Nummer gehörte einem Schweizer Versicherungskonzern und der Apparat stand im Leitstand des Rechenzentrums.

„Gruezi Christian, comment ça va mon ami?“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Christian gemerkt hatte, wer ihn da anrief.

„Moin moin Jens, Du lebst auch noch?“

Wie Jens war auch Christian Freelancer und sie hatten in der Vergangenheit in mehreren Projekten zusammengearbeitet. Im Gegensatz zu Jens hatte Christian sich auf seine alten Tage eine Festanstellung als Betriebsführer geangelt.

In den folgenden Minuten tauschten sie sich über ihre jeweiligen Lebenssituationen aus und versprachen sich den obligaten gegenseitigen Besuch für den Fall, dass der eine mal in der Nähe des anderen sei.

„Jens, Du rufst doch nicht nur an um mit mir Smalltalk zu machen. Was kann ich für Dich tun?“

Jens versicherte Christian, dass er in erster Linie wegen ihrer Freundschaft angerufen habe. „Aber wenn Du mich so direkt fragst, kannst Du mal über Deine Verbindung ein PKW-Kennzeichen checken?“ Jens nannte ihm das Berliner Kennzeichen. „Ein schwarzer Mercedes Vicano.“

„Das tönt harter Arbeit. Wie schnell brauchst Du eine Antwort?“, kam aus dem Telefon zurück und wie unter den beiden üblich sagte er: „So schnell wie möglich, aber nicht gestern.“

Seine Antwort dauerte wieder ein paar Sekunden.

„Ich schau mal, was ich machen kann. Wenn ich was habe, schicke ich Dir eine E-Mail. Wird aber ein paar Stunden dauern. Und jetzt halt mich nicht von meiner Arbeit ab.“

Das war für Jens das Zeichen, dass er tunlichst aus der Leitung verschwinden solle und so verabschiedeten sich die beiden mit den zwischen ihnen üblichen scherzhaften Grobheiten.

Nachdem Jens aufgelegt hatte, zog er sein MacBook aus der Tasche und schaltete es ein.

„Okay, das ist erledigt. Jetzt wollen wir mal sehen, dass wir Informationen über den Pandit Nehru ran kriegen.“

Reuter hatte ihm auf einem Zettel die vollständigen Personendaten des Pandit Nehru geschrieben und Jens startete seine Recherchen wieder in FakeBox. Offensichtlich war Pandit Nehru ein sehr gebräuchlicher Name und so konnte er erst durch eine Einschränkung auf das Geburtsdatum die Daten des Verstorbenen ausfiltern.

Immer wenn er Recherchen in FakeBox machte fiel ihm auf, wie sorglos doch die meisten Menschen mit ihren Daten umgingen. Die Sorglosigkeit reichte von der Eintragung des Klarnamens bis hin zu Preisgabe von Informationen, die man nicht mal seinem besten Freund oder Freundin anvertrauen würde.

Mander untersuchte das Journal des Pandit Nehru und wurde sofort fündig - es gab eine Verbindung zwischen Mahavir und Pandit. Außerdem bestand eine Verbindung zur m-Face-Casting Berlin.

Unvorsichtigerweise hatten die beiden Verstorbenen auch ihre Twitter-Accounts in ihren Profilen hinterlegt und so konnte Mander auch deren Tweets lesen.

Neben einigen persönlichen Nachrichten von und an Freunde und Bekannte fand Jens eine Reihe von Tweets die m-Face-Casting betreffend. Nichts wirklich informatives, aber insofern interessant, als Mahavir und Pandit nicht ganz blauäugig an die Sache ran gegangen waren, sondern schon im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht hatten, die Firma zu überprüfen oder besser formuliert Leute gesucht hatten, die vielleicht was Negatives zu berichten hatten. Interessanterweise kamen viele Antworten von Menschen, deren Namen und Nicknames auf eine indisch pakistanische Abstammung deutete.

Mit den Erkenntnissen aus Twitter nahm sich Mander nochmals die FakeBox-Journale von Mahavir und Pandit vor. Über ihre Arbeit bei der Castingfirma war da wenig zu lesen. Einen Eintrag in Mahavirs Journal hätte Jens beinahe überlesen. Da stand, dass sie vor jedem Drehtag von einer Krankenschwester eine Spritze in den linken Oberarm bekommen hätten und am Ende des Tages eine Urinprobe abgeben mussten. Erst dann bekamen sie ihre Tagesgage ausbezahlt.

Jens pfiff mit den Zähnen. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er diesen Eintrag überlesen hatte. „Jens, Du Vollpfosten - wie kannst Du nur so dämlich sein?“, schimpfte Jens über seine eigene Nachlässigkeit. „Das wirft ein ganz neues Licht auf die Sache.“

Seit er den Eintrag im Journal gelesen hatte, drängte aus seinem Unterbewusstsein ein Wort immer mehr in sein Bewusstsein.

„Läuft da ein Organhandel mit Lebendspendern?“, fragte sich Jens halblaut.

In seinem Bücherschrank befand sich ein Pschyrembel - medizinisches Wörterbuch. Jens zog es aus dem Regal, setzte sich in seine Sofaecke und begann bei verschiedenen Stichwörtern nachzuschlagen: Transplantation, Organspende, Abstoßungsreaktion und so weiter. Nebenher machte er sich Notizen zu solchen Themen, die er später im Internet weiter recherchieren wollte.

Nacheinander gab er die notierten Stichwörter bei den Suchmaschinen Google, Bing und Yahoo ein. Er quälte sich durch hunderte von Internetseiten, machte sich immer wieder neue Notizen und speicherte interessante Dokumente in einem speziellen Ordner auf seinem Rechner.

Jens war so in seine Arbeit vertieft, dass er kein einziges Mal auf die Uhr sah und erschrak förmlich, dass es schon achtzehn Uhr war, als er seine Recherche unterbrach um sich einen Kaffee zu holen.

Jens Mander war durch das Ergebnis seiner Nachforschungen über Organtransplantation zwar nicht zum Mediziner geworden, aber er verstand zumindest die Grundlagen, die Techniken und die Risiken dieser Thematik. Außerdem hatte er mehrere Texte gefunden, die interessante Informationen über den verbotenen Organhandel enthielten.

Die Summe der Informationen bestätigten sein Rechtsgefühl, dass es in Europa und speziell in Deutschland nahezu ausgeschlossen war, eine Klinik zu finden, die eine Lebendspende eines Organs machen würde. Dafür war die Gesetzgebung zu restriktiv und außerdem gab es zu viele Kontrollen. Aber was für Deutschland galt, galt nicht unbedingt im Ausland und im Raum der ehemaligen UdSSR schon gar nicht.

„Geld regiert die Welt“, dachte Jens „und die russischen Oligarchen haben davon jede Menge.“ Im gleichen Atemzug schimpfte er sich als einen „vorurteilsbehangenen Schubladendenker.“

Für Jens war zu dem Zeitpunkt nur klar, dass die m-Face-Casting die möglichen Spender ausfindig machte und die Selektion vornahm und einer Organ-Mafia zuführte. Aber wie um Himmelswillen wurde das eigentliche Geschäft eingefädelt und vor allem wo wurde es abgewickelt, die Organentnahme und die Transplantation durchgeführt?

Über der Grübelei kam Jens plötzlich eine Idee.

Er öffnete das Adressbuch auf seinem Mac und suchte einen Namen, griff zum Telefon und wählte die angezeigte Nummer.

Jens hatte Glück, denn aus dem Hörer vernahm er die bekannte Stimme seines ehemaligen Kollegen Günni.

„Hey Günni, tut mir leid, dass ich mich schon lange nicht mehr gemeldet habe, hier ist Jens. Jens Mander.“

„Hallo Jens, schön von Dir zu hören. Was gibt‘s denn?“, kam als Antwort aus dem Telefon. „Du rufst mich doch nicht an, weil Du Langeweile hast und einfach mal meine Stimme hören wolltest“, höhnte Günni.

Günni, wie Jens ein Freiberufler, hatte ihn einige Jahre zuvor in ein Projekt geholt um im Auftrag der Lufthansa-Network-Service die Datenbanken des Ticket-Abrechnungsservice zu konsolidieren. Während Jens sich nach dem Ende des Projekts einer neuen Aufgabe zuwandte, war Günni geblieben und hatte die Leitung der Betriebsführung und des Servicedesks übernommen.

„Günni, Du alter Tütenkleber, Du bist mal wieder verdammt direkt. Aber leider kann ich Dir nicht widersprechen“, antwortete Jens. „Kannst Du mal für mich auskundschaften, welche männlichen Personen mit indischen oder pakistanischen Namen in den letzten neunzig Tagen von Berlin, Leipzig oder Dresden nach Moskau geflogen sind?“

„Da verlangt Du aber ganz schön was von mir. Das kostet Dich mindestens zwei Gefallen“, konterte Günni. „Wenn nicht sogar drei.“

„Ach ja und wenn Du schon dabei bist, wann ist ein Alexander Müller oder Alexej Melnikow das letzte Mal in Richtung Moskau geflogen?“, fügte Jens noch schnell hinzu.

Es herrschte einige Minuten Schweigen.

„Bist Du noch dran?“, fragte Jens und war erleichtert, als er Günnis Stimme vernahm.

„Ich hab schon mal nachgeschaut; es wird etwas länger dauern, bis ich die Liste fertig habe. Ich schick sie Dir per E-Mail, vorausgesetzt Du hast noch die alte Mailadresse? So - und jetzt verschwinde aus der Leitung - ich hab zu tun“, blaffte Günni noch ins Telefon und dann war die Leitung tot.

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