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Dienstag, 12. November

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Gleich nach dem Aufstehen startete Jens Mander sein MacBook, öffnete sein Passwort-Programm, markierte den Eintrag für confidential und wählte dann eine der angezeigten Telefonnummern.

„M.B. Personalberatung, Servicedesk“, meldete sich nach ein paar Sekunden eine weibliche Stimme. „Was kann ich für Sie tun?“

Mander nannte eine achtstellige Nummer und bat mit Herrn Roger J. Schwiele verbunden zu werden. Wie er erwartet hatte, teilte ihm die freundliche Stimme am Telefon mit, dass Herr Schwiele im Moment nicht erreichbar sei, aber verständigt werde und ob sie dem Herrn Schwiele schon mal was ausrichten könne.

Jens sagte, sie könne Herrn Schwiele ausrichten, es ginge um ein neues Projekt. Ein Nachbar brauche in seiner Firma einen Analytiker und er würde gerne mit Herrn Schwiele ein Angebot ausarbeiten. Ohne ein weiteres Wort legte er auf.

Seit seinem Ausscheiden aus dem Dienst hatte es Mander immer vermieden, die alten Kontakte abbrechen zu lassen, hatte diese Kontakte bis zu diesem Tag aber nie wieder genutzt.

Er kannte aus seinem früheren Leben das Prozedere, das er mit seinem Anruf in Bewegung gesetzt hatte. Wie erwartet kam nach einigen Minuten der Kontrollanruf und nach weiteren zehn Minuten ein weiterer Anruf, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass Herr Schwiele zufällig in seiner Nähe sei und ob er nicht in einer Stunde in die Berliner Niederlassung kommen könne.

Am Hohenzollerndamm in Berlin befindet sich die Hauptstelle für Befragungswesen, einer Tarnorganisation des Bundesnachrichtendienstes und dort würde Jens Mander einen Kontaktmann treffen. Jens beschloss, da der Treffpunkt nicht weit von einer S-Bahn-Station entfernt war und er eine ganze Stunde Zeit hatte, sein Auto stehen zu lassen und machte sich mit der S-Bahn auf den Weg.

Pünktlich, sechzig Minuten nach dem Rückruf, betrat Mander das Haus am Hohenzollerndamm in Berlin und bat an der Rezeption bei Herrn Roger Schwiele angemeldet zu werden. Bereits zwei Minuten später kam ein älterer Mann mit ausgestrecktem Arm auf Jens zu.

Mit den Worten „Herr Mander? Jens Mander? Herr Schwiele hat Ihren Besuch angekündigt. Bitte folgen Sie mir.“, reichte er Mander die Hand zum Gruß.

Jens behielt seinen freundlich, geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck, erwiderte den Händedruck und nickte kurz. Dann folgte er dem Mann zur Treppe. Jens wollte schon sagen, dass Treppensteigen nicht so optimal sei, da sein linkes Knie nach einem Unfall nicht mehr zu gebrauchen wäre, als sich sein Führer zu ihm umdrehte und ganz beiläufig äußerte, dass das Büro in der ersten Etage sei.

Am Ende des Korridors hielt der Mann einen Ausweis vor einen Kartenleser. Eine Diode am Lesegerät sprang von rot auf grün, dann öffnete sich die Türe mit einem leisen Klick.

„Folgen Sie mir bitte“, sagte der Mann und ging voraus. „Waren Sie schon einmal hier?“

Nachdem die beiden den Raum betreten hatten, schloss sich die Türe automatisch. Jens sah sich in dem Raum um. Die Wände waren mit Aktenschränken vollgestellt. In der Mitte stand ein alter Schreibtisch, dahinter ein moderner Bürostuhl. Auf dem Schreibtisch stand ein Computerbildschirm, davor eine Tastatur und eine Mouse, daneben ein Gerät, das wie ein Flachbettscanner aussah.

„Ihren Personalausweis bitte“, verlangte der Mann. Nachdem Jens das gute Stück aus seiner Geldbörse gefingert hatte, legte der den Ausweis auf den Scanner und drückte er eine Taste. Mit einem leisen Surren wurde der Ausweis eingelesen, dann erhielt Jens seinen Ausweis wieder zurück.

Der Mann warf einen kurzen Blick auf den Monitor, sagte „Okay“ und mit den Worten „Sie können jetzt eintreten“, öffnete er eine weitere Türe, schob ihn durch den Türrahmen und schloss hinter ihm.

„Hallo Jens, Du hast den Schwiele-Code ausgelöst und da ich gerade in Berlin war, haben sie mich geschickt. Willkommen zu Hause.“

Die Stimme kam ihm bekannt vor, die Person passte aber nicht zu seinen Erinnerungen.

„Holger, Holger Stadla. Ist schon ein paar Jahre her und wir sind alle älter geworden.“

Bei der Nennung des Namens Holger gab sein Gedächtnis die Erinnerungen frei.

„Hallo Holger, ich hätte Dich nicht wieder erkannt. Du hast Dir einen ganz schönen Wohlstandsbauch zugelegt. Früher hattest Du auch mal mehr Haare auf dem Kopf.“

„Der Bauch kommt vom vielen sitzen - Innendienst und die wenigen Haare? Macht der sauere Regen!“ Holger grinste Jens dabei an. „Aber Du bist auch nicht hübscher geworden. Für eine Gimpelfalle bist Du auch nur mehr bedingt geeignet.“

Jens hatte Holger während seiner Beamtenausbildung kennen gelernt. Holger war zwei Jahre älter, einen Kopf größer und athletischer als Jens. Irgendwie hatten die beiden sofort einen guten Kontakt zueinander und bald wurden sie im Kollegen- und Freundeskreis nur mehr die siamesischen Zwillinge genannt; wo der eine war, war der andere nicht weit. Als Jens dann anfing für den Dienst zu arbeiten, verloren sie sich aus den Augen um dann Jahre später anlässlich eines beruflichen Zusammentreffens festzustellen, dass sie für den gleichen Verein arbeiteten. Holger als Koordinator und Jens an der Front.

Holger bot Jens eine Tasse Kaffee an und setzte sich an seinen Schreibtisch und forderte Jens auf sich zu setzen.

„Nun Jens, was kann ich für Dich tun?“, fragte Holger.

Jens Mander begann die Ereignisse mit den zwei Leichen zu erzählen. Dabei ließ er die Beichte von Kriminalobermeister Reuter aus, blieb aber mit seinem Bericht nah an den Tatsachen. Einige Informationen aber behielt er für sich »need-to-know-Prinzip«31 hatte ihm seine Ausbilder eingetrichtert.

Holger hörte ihm mit entspannter Mimik zu, machte sich ein paar Notizen, unterbrach Jens aber kein einziges Mal. Nachdem Jens seinen Bericht beendet hatte, nahm Holger einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

„Und wo ist das Problem? Was soll ich jetzt machen?“

„Du kannst Dich doch noch an den Fall Alexej Melnikow erinnern? Russland-deutscher Afghanistankämpfer und Major einer russischen Spezialeinheit mit Verbindung zum KGB.“

„Was ist mit ihm?“

„Eben jener Alexej, Alexander Müller, ist Geschäftsführer der Castingagentur, bei der die beiden Toten unter Vertrag waren.“

Holger brachte die Tastatur seines Rechners in die richtige Position und begann im Ein-Finger-Suchsystem die Tasten zu drücken. Es dauerte einige Zeit bis Holger die Eingaben abgeschlossen hatte und die Sendetaste drücken konnte.

„Aha, das ist ja interessant“, murmelte Holger und nach ungefähr einer Minute nahm Holger das Gespräch wieder auf.

„Unser kleiner Kasache, dieser Schlingel“, begann Holger.

„Einen definitiven Beweis für seine Zugehörigkeit zum KGB konnten wir nie führen. Wir haben ihn auch nie mit den Fingern in der Registrierkasse erwischt. Seit seiner Einbürgerung keine Auffälligkeiten, keine Strafzettel, nichts.

Die Kollegen vom Verfassungsschutz überwachen ihn in unregelmäßigen Abständen, aber er scheint sauber zu sein.

Sein Privatleben läuft nicht so glatt. Zwei Jahre nach seiner Einbürgerung verließ er Frau und Kind und tat sich mit einer viel jüngeren Studentin der Biologie zusammen. Fünf Jahre in wilder Ehe und dann, holter die polter ging es zum Standesamt. Die Familie wohnt heute in Dresden und Brüderchen Alexej fliegt regelmäßig von Dresden nach Moskau und kommt dann über Berlin wieder zurück. Manchmal fliegt er auch von Berlin nach Moskau.“

Holger nahm einen Zettel aus dem Zettelkasten.

„Ich schreib Dir eine Adresse in Dresden auf, mehr kann ich nicht für Dich tun.“ Holger reichte Jens den Zettel. „Aber vergiss sofort, woher Du die Information hast. Out-of-Record. Verstehst Du?“

„Er hat keinen Kontakt zur Botschaft, man könnte fast sagen, er meidet die Botschaft wie der Teufel das Weihwasser. Er kauft nicht mal russische Lebensmittel im Supermarkt, keine russische Zeitung, keine Bücher, keine Filme.

Aber genau diese antirussische Haltung macht ihn für uns verdächtig.

Unsere Freunde von der NSA32 haben ihn, seit seine wahre Identität bekannt wurde, auch aufs Korn genommen, das volle Programm - Bewegungsprofile, E-Mails, Telefon- und Faxverkehr. Aber auch hier ist das Ergebnis frustrierend. Interessant ist nur, dass die zweite Frau Müller, inzwischen Frau Professor ist und Dozentin für Humangenetik an der Uni in Dresden lehrt.“

„Seid ihr nicht auf die Idee gekommen, dass die gute Frau vielleicht die Rolle des Boten übernommen hat?“, warf Jens dazwischen. „Wäre doch ganz einfach im Rahmen von Symposien und Gastvorlesungen auf der ganzen Welt.

Sie sammelt alles ein, er macht handliche Datenpäckchen draus, verschlüsselt sie und bringt das Zeug dann auf einer MicroSD Karte in seinem Handy oder so nach Hause.“

„Pfui Jens, Du hast ‘ne ganz schmutzige Phantasie“ grinste Holger. „Aber auf die Idee sind wir auch schon gekommen - haben sogar seinen Computer gehackt und während er einen seiner mächtigen Räusche in seinem Berliner Appartement ausschlief, haben wir auch sein Handy manipuliert. Aber entweder ist der Junge sauber oder zu gerissen.“

Holger war aufgestanden und hatte sich aus einer Thermoskanne frischen Kaffee eingegossen.

„Du auch?“, fragte Holger und nachdem Jens mit dem Kopf schüttelte, setzte sich Holger Stadla wieder hinter seinen Schreibtisch.

„Jetzt mal ernsthaft.“ Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Ich schlage Dir einen Deal vor.“

Jens Mander hatte sein Pokerface aufgesetzt und blickte Holger unverwandt an.

„Ich versorge Dich mit Informationen für Deinen Fall und Du gibst mir alles, was Du zu Brüderchen Alexej Melnikow alias Alexander Müller rausfindest. Hat er Dreck am Stecken, dann will ich das als erster wissen.“

Jens Mander war von Holgers Angebot überrascht, ließ sich aber nichts anmerken. Das war mehr, als er erwartet hatte und so verkniff er sich einen sarkastischen Kommentar und nickte nur, bevor er ein „Okay - damit kann ich leben“ über die Lippen brachte.

Obwohl die Beiden sich schon sehr lange kannten und viel erlebt hatten, kam keiner auf die Idee über die alten Zeiten zu quatschen und Jens hatte plötzlich das Bedürfnis, das Büro ganz schnell zu verlassen. Mit einen „Abgemacht, ich ruf Dich an“ war er aufgestanden und hatte Holger die Hand zum Gruß gereicht.

Holger drückte schweigend die angebotene Hand, vielleicht etwas zu lang, sagte noch ein „Ich bring Dich raus“ und schob Jens Mander durch die beiden Türen in den Vorraum, wo er von dem selben Mann, der ihn am Empfang abgeholt hatte, schon erwartet und zum Ausgang begleitet wurde.

Als Jens wieder auf der Straße stand beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl. Er konnte es nicht in Worte fassen, aber sein anerzogenes Misstrauen mahnte ihn zu äußerster Vorsicht.

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