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„Break“

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Ich stehe am Eingang zum Saal und schaue mich um. Zu dem Stimmenknäuel und den künstlichen Lachern hat sich der Klang aneinanderstoßender Gläser gesellt. Noch kaum im Raum angekommen, schlägt mir schon eine Hitze entgegen. Die Luft riecht beinahe muffig. Mein Blick wandert zu unserem Tisch. Stefan ist zwischenzeitlich wieder an seinem Platz. Er muss kurz vor mir zurückgekommen sein. Unsere Blicke treffen sich. Sofort strahlt er mir zu und winkt begeistert. Wie soll ich das jetzt nur schaffen? Irgendwie. Ich gehe auf Stefan zu. „Na? Kommst Du jetzt doch wieder?“, fragt er lächelnd. „Natürlich.“, entgegne ich und gebe mich entrüstet. „Ich weiß, Du hattest Sehnsucht nach mir.“, versuche ich möglichst sarkastisch zu äußern. „Und ob, Du Zuckerschnute.“, flüstert Stefan lüstern. Ich muss schmunzeln. Stefan zeigt auf den Tisch: „Hier, das habe ich für Dich gerettet.“ Stolz zeigt er auf eine Schale mit Obstsalat und einem dicken Berg Sahne obendrauf. Ich lächele, schaue ihn an und bedanke mich. Stefan weiß, dass ich das Obst jedem anderen Gericht vorziehen würde. Seine fürsorgliche Geste berührt mich. Bei der vorbeilaufenden Kellnerin ergattere ich noch schnell ein Glas Champagner. Ich brauche jetzt erstmal einen großen Schluck. Oh, herrlich! Wie das prickelt.

Ich setze das Glas gleich ein zweites Mal an, um nebenbei die Gelegenheit zu nutzen mit einem Blick über den Glasrand unauffällig herauszufinden, wo Kollege Henk sich aufhält. Da! Ich habe ihn entdeckt. Mein Herz schlägt laut als ich ihn ansehe. Er steht zwei, drei Schritte vom Tisch entfernt, ebenfalls mit einem Glas Champagner ausgestattet und unterhält sich mit einem, der grauen Eminenz angehörenden oberen Zehntausend. Ich beobachte ihn. Er war mir eben noch so nah und doch komme ich erst jetzt dazu, ihn in Ruhe zu begutachten. Nachdem ich seinen kräftigen Körper gespürt habe, die unglaublich starken Hände, die zotteligen, in jede Richtung stehenden Haare - ich kann ihn mir beim besten Willen nicht als Versicherungsagent vorstellen. Sicherlich lebt er irgendwo als Fischer am Meer. Er ist wirklich nicht der typisch schöne Mann. Dafür hat er Ausstrahlung, und das nicht zu knapp! In einer Hand hält er sein Glas, die andere versteckt sich in seiner Hosentasche. Er ist meine gefährlichste Verlockung auf zwei Beinen. Meine Gedanken wollen sich schon wieder aus dem Saal stehlen. Stefan streichelt meinen Rücken, doch ich nehme es kaum wahr. Ich bin in Gedanken versunken. Dieser Henk schaut mich schon wieder überhaupt nicht an. Als wäre nichts gewesen. Innerlich bin ich zwischen irritiert und wütend sein hin- und hergerissen. „Hast Du denn keinen Appetit?“, Stefan sorgt sich offensichtlich. „Hm? Oh, doch. Natürlich habe ich Appetit. Ich habe meinen Gedanken nur ein ganz klein wenig Auszeit von diesem Saal erlaubt.“ Stefan nickt. Er versteht mich. Irgendwie ist das komisch mit uns. Wir schaffen es bei keinem gemeinsam besuchten Event, dort den kompletten Abend beisammen zu sein. Wir kommen zusammen an, dann ist er hier mal hier, ich bin mal dort, doch am Schluss der Veranstaltung gehen wir wieder gemeinsam nach Hause. Schön, dass keiner von uns eine Klette ist.

Ich ziehe die Schale mit dem bunten, köstlichen Obstallerlei zu mir heran und beginne mit der Untersuchung, welche Früchte sich unter dem großen Sahneberg versteckt haben könnten. Um dem Inhalt Herr zu werden, beginne ich am Rand und arbeite mich dann nach innen vor. Wie erfrischend diese kleinen Stückchen Apfel, Birne, Banane, Ananas, Orange, Weintrauben, Kirschen und viele Sorten mehr doch sind. Feuerrot lockt mich eine Kirsche. Halb mit Sahne bedeckt, fische ich sie aus der Schale. Ein Teil der Sahne wurde durch die Wärme flüssig. Na, toll. Bei meinem Vorhaben die Kirsche in den Mund zu bekommen, tropft etwas flüssige Sahne von der Frucht. Zum Glück nicht auf mein Kleid. Dafür läuft sie an meinen Fingern herunter. Ohne die Etikette zu wahren lecke ich die Sahne von meinen Fingern ab. Während ich sie abschlecke und sauge, sehe ich überrascht in dieses Paar Augen mit dem aussagekräftigen Blick! Aus der Distanz starrt Henk mich an und schaut verträumt zu, wie ich meine Finger ablecke. Okay, ich verstehe! Mit einem Gefühl von Triumph flüstere ich ihm in meinen Gedanken zu: „Das kannst Du haben. Zuerst aber, schau gut zu, nehme ich die Kirsche und spiele mit meinen Lippen und meiner Zunge ein wenig an ihr herum. Ja, ich weiß. Das gefällt Dir.“

Mit einem Schulterklopfer gehen Henk und der sehr seriöse Herr auseinander. Mir wandert ein Schauer über den Rücken, als Henk sich mir gegenüber auf seinen Platz setzt. „Man sagt, Du würdest wiederkommen?“, Stefan scheint sich doch jetzt nicht wirklich mit ihm unterhalten zu wollen? Henk lächelt gelangweilt: „Sagt man das? Dann wird es wohl stimmen.“ „Was hält Dolores davon? Es fällt ihr sicher schwer, Ihre Familie und die grüne Insel für Deutschland zurückzulassen, oder?“ „Ja, Dolores.“, seufzt Henk. „Wir hatten endlose Debatten über das Für und Wider. Letzten Endes ist es einen Versuch wert. Ich würde jedenfalls jederzeit wieder zurück nach Irland gehen.“ Stefan traut sich was: „Wo ist Dolores eigentlich?“ „Krank.“, antwortet Henk knapp. „Ah, verstehe. Dann ist klar, dass Du nicht so spät zurück möchtest. Mir wäre auch nicht nach Feiern, wenn ich wüsste, dass meine Carla krank zuhause im Bett liegt.“ Ich verschlucke mich prompt am nächsten Stück Obst. Stefan schreitet mit festem Klopfen auf meinen Rücken ein und Henk lächelt süffisant. Jetzt weiß ich wofür der Buchstabe D am Lederband steht. Dolores! Klar, wie hätte ich auch annehmen können, dass dieser Mann Single ist und nur auf mich gewartet hat? Dass er eine Dolores hat, gibt mir aber doch einen Stich im Herzen. Was mag das für eine Frau sein? Auf jeden Fall eine glückliche.

Ich habe genug von diesem gefährlichen Salat. „Ich werde mir mal die Hände waschen und danach etwas frische Luft schnappen.“, lass ich die Herren wissen. Es wird dunkel draußen. Die Gäste, die ebenfalls auf der Terrasse stehen und sich unterhalten, schaffen eine gemütliche Biergartenatmosphäre. Ich schlendere über die edlen Bodenplatten zum Terrassenrand. Wunderschön ist es hier. Direkt vor mir beginnt der riesengroße, wunderbar gepflegte Garten. Fast schon ein kleiner Park. Er ist gespickt mit Bäumen, Hecken und Sträuchern, Statuen und liebevoll arrangierten Blickfängen. Mit dem Wunsch den Garten zu erforschen, entledige ich mich meiner Schuhe und betrete barfuß das Gras. Ich bin bereits ein gutes Stück von der Terrasse entfernt, da legt sich wie aus dem Nichts plötzlich eine Hand auf meine Schulter. Ich weiß sofort, wessen Hand das ist.

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