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„Na, toll! Wieder ein Break“

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Wir schauen uns an. Reden kein Wort. Gemeinsam schleichen wir uns verwirrt aus der Nische bis zum ersten Lichtkegel. Wie selbstverständlich trennen sich unsere Wege, damit uns niemand zusammen sieht. Mein Herz pocht immer noch und mein Atem scheint sich nur langsam zu normalisieren. Zurück im Saal bemühe ich mich, möglichst unauffällig zu wirken. Innerlich brodelt es in mir. Jetzt will ich ihn erst recht. Ich gehe hier nicht eher weg, bevor er oder ich, oder wir beide wie ein buntes Feuerwerk explodiert sind. Stefan scheint immer noch in den Fängen seines Chefs zu sein. Am Tisch ist er jedenfalls nicht. Ich brauche einen ordentlichen Schluck Champagner. Mein Frust muss ertränkt werden. „Also wir gehen jetzt.“, höre ich Rieke von hinten kommend sagen. Sie legt eine Hand auf meine Schulter. Ich stelle mein Glas auf dem Tisch ab und schaue hoch zu ihr. Sie schnappt sich Stefans leeren Stuhl und erklärt: „Ich warte noch auf Svenja. Die kann doch nirgendwo aufbrechen, ohne vorher noch einmal auf der Toilette gewesen zu sein.“ „Hat sie denn wenigstens Euer Auto mitgebracht, damit Ihr den langen Heimweg angenehm gestalten könnt?“, frage ich, obwohl es mich überhaupt nicht interessiert. „Na, davon gehe ich aus. Ansonsten hätte ich mich völlig umsonst nüchtern durch diese Pflichtveranstaltung gequält. Wo ist denn Stefan eigentlich? Wollte mich auch noch von ihm verabschieden.“, fragt Rieke und lässt dabei ihren Blick durch den Saal wandern. „Ah!“, ruft sie plötzlich. „Ich habe ihn entdeckt. Oh der olle Hartmann hat ihn sich gekrallt.“ Ohne mir eine Gelegenheit zum Sprechen zu geben, macht sie große Augen, als wäre ihr gerade eine Idee gekommen.

„Oha!“ Jetzt reiße ich meine Augen ebenfalls auf, gespannt, was jetzt wohl kommt. „Ich kombiniere mal. Hartmann hat sich Stefan an den Tisch geholt. Das macht der nicht einfach so. Dazu noch haben sie Henk an Euren Tisch gesetzt.“ Henk? Mir fährt sofort ein Kribbeln durch meinen Körper, als Rieke seinen Namen so belanglos ausspricht. Moment mal. Rieke kennt Henk? Als hätte sie meine Frage hören können, fährt sie fort: „Na, Henk wird doch derzeit groß gehandelt. Deswegen kommt er doch überhaupt nach Deutschland zurück. Als er nach Irland zog, hätte man ihm gar nicht zugetraut, dass er sich da ein kleines, lukratives Netzwerk bastelt und jährlich überdurchschnittlich hohe Zahlen beim Chef abliefert.“ Mein Gott, wieso weiß Rieke denn das alles über ihn? „Er wirkt nicht gerade glücklich darüber, Irland zu verlassen.“, mein Einwurf war ja so nichts sagend und hat dennoch die Absicht, zum Gespräch beizutragen. Rieke nickt und seufzt: „Ja, so wird das wohl sein. Er hat ja immerhin sein Herz an die grüne Insel verloren. Ich meine, schau ihn Dir an. Er sieht aus wie ein irischer Landwirt oder Fischer. Seine gegerbten Wangen, die rauen Züge, die wilden Haare. Dort scheint keiner so ein verklemmtes Bild von Versicherungen zu haben, wie wir hier. Spießige Anzugsträger.“ Das klingt ganz nach Rieke, die keine Gelegenheit auslassen kann, einen verächtlichen Spruch über Männer zu machen. „Aber Henk ist eine Ausnahme. Dafür, dass er ein Mann ist, sieht er wirklich toll aus.“ „Wer sieht toll aus?“, fragt eine heraneilende Svenja. Mit gespielter Strenge haut sie Rieke die flache Hand auf ihren süßen Popo. „Keine Sorge, mein Schatz. Ich spreche nur über einen Mann.“, versichert Rieke. „Ach, so. Ich bin von echter Konkurrenz ausgegangen.“ Svenja lacht hämisch.

Bei Stefan und seinem Guru tut sich etwas. Sie stehen auf und geben einander die Hand. Mit einem roten Kopf schlendert Stefan auf uns zu. „Hähnchenstand?“, fragt er wohlwissend, dass zwei von uns drei Frauen giftige Pfeile auf ihn schießen würden, nur auf Grund der Tatsache, dass er ein Mann ist. „Ach, Klugscheißer.“, meint Rieke. „Wenn schon, dann Hennen. Hauptsache erstmal schon von weitem das Revier markieren, was?“ Aus ihren Augen zischt ein liebevoll gemeinter Blick zu Stefan. Er grinst. „Da seid Ihr schon mal irgendwo eingeladen und dann wollt Ihr jetzt schon gehen?“ Svenja holt tief Luft und will zum verbalen Schlag ansetzen. Rieke kommt ihr zuvor: „Der Unterschied ist, dass wir durchziehen worauf wir Lust haben. Innerlich sehnst Du Dich doch schon zurück in die eigenen vier Wände wo Du genüsslich Deine Carla um den Verstand stößt.“ Ich schaue sie entsetzt an. „Wo sie Recht hat, hat sie Recht.“, gibt Stefan zu. Sein Blick wandert zu mir. Ganz frech schenkt er mir ein Augenzwinkern. Ich hingegen kann nur ein müdes Lächeln erwidern. Mein Blick sucht die ganze Zeit verzweifelt nach Henk.

„Dann lass uns doch gleich mal die Biege machen, damit wir beide noch etwas von der Nacht haben.“, schlägt Svenja in verführerischem Ton vor. „Oh, ja.“, Rieke ist vollkommen einverstanden. „Gute Nacht Ihr beiden, habt noch viel Spaß. Obwohl ich bezweifele, dass hier noch was zu reißen ist.“ Rieke verabschiedet sich von Stefan mit einem Kuss auf die Wange. Wir umarmen uns freundschaftlich. Svenja, die Kühle in diesem Duo, hebt zur Verabschiedung lediglich die Hand in die Runde. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die beiden sehe. Ich gönne ihnen ihr Glück von Herzen. Danach drehe ich mich zu Stefan, der mir in die Augen schaut. „Und wie geht es Dir? Alles in Ordnung?“ Ich meine damit das lange Gespräch mit dem Chef des Konzerns. „Ja. Alles bestens. Hartmann ist ein sehr verständnisvoller Chef, der das Menschliche nicht aus den Augen verliert.“ Ich nicke und verstehe, dass Stefan hier nicht über Details sprechen möchte. Dann seufzt er tief. „Oh weh. Du hast natürlich aus Anstand fleißig am Rotwein genippt, nicht wahr?“ Stefan schaut mich verschämt an. „Merkt man das schon so deutlich?“ „Nein, mein Schatz. Ich merke es, weil ich Dich kenne.“ Stefan verträgt keinen Rotwein. Eigentlich bleibt er ihm auch immer fern. Wenn die Situation es seiner Meinung nach jedoch erfordert, lässt er sich nichts anmerken und trinkt höflich mit. Schon oft bekam er am nächsten Tag die Quittung mit starken Kopfschmerzen.

Aus einer kleineren Gruppe sondert sich ein Kollege ab und kommt direkt auf uns zu. Es ist der Kollege, mit dem sich Stefan zu Beginn schon intensiv unterhielt. „Jetzt muss ich aber nochmal auf unser Gespräch von vorhin zurückkommen.“, lässt er Stefan wissen. Stefan schaut mich fragend an. „Ist schon okay.“, bestätige ich. „Nicht lange. Von mir aus können wir auch bald gehen.“, flüstert Stefan und gibt mir einen feuchten Kuss auf die Wange. Ich rieche den Rotwein und hoffe in seinem Interesse, dass er jetzt die Finger davonlässt. Er steht auf und geht mit seinem Kollegen ein paar Schritte, um am Rand der Veranstaltung erneut in ein tiefes Gespräch zu verfallen. Mir entfleucht ein Gähnen. Was für ein schräger Abend. Und obwohl ich zwischen feucht werden und mich anschließend wieder trocknen viel Verlockendes und Aufregendes erlebt habe, bleibt in mir ein unbefriedigtes Gefühl zurück. Ich mache mich nochmal auf, schlendere den Gang entlang und entschließe mich schließlich den Toilettenraum zu nutzen, um mich zu erfrischen. Ich bin gerade hereingekommen und stehe vor dem großen Spiegel, als plötzlich jemand in Windeseile eintritt. Ich drehe mich erschrocken um. Henk!

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