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6. Zu den einzelnen Reden dieses Bandes

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I. Verteidigungsrede im Mordfall Eratosthenes

Nach attischem Recht konnte ein Ehemann, der einen Mann beim Ehebruch mit seiner Frau antraf, diesen ungestraft umbringen. Voraussetzung für die Straffreiheit war, dass der Ehebrecher auf frischer Tat ertappt wurde. Hatte der Ehemann dagegen dem Ehebrecher eine Falle gestellt oder ihn mit Gewalt in sein Haus schaffen lassen, so wurde die Tötung des Ehebrechers als Mord geahndet, selbst dann, wenn der Ehebruch erwiesen war.

Im vorliegenden Fall hatte der angeklagte Euphiletos den Liebhaber seiner Frau, Eratosthenes, erschlagen. Die Verwandten des Eratosthenes erhoben Anklage gegen den Ehemann mit der Begründung, Eratosthenes sei auf der Straße ergriffen und mit Gewalt in das Haus des Euphiletos geschleppt worden.

II. Grabrede für die im Korinthischen Krieg gefallenen Athener

Am Ende eines Kriegsjahres wurde jeweils zu Ehren der im Kampf gefallenen Athener ein Staatsbegräbnis veranstaltet, bei dem ein namhafter und verdienter Athener Bürger die Grabrede hielt. In dieser Rede wurde der Gefallenen gedacht, vor allem aber wurden Größe, Ruhm und glorreiche Vergangenheit der Stadt Athen gepriesen. Die vorliegende Grabrede wurde vermutlich von Lysias verfasst, es ist aber unwahrscheinlich, dass sie auch von ihm wirklich vorgetragen wurde, denn Lysias besaß als Metöke nicht die vollen Bürgerrechte. Im Korinthischen Krieg (394–387 v. Chr.) kämpften die verbündeten Truppen von Korinth, Athen, Böotien und Argos gegen Sparta. Angeblich gilt die Rede den Gefallenen des Jahres 394/393 v. Chr., ein Hinweis auf den Antalkidischen Frieden spricht jedoch für eine spätere Abfassung. Wir haben es wohl mit einem rhetorischen Muster- oder Übungsstück zu tun, das nach 387 v. Chr. geschrieben wurde.

III. Verteidigungsrede gegen Simon

Vor dem Areopag, dem Blutgerichtshof, musste sich ein Bürger gegen den Vorwurf vorsätzlicher Körperverletzung mit beabsichtigter Todesfolge verteidigen. Die Strafe dafür war Verbannung aus Athen und Einziehung des Vermögens. Der Angeklagte versuchte nachzuweisen, dass es sich nur um eine – allerdings ernsthafte – Rauferei gehandelt hatte, wobei es um die Gunst eines Knaben ging.

IV. Verteidigungsrede wegen vorsätzlicher Körperverletzung – Kläger und Beklagter unbekannt

Auch in dieser nur fragmentarisch erhaltenen Rede vor dem Areopag geht es um vorsätzliche Körperverletzung mit beabsichtigter Todesfolge. Bevor es zu dieser Eskalation kam, hatten die beiden Kontrahenten einen Streit über Vermögenstausch ausgetragen. Zum Vermögenstausch konnte es kommen, wenn ein wohlhabender Athener Bürger es ablehnte, ihm auferlegte Ausgaben für öffentliche Dienste (zum Beispiel Theateraufführungen, Ausstattung von Kriegsschiffen) zu entrichten, weil er nach seiner Meinung bereits über Gebühr bezahlt hatte. Er konnte dann einen anderen Bürger benennen, der seiner Meinung nach eher verpflichtet war, diese Beiträge zu entrichten. Dann jedoch konnte er von diesem Gegner vor Gericht zum Vermögenstausch aufgefordert werden.

Kläger und Beklagter waren zu einem Vergleich gekommen, und jeder musste das Eigentum des anderen wieder zurückgeben. Strittig blieb jedoch der Besitz einer Sklavin, die sie einst gemeinsam gekauft hatten, und die jeder für sich allein behalten wollte.

V. Verteidigungsrede für Kallias wegen Raubes im Tempel

Tempelraub wurde mit der Todesstrafe geahndet. Die nur zu einem kleinen Teil erhaltene Rede wurde von einem Freund des angeklagten Kallias gehalten.

VI. Rede gegen Andokides wegen Religionsfrevels

Die Vorgänge, die hier behandelt werden, gingen unter dem Begriff „Hermenfrevel“ und „Mysterienprozess“ in die Geschichte ein. Im Jahr 415 v. Chr., schon während der Vorbereitungen zur dann so unglücklich verlaufenden „Sizilischen Expedition“, wurden eines Nachts in Athen die steinernen Hermen – pfeilerartige Denkmäler des Gottes Hermes – beschädigt und umgestürzt. Außerdem hatten offenbar einige Leute die Eleusinischen Mysterien, ein hoch geheiligtes Ritual, in travestierender Weise in Privathäusern abgehalten. Beide Vorgänge wurden als schwere Vergehen gegen die Götter angesehen und gerichtlich verfolgt. Alkibiades, der Flottenführer der Sizilischen Expedition, war in die Vorgänge verwickelt, befand sich aber bereits mit der Flotte auf dem Weg nach Sizilien. Andokides gehörte zu den Bürgern, die verhaftet wurden. In seinem Prozess klagte er andere Bürger als Schuldige an und kam mit einer mäßigen Strafe davon. Ihm wurde die Teilnahme an religiösen Festen und die Ausübung eines religiösen Amtes untersagt. Er verließ Athen und lebte mit Unterbrechungen dreizehn Jahre im Ausland.

Im Jahr 399 v. Chr., drei Jahre nach seiner Rückkehr nach Athen, wurde Andokides erneut wegen Religionsfrevels angeklagt, weil er unterdessen ein religiöses Amt ausgeübt hatte. Für diesen Prozess wurde wohl die Anklagerede verfasst. Sie beginnt allerdings mit einem Bericht über die Bestrafung eines anderen, unbekannten Religionsfrevlers. Der Anfang des Textes ist verloren.

Aus anderem Zusammenhang ist bekannt, dass Andokides in diesem Prozess freigesprochen wurde. – Nach allgemeiner Auffassung stammt die Rede nicht von Lysias selbst.

VII. Verteidigungsrede vor dem Areopag wegen Beseitigung eines Ölbaumstumpfes

Ölbäume waren in Attika eine wichtige wirtschaftliche Grundlage; der Staat war auf Erhalt der Bäume bedacht. Darüber hinaus wurde unterschieden zwischen privaten und heiligen Ölbäumen. Die heiligen Ölbäume, die an den von der Göttin Athena selbst gepflanzten Ölbaum erinnern sollten, waren staatliches Eigentum, auch wenn sie auf privatem Land wuchsen. Ihr Erhalt wurde von einer eigenen Kommission überwacht. Das Fällen oder Ausgraben eines heiligen Ölbaums oder auch des Stumpfes eines heiligen Ölbaums galten als Asebie, als Frevel gegen die Götter. Eine solche Tat wurde vor dem obersten Gericht, dem Areopag, verhandelt. Im Falle eines Schuldspruches drohte dem Täter die Todesstrafe.

VIII. Anklagerede gegen die Mitglieder einer Vereinigung wegen Verleumdung

Es handelt sich bei diesem Text nicht um eine formale Gerichtsrede, sondern nur um den Teil einer gerichtlichen Erklärung. Der Sprecher wandte sich gegen die Mitglieder einer nicht genau zu bezeichnenden Vereinigung, seine ehemaligen Freunde, von denen er sich betrogen fühlte. Anlass des Streites war ein Pferd, das der Sprecher als Pfand für eine verliehene Geldsumme erhalten hatte. Nachdem das Pferd verendet war, weigerte sich der Darlehensempfänger, das ausgeliehene Geld zurückzuzahlen. Der Sprecher musste entdecken, dass seine angeblichen Freunde sich auf die Seite des unredlichen Geldempfängers geschlagen hatten und ihn selbst als streitsüchtig verleumdeten. Die Rede wird für unecht gehalten.

IX. Rede für den Soldaten

In dieser Rede, die wohl zur Zeit des Korinthischen Krieges 394 bis 387 v. Chr. spielt, war dem Soldaten Polyainos – nach seiner Meinung zu Unrecht – eine Geldstrafe auferlegt worden. Der Betrag wurde dann auch nicht von ihm eingefordert, sondern von der Schatzmeisterei als unrechtmäßig auferlegt annulliert. Dennoch wurde Polyainos in der Folgezeit von einem persönlichen Feind als Staatsschuldner angeklagt.

X. Erste Anklagerede gegen Theomnestos

Der Sprecher verteidigte sich in einer Privatklage gegen die Verleumdung des Theomnestos, er habe seinen eigenen Vater umgebracht oder sei wenigstens schuldig an dessen Tod. Theomnestos wird als Mann von feigem Charakter geschildert, der schon öfter in Prozesse verwickelt gewesen war und in der Schlacht seinen Schild weggeworfen hatte. Das Wegwerfen der Waffen auf der Flucht vor dem Feind wurde mit Desertieren gleichgesetzt und schwer bestraft. Der Betreffende verlor unter anderem seine bürgerlichen Rechte.

Theomnestos bestritt zwar nicht die ihm vorgeworfene Schmähung, führte aber an, die von ihm benutzten Ausdrücke seien nicht strafbar. Diese Ausflüchte entkräftete der Sprecher, indem er darlegte, dass nicht um die Wahl der Worte, sondern um ihren Sinn gestritten werde. Die Verhandlung fand vor einem Geschworenengericht unter Vorsitz der Thesmotheten statt.

XI. Zweite Anklagerede gegen Theomnestos

Die zweite Rede gegen Theomnestos ist eine Kurzfassung der vorigen Rede aus späterer Zeit.

XII. Anklagerede gegen Eratosthenes, der Mitglied der Dreißig war – von Lysias selbst gehalten

Dies ist die einzige erhaltene Rede, in der Lysias in eigener Sache spricht. – Gegen Ende des Peloponnesischen Krieges, im Jahr 404 v. Chr., gelang es einer Gruppe von Oligarchen, die Macht in Athen an sich zu reißen. Das Regiment dieser Dreißig Tyrannen artete in eine Schreckensherrschaft aus. Lysias verlor unter ihrer Herrschaft sein Vermögen, sein Bruder wurde umgebracht. Beim Friedensschluss des Peloponnesischen Krieges im Jahr 403 v. Chr. wurden die Dreißig von der allgemeinen Amnestie ausgenommen, sofern sie sich nicht rechtfertigen konnten. Eratosthenes, ein Mitglied der Dreißig, unterzog sich im Vertrauen auf seine Zugehörigkeit zur gemäßigten Gruppe der Tyrannen einem Rechenschaftsprozess vor dem Geschworenengericht. Lysias erhob bei diesem Prozess Klage wegen Tötung seines Bruders. Darüber hinaus schildert er anschaulich die politischen Zustände in Athen am Ende des Peloponnesischen Krieges.

XIII. Rede gegen den Denunzianten Agoratos

Agoratos, ein Mann ohne volle Athener Bürgerrechte, hatte etliche Jahre vor der Verhandlung den Dreißig offenbar willig als Denunziant gedient. Aufgrund seiner Verleumdungen waren viele Athener Bürger verhaftet und hingerichtet worden, unter ihnen Dionysodoros. Nach Wiederherstellung der Demokratie erhoben die Verwandten des Dionysodoros Anklage. Agoratos wurde verhaftet und musste sich vor einem Geschworenengericht verantworten. Die Rede wurde um 398 v. Chr. gehalten.

XIV. Rede gegen Alkibiades wegen Verlassens der Schlachtordnung

Der hier angeklagte Alkibiades war der Sohn des berühmten gleichnamigen Athenischen Politikers und Feldherrn. Nach der antiken Überlieferung war er der Prototyp eines jungen Mannes der „jeunesse dorée“, der keine eigenen Verdienste aufzuweisen hatte, sondern sich vorwiegend auf seinen glanzvollen Namen berief. Er hatte sich nicht in die Waffengattung der Hopliten eingereiht, in die er eingeteilt worden war, sondern war eigenmächtig zur Reiterei gewechselt, ohne die dafür vorgeschriebene Prüfung durchlaufen zu haben. So wurde er angeklagt wegen unrechtmäßigen Dienstes in der Reiterei und wegen Desertion. Diese Vergehen wurden mit Verlust der bürgerlichen Rechte und Vermögenseinzug geahndet. Die Verhandlung fand um 395 v. Chr. vor einem Militärtribunal statt.

XV. Rede gegen Alkibiades wegen Verweigerung des Militärdienstes

Die Rede trägt zwar eine andere Überschrift als Rede XIV, wurde jedoch gegen denselben Angeklagten und für dieselbe Gerichtsverhandlung geschrieben. – Ihre Echtheit ist umstritten.

XVI. Verteidigungsrede des Mantitheos bei seiner Überprüfung vor dem Rat

Athener, die durch das Los zu Mitgliedern des Rats gewählt worden waren, wurden vor ihrer Ernennung überprüft, ob sie des Amtes würdig waren, d.h., ob sie die gesetzlichen Qualifikationen erfüllten und ihren bürgerlichen und sakralen Pflichten stets nachgekommen waren. Das Verfahren wurde Dokimasie genannt. Dem neu berufenen Ratsmitglied Mantitheos warf man vor, dass er während der Herrschaft der Dreißig, die zur Zeit der Ernennung mindestens elf Jahre zurücklag, Anhänger dieser Tyrannen gewesen sei: Er solle in der Reiterei gedient haben, die sich den Dreißig gegenüber sehr ergeben gezeigt hatte. Mantitheos verteidigte sich gegen diese Vorwürfe.

XVII. Rede gegen die Finanzbehörde wegen des Vermögens des Eraton

Diese Rede handelt von einer Summe verliehenen Geldes, die von den Erben des Schuldners nicht zurückbezahlt wurde. Aus hier nicht genannten Gründen konfiszierte der Staat das Vermögen der Erben, sodass der Redner versucht, das von ihm beanspruchte Geld wenigstens teilweise von der Staatskasse zurückzuerhalten. Die Rede wurde um 397 v. Chr. gehalten.

XVIII. Schlusswort im Prozess über die Beschlagnahme des Vermögens vom Bruder des Nikias

Nikias, der verdiente und so unglücklich endende Feldherr Athens – er wurde 413 v. Chr. für den missglückten sizilischen Feldzug verantwortlich gemacht und in Syrakus hingerichtet – hatte zwei Brüder, Eukrates und Diognetos. Eukrates wurde 404 v. Chr. von den Dreißig umgebracht. Die Söhne des Eukrates mussten sich einige Jahre später gegen die Konfiskation ihres väterlichen Erbes wehren. Erhalten ist nur das Schlusswort der Rede, die von einem Sohn des Eukrates vorgetragen wird.

XIX. Rede gegen den Fiskus über das Vermögen des Aristophanes

Der Athener Bürger Aristophanes, ein politisch engagierter Mann, hatte im Jahr 390 v. Chr. im Auftrag seines Vaters Nikophemos, der auf Zypern lebte, eine Hilfsexpedition nach Zypern organisiert, um dem dortigen Herrscher Euagoras gegen die Perser beizustehen. Die Expedition wurde ein Fehlschlag. Aristophanes und Nikophemos wurden nach ihrer Rückkehr nach Athen für die Niederlage verantwortlich gemacht. Man bezichtigte sie der Täuschung des Volkes durch falsche Versprechungen. Sie wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, ihr Athener Vermögen wurde eingezogen. Das konfiszierte Vermögen war kleiner als erwartet, man verdächtigte deshalb den Schwiegervater des Aristophanes, Gelder auf die Seite geschafft zu haben. Um diesen Vorwurf zu entkräften, sprach dessen Sohn, der Schwager des Aristophanes.

XX. Rede für Polystratos

Polystratos, ein älterer Athener Bürger, war 411 v. Chr. für wenige Tage Mitglied der oligarchischen Regierung der Vierhundert. Danach ging er zur Flotte. Er hatte versucht, mäßigend auf die Oligarchen einzuwirken. Nach dem Sturz der Oligarchie wurde er angeklagt, weil er versucht habe, die Demokratie zu stürzen. In einem ersten Prozess wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, was ihn und seine Familie finanziell ruinierte. In einem zweiten Prozess, dem wohl eine Überprüfung wegen Zulassung zu einem öffentlichen Amt zugrunde lag, wurde er – ca. 410 v. Chr. – erneut angeklagt. Die Verteidigungsrede wird vom Sohn des Polystratos vorgetragen. Ob sie tatsächlich von Lysias verfasst wurde, wird angezweifelt.

XXI. Verteidigungsrede in einer nicht genauer zu bezeichnenden Anklage wegen Bestechlichkeit

Erhalten ist von dieser Rede nur das Schlusswort, der genaue Grund der Anklage lässt sich daraus nicht entnehmen. Der Sprecher beschränkte sich im wesentlichen auf die Aufzählung seiner Verdienste um den Staat und auf die Bitte an die Geschworenen, für ihn günstig abzustimmen. Die Rede, die wohl um das Jahr 402 v. Chr. gehalten wurde, gibt einen guten Überblick über die öffentlichen Leistungen, zu denen ein vermögender Athener herangezogen werden konnte.

XXII. Rede gegen die Getreidehändler

Athen war stets auf die Einfuhr von Getreide angewiesen. Große Lieferungen kamen vom Schwarzmeergebiet, der Thrakischen Chersones und aus Zypern. Um das Jahr 387–386 v. Chr., als diese Rede gehalten wurde, war die Getreideversorgung der Stadt Athen nicht mehr gesichert. In der östlichen Ägäis bestimmten die Perser, der Hellespont war zeitweise für die Schifffahrt gesperrt, die großen Lieferungen übers Meer trafen nur noch unregelmäßig ein. In Athen wurden deshalb Gesetze erlassen, die die Gewinnspanne der Getreidehändler begrenzten und die Anhäufung eines großen Vorrats bei den Händlern unter Strafe stellten. Diese Gesetze wurden oftmals übertreten; ihre Einhaltung wurde deshalb von einer Behörde der Getreideaufseher überwacht. Die Getreidehändler waren zumeist Metöken, also Eingewanderte.

Der Sprecher der Rede berichtete zunächst von einem Zwischenfall in der Ratsversammlung, wo etliche empörte Mitglieder eine sofortige Bestrafung der das Getreide hortenden Händler verlangt hatten. Bei der folgenden gesetzlichen Voruntersuchung trat dann der Sprecher selbst als Ankläger auf, um den Verdacht einer Begünstigung der Getreidehändler von sich abzuwenden. Seine Anklagerede hielt er schließlich vor dem Geschworenengericht.

XXIII. Rede gegen Pankleon, um zu zeigen, dass er kein Plataier war

Diese kurze Rede gehörte zu einem Vorverfahren, bei dem die Zulässigkeit der Klage und die Zuständigkeit des Gerichts überprüft wurden. Der Sprecher versuchte zu beweisen, dass Pankleon kein Bürger, sondern womöglich ein entlaufener Sklave war. Pankleon dagegen behauptete zunächst, in Plataiai, später dann, in Dekeleia/Attika geboren zu sein; in beiden Fällen hätte er die Rechte eines attischen Bürgers.

XXIV. Rede über die Verweigerung der Rente für einen Invaliden

Hilfsbedürftige Bürger Athens, die nicht in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, konnten vom Staat eine kleine Rente einfordern. Die Höhe dieser Rente betrug in der fraglichen Zeit – wohl 403 v. Chr. – einen Obolos pro Tag. Die Rechtmäßigkeit des Anspruchs wegen Bedürftigkeit wurde regelmäßig vom Rat der Stadt überprüft.

XXV. Verteidigungsrede [gegen die Anklage auf Sturz der Demokratie]

Obwohl der Titel anderes vermuten lässt, handelte es sich bei dieser Rede wohl nur um eine Verteidigung im Dokimasie-Verfahren, also einer Anklage wegen Zweifeln an der Eignung für ein Amt im Staat. Um welches Amt es sich dabei handelte, geht aus dem Text nicht hervor. Aus den Anreden ist zu erkennen, dass die Verhandlung vor einem Geschworenengericht stattfand. Dies kann entweder bedeuten, dass man sich in der zweiten Instanz des Dokimasie-Verfahrens befand; in diesem Fall hätte der Rat bereits seine Entscheidung getroffen, der Sprecher hätte also einen Sitz im Rat erlost oder wäre Kandidat für das Amt eines der Archonten. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Sprecher für ein anderes Amt gewählt worden war; in diesem Fall fand die Dokimasie nur vor dem Gericht statt.

Der Sprecher bezog sich nicht nur auf seine persönliche Situation, sondern schilderte die Lage Athens nach dem Ende der Herrschaft der Dreißig. Er betonte die Notwendigkeit der Versöhnung und des Ausgleichs und legte dar, dass die Rachegelüste der Demokraten genau so schädlich seien wie die Willkür der Oligarchen. Die Rede wird auf ca. 400 v. Chr. datiert, ihr Schluss fehlt.

XXVI. Rede gegen Euandros bei dessen Überprüfung vor Amtsantritt

Im vorliegenden Dokimasie-Verfahren wollte der Kläger erreichen, dass Euandros nicht zum Amt des Archon Eponymos zugelassen werde, weil er Jahre zuvor an den Verbrechen der Dreißig teilgenommen hatte. Die gesetzlich vorgeschriebene Frist für Wahl und Prüfung für die Staatsämter war schon verstrichen, die Entscheidung also sehr dringlich. Die Rede wurde vermutlich Mitte des Jahres 382 v. Chr. vor dem Rat gehalten, Anfang und Schluss fehlen.

XXVII. Rede gegen Epikrates [und gegen dessen Mitgesandte. Schlusswort nach Theodoros]

Da diese Rede nur aus einem Schlusswort besteht, ist über den eigentlichen Rechtsfall nichts Näheres bekannt. Von einer Gesandtschaft wird nichts weiter erwähnt, die Nennung in der Überschrift und zu Beginn des Textes gilt deswegen als mögliche spätere Zutat. Geschichtlich belegt ist ein Epikrates, der 403 v. Chr. zur demokratischen Partei der Männer im Piräus gehörte und gegen die Tyrannei der Dreißig auftrat; später wurde er als Gesandter zum Perserkönig geschickt. Er ließ sich dort bestechen und wurde dafür in Athen zum Tode verurteilt (Demosth. 19,277). Vermutlich ist dieser Epikrates mit dem Mann gleichen Namens in der Rede nicht identisch, denn es fehlen alle Hinweise auf dessen bekanntes Schicksal.

Der im Text angeklagte Epikrates war offenbar ein hoher Finanzbeamter. Gegen ihn wurde wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder oder wegen der Bestechung von Zeugen in einem Rechenschaftsverfahren verhandelt. Die Rede wurde vermutlich um 390 v. Chr. vor dem Rat der Fünfhundert gehalten.

XXVIII. Schlusswort der Rede gegen Ergokles

Ergokles, ein Freund und Genosse des Thrasybul, begleitete den einst hochgeehrten Befreier Athens auf einer späteren Unternehmung in Kleinasien. Thrasybul, der dabei mehrere Städte und Inseln unterwarf, schließlich brandschatzte und die Bundesgenossen Athens unterdrückte, wurde 390 v. Chr. in Aspendos in Pamphylien von den dortigen Einwohnern erschlagen. Ergokles und die anderen Feldherrn wurden daraufhin abberufen und mussten sich in Athen vor dem Geschworenengericht einem Rechenschaftsverfahren unterziehen. Verhandelt wurde wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder, Vernachlässigung der Flotte und verschiedener Gewalttaten. Ergokles wurde in diesem Prozess 388 v. Chr. zum Tode verurteilt; sein Vermögen wurde eingezogen.

XXIX. Schlusswort der Rede gegen Philokrates

Philokrates, ein Freund und Genosse des Ergokles aus der vorigen Rede, wurde nach dem Tode des Ergokles beschuldigt, Teile von dessen beschlagnahmtem Vermögen beiseite geschafft zu haben. Das Vermögen des Ergokles erwies sich nämlich als kleiner als erwartet. Bei diesem Prozess wird also ein Rechtsfall wie in Rede XIX behandelt, nur spricht hier nicht der Beklagte, sondern der Kläger.

XXX. Rede gegen Nikomachos [den Staatsschreiber – Anklage im Rechenschaftsverfahren]

Nikomachos, der Sohn eines Sklaven, hatte das attische Bürgerrecht erlangt und war zur einflussreichen Stellung eines Staatsschreibers aufgestiegen. Er übte dieses Amt zunächst zur Zeit der Oligarchie, ein zweites Mal nach dem Sturz der Dreißig aus. Beide Male war er ein wichtiges Mitglied der Kommission, die die vorhandenen Gesetze zu überprüfen und gegebenenfalls unrechtmäßige Neuerungen zu revidieren hatte. Beide Male hatte Nikomachos seine Kompetenzen überschritten. Ihm wurde zur Last gelegt, dass er bei der Aufzeichnung von Gesetzen willkürlich verfuhr, dass er die zeitliche Dauer seines Auftrags über Gebühr ausdehnte und dafür Diäten bezog, und dass er sich weigerte, Rechenschaft abzulegen. Die Klage gegen ihn wurde 399 v. Chr. bei der Rechenschaftsbehörde der Logisten eingebracht. Der Beginn der Rede fehlt.

XXXI. Rede gegen Philon bei dessen Überprüfung vor Amtsantritt

Auch in dieser Rede ging es um die Überprüfung eines Anwärters für ein öffentliches Amt – vgl. Rede XVI für Manthiteos und Rede XXVI gegen Euandros. Die politischen Vorwürfe gegen Philon waren allerdings geringfügig, es wurde stärker darauf abgehoben, dass er charakterlich minderwertig und deshalb eines öffentlichen Amtes unwürdig sei. Die Rede könnte um 403 v. Chr. vor dem Rat gehalten worden sein, gehört also zu den frühen Reden des Lysias.

XXXII. Rede gegen Diogeiton

Nach der Überlieferung hatte Lysias mehrere Reden für Vormundschaftsprozesse verfasst. Die Rede gegen Diogeiton ist die einzige aus dieser Sparte, die erhalten ist, und auch dies nur zu etwa zwei Dritteln. Sie ist im Werk des Dionysios von Halikarnassos überliefert.

Der angeklagte Diogeiton hatte das Erbe seiner Mündel veruntreut. Als die Kinder erwachsen waren, klagten sie ihren Onkel und Vormund an, weil er ihnen bewusst das große Vermögen ihres Vaters entzogen hatte. Die Rede wurde um 401–400 v. Chr. gehalten.

XXXIII. Olympische Rede

Bei diesem Fragment handelt es sich nicht um eine Gerichtsrede, sondern um eine politische Rede bei festlichem Anlass. Sie wurde 388 v. Chr. bei der olympischen Festversammlung der Griechen gehalten. Lysias versuchte, die Griechen zur Beendigung des Korinthischen Krieges zu bewegen und warnte vor einer Allianz zwischen den Persern und Dionysios, dem Tyrannen von Syrakus. Nur der Anfang ist bei Dionysos von Halikarnassos erläutert.

XXXIV. Rede gegen die beabsichtigte Auflösung der von den Vätern überlieferten Verfassung Athens

Diese nur fragmentarisch erhaltene Rede wurde 403 v. Chr. nach dem Sturz der Dreißig gehalten. Ihr Inhalt wird im Vorwort des Dionysios von Halikarnassos erläutert.

XXXV. Rede über die Liebe

Der Text ist als von Lysias stammend in Platons Dialog Phaidros (230 e – 234 c) überliefert. Danach traf der Athener Phaidros zufällig auf Sokrates und berichtete ihm, dass er von Lysias komme und dieser eine Rede über die Liebe gehalten habe. Lysias plädierte in dieser Rede dafür, dass die in Athen übliche erotische Beziehung zwischen einem Mann und einem Jüngling vorwiegend erzieherisch zu sein habe; er forderte also eine Freundschaft ohne Verliebtheit. Da Sokrates diese Rede zu hören wünschte, suchten sich die beiden Männer einen ruhigen Platz außerhalb der Stadtmauern, und Phaidros las die Rede des Lysias vor, so wie er sie sich notiert hatte.

1 Die Angaben über das Geburtsdatum des Lysias variieren zwischen 457 v. Chr. und 445 v. Chr.

2 Wichtigste Quellen: Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges; Xenophon, Hellenika 1, 1–2, 2; Diodor, Buch 13 (andere Darstellung).

3 Nach: J.H. Lipsius, Das attische Recht und Rechtsverfahren (1905–1915, Nachdruck Darmstadt 1966).

4 A.H.M. Jones, The Economic Basis of the Anthenian Democracy, in: Ders., Athenian Democracy, Oxford 1957, 3ff.

5 N. Himmelmann, Zur Entlohnung künstlerischer Tätigkeit in klassischen Bauinschriften, JdI 94, 1979, 127ff.

6 B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (21993) 145.

7 Xen. Oik. II 3.

8 Demosth. IX 39.

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