Читать книгу Farbenblind - Maike Kops - Страница 15

Оглавление

Kapitel 11 - Leyla

Ihr Blick wanderte über sein Gesicht, wieder und wieder. Sie musste sich jede Sekunde aufs Neue vergewissern, dass sie sich nicht irrte. Dass vor ihr wirklich der Typ saß, den sie täglich sah, den sie so bewunderte, ohne so richtig zu wissen, weshalb. Und nun kannte sie sogar seinen Namen, redete mit ihm. Innerlich bedankte sie sich tausend Mal bei Alpha, der zufrieden auf Milans Schoß schlummerte. Leyla wusste nicht, warum ihr dieser Moment so dermaßen wichtig war, aber sie hatte plötzlich das Gefühl, dass ihr ganzes Leben nur darauf ausgerichtet war, auf Milan zu treffen. Auf Milan, der blind war, während sie selbst mehr zu sehen schien als andere. Vielleicht war es einfach nur Zufall, aber Leyla war davon überzeugt, dass es das Schicksal – oder irgendeine andere höhere Macht – war, das für dieses Aufeinandertreffen verantwortlich war.

Für einen Moment wollte sie ihm sagen, dass sie ihn schon öfter gesehen hatte. Dass sie ihn bewunderte, ohne wirklichen Grund. Ihre Gedanken rasten, sie dachte über eben diese Dinge nach, über die sie nicht nachdenken wollte, weil sie wusste, wie dämlich es klingen würde, würde sie sie laut aussprechen. Trotzdem kam sie sich blöd vor, schweigend dazustehen, deshalb sagte sie „Scheint, als würde er dich mögen“ und kam sich dennoch blöd vor. Diesmal war es Milan, der schwieg. Plötzlich bemerkte sie das leise Klavierspiel ihrer Mutter – die mal wieder ihr Lieblingsstück spielte – und unweigerlich tauchten durchscheinende Kreise auf. Ihr entwich ein Seufzen.

„Was ist?“, fragte Milan und klang unsicher, fast so, als befürchtete er, sie mit seiner Blindheit zu überfordern, verantwortlich für ihren Seufzer zu sein.

Zu den durchscheinenden blauen Kreisen mischten sich goldschimmernde

seifenblasenähnliche Kugeln – immer, wenn Milan sprach. Es war etwas Neues, Ungewohntes, dass auch Stimmen bei ihr etwas auslösten. Sie hatte schon öfter von „Leuten wie ihr“ gehört, die auch bei Stimmen oder anderen Geräuschen Farben und Formen sahen, aber bei ihr war das nicht der Fall gewesen – bisher. Dennoch machte ihn das aus irgendeinem Grund sympathischer.

Für einen Augenblick dachte sie darüber nach, ihm zu sagen, dass sie in der Lage war, Töne zu sehen, aber sie entschied sich dagegen. Andere hielten sie deshalb schon für seltsam, wie also sollte Milan damit umgehen können? Was, wenn er sich nicht ernstgenommen fühlte und dachte, sie mache sich über ihn lustig? Sie mochte ihn und wollte ihn nicht verärgern.

„Nichts, ich mag nur die Luft, wenn es regnet.“

Gelogen war das nicht, aber auch nicht der Grund für ihr Seufzen. Was ihr Gegenüber ja nicht erfahren musste.

„Ich auch“, erwiderte Milan, „es ist, als wäre alles viel … reiner.“

Leyla nickte zustimmend, dann fiel ihr ein, dass er es nicht sehen konnte, weshalb sie schnell ein „Ja, das stimmt“ hinterherschob und, sich über sich selbst ärgernd, den Kopf schüttelte.

„Vorsicht!“, rief sie erschrocken und fing Alpha auf, der langsam von Milans Schoß rutschte. Der Welpe zuckte verwirrt zusammen, blinzelte, sah sie vorwurfsvoll an und kraxelte wieder auf den Schoß des Blinden, wo er herzhaft gähnte. Milan fing an, zu lachen – was ein wunderschönes Schauspiel von goldschimmernden Seifenblasen verursachte.

„Wie hieß er nochmal?“, fragte er und fuhr dem Tier bedächtig durchs Fell.

„Alpha“, antwortete Leyla stolz, der Name war ihre Idee gewesen.

„Alpha“, wiederholte er langsam, ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen wie ein Stück Schokolade, „ein schöner Name. Er war der Erste im Wurf, oder?“

„Ja.“

„Und seine Geschwister heißen Beta und Gamma?“

Für einen Moment wollte sie widersprechen, dann bemerkte sie das Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Sie lachte und erwiderte: „Klar, Amy hat so viele Welpen bekommen, da hat es sogar zum Omega gereicht.“

Milan fiel in das Lachen ein, nur für einen kurzen Moment, dann sagte er ernst: „Irgendwie mag ich dich.“

Ein ansteckendes Lächeln umspielte seine Lippen.

„Ich dich auch“, sagte sie leise. Es waren nur drei Worte, schlicht, fast schon bedeutungslos, aber es fühlte sich an, als hätte sie ihm ihr größtes Geheimnis verraten.

Farbenblind

Подняться наверх