Читать книгу Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm - Страница 13
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ОглавлениеMarion fror. Obwohl sie in eine Decke gehüllt war und sich auf der hölzernen Bank in eine Ecke kauern konnte, spürte sie die Kälte des Märzvormittags am ganzen Körper. Ihre Hände waren gefesselt, die Beine an den Knöcheln mit Klebeband fixiert. Die durchwachte Nacht, der Schock und das pure Entsetzen ließen sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dazu die Angst um ihren Vater, um dessen Gesundheitszustand sie sich Sorgen machte. Außerdem schmerzten inzwischen ihre Handgelenke, die noch immer in den metallischen Schließen steckten. Der Mann, der sie seit Stunden bewachte, saß ihr schräg gegenüber auf einem Stuhl, schwieg beharrlich und sah nur hin und wieder auf seine Armbanduhr.
Obwohl es draußen längst hell war und durch die morschen Holzwände der Hütte das Frühkonzert der Vögel drang, herrschte in dem muffigen Raum nur gedämpftes Licht. Vor das kleine und einzige Fenster waren vergilbte und zerfetzte Vorhänge gezogen, an den Wänden lehnten Gartengeräte, die gewiss seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden waren. Marion hatte es inzwischen aufgegeben, ihren maskierten Bewacher nach dem weiteren Fortgang des Verbrechens zu fragen. Er schwieg beharrlich.
Irgendwann hatte sie es erschöpft aufgegeben, weitere Fragen zu stellen. Unter dem Handtuch, mit dem er ihren Kopf abgedeckt hatte, konnte sie ihn nur durch einen winzigen Spalt hindurch sehen. Er schien an ihrem Schicksal gänzlich uninteressiert zu sein und nur seinen Auftrag erledigen zu wollen, der da hieß, sie zu bewachen.
Nicht einmal auf die Frage nach der Uhrzeit wollte er eingehen. Doch Marion schien es inzwischen, als seien mehrere Stunden vergangen. Sie lauschte angestrengt in die Stille, um herausfinden zu können, wo sie sich befand. In der Ferne waren Autogeräusche zu hören und seit dem Morgengrauen häufig auch Flugzeuge. Dies konnte darauf hindeuten, dass sie tatsächlich irgendwo ins Remstal verschleppt worden war, wo an- und abfliegende Flugzeuge des nahen Stuttgarter Flughafens erfahrungsgemäß sehr tief flogen.
Nachdem der Gangster immer häufiger auf seine Armbanduhr geschaut hatte, nervös und zunehmend unruhiger, erhob er sich schließlich und sagte: »Okay.« Als habe ihm jemand ein Zeichen gegeben. Doch da war niemand gewesen. Er verließ die Hütte und verriegelte sie von außen.
Marion verharrte noch für ein paar Sekunden, versuchte, von draußen ein Geräusch wahrzunehmen, aber alles blieb still. Kein Auto. Nichts. Vielleicht, so überlegte sie, hatte sich der Räuber mit einem Fahrrad davongemacht.
Jetzt wollte sie schnell handeln. Mit den gefesselten Händen schob sie die Decke beiseite, sodass auch das Handtuch auf den Boden fiel, und begann umständlich, das Klebeband zu lösen, das seit Stunden ihre Knöchel zusammenpresste. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich tatsächlich davon befreien konnte. Doch ihre Beine schmerzten, sodass sie sich nur mühsam erheben konnte, um zur Tür zu gehen. Die sich aber trotz heftigen Rüttelns nicht öffnen ließ.
Das Fenster. Natürlich. Es musste ein Leichtes sein, dort hinauszusteigen. Sie schob die Vorhänge beiseite und erkannte zufrieden, dass nicht nur eine fest eingebaute Glasscheibe zum Vorschein kam, sondern ein Fensterflügel, den man öffnen konnte.
Weil ihre Hände nicht auf den Rücken, sondern an der Körpervorderseite gefesselt waren, konnte sie mit ein paar Verrenkungen immerhin erfolgreich den Griff erreichen. Der morsche Fensterrahmen ließ sich nach innen schwenken, und die Öffnung ins Freie war groß genug, um die Hütte verlassen zu können – trotz der Handschellen, denn Marion war schlank und sportlich, vor allem aber jetzt motiviert genug, um ihrem Gefängnis auf diese Weise zu entkommen.