Читать книгу Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm - Страница 19
14
ОглавлениеDie kurze Ratlosigkeit, die sich unter den Männern in Seifritz’ Büro breitgemacht hatte, wurde von Chefsekretärin Rüger unterbrochen, die den Direktor ins Vorzimmer rief. Ein wichtiger Anruf, hatte sie gesagt.
Walser und Geiger verfolgten wortlos, wie Seifritz nach draußen ging. Auch Landrat Doktor Goes und der Direktionsvize schwiegen. Lackner hatte sich ohnehin die meiste Zeit zurückgehalten. Bange Minuten verstrichen, bis Seifritz tief durchatmend wieder erschien: »Meine Tochter ist frei.«
Er fühlte sich von der bleiernen Last befreit und endlich an keine Abmachungen mehr gebunden. Ausgelaugt sank er in seinen Bürosessel.
Noch immer fiel es ihm schwer, für das Schreckliche der vergangenen Stunden eine logische Erklärung zu finden. Vielleicht war es sein früherer Beruf als Staatsanwalt, der ihn zur Selbstdisziplin mahnte, was in solchen Momenten bedeutete: kein emotionales Vorgehen. Alles schien gut zu sein: die Tochter in Schorndorf in Sicherheit, Lackner auch wieder hier.
Walser wechselte ein paar Worte mit Landrat und Kripochef und ging ins Vorzimmer, um die Landespolizeidirektion zu verständigen. Der Ort, an dem die junge Frau festgehalten worden war, konnte auch die mögliche Fluchtrichtung der Gangster vermuten lassen: ins Remstal. Routinemäßig löste Walser Alarm Dynamit aus, wie im Polizeijargon eine Großfahndung bezeichnet wurde.
Zwei Stunden, nachdem sich Marion gemeldet hatte, konnte Seifritz sie noch immer nicht in die Arme schließen. Denn trotz des erleichternden Telefonats hatten die Ermittler auf Nummer sicher gehen und zunächst abklären wollen, ob Marion tatsächlich nicht mehr in der Gewalt der Kidnapper war. Viel zu unübersichtlich war die Situation. Die Darstellungen des Bankdirektors und die Schilderungen Lackners, die Walser an die Landespolizeidirektion und an seine Göppinger Kriminalbeamten weitergeleitet hatte, mussten sorgfältig geprüft werden.
Dann ein anonymer Anruf für Seifritz: Eine Männerstimme teilte mit, wo die gekidnappte Tochter zu finden sei. Offenbar wollten die Geiselnehmer sichergehen, dass ihr Opfer unversehrt freikam.
Als die ersten Einsatzkräfte aus Stuttgart im Chefbüro eintrafen, wunderte sich die Sekretärin angesichts der bereits verstrichenen Zeit über die Frage eines der Beamten: »Ist die Fahndung schon eingeleitet?« Tatsächlich war es ihr ohnehin so erschienen, als hätten die Ermittlungen nicht mit dem nötigen Nachdruck begonnen. Aber vielleicht, so überlegte sie, war sie einfach viel zu ungeduldig und von den Ereignissen der vergangenen Stunden nervlich zermürbt.
Immerhin mutete das ziemlich irreale und verworrene Geschehen wie das Drehbuch für einen Thriller an. Niemand hätte bis dahin ein solch raffiniertes und kaltblütig verübtes Verbrechen in der Provinz für möglich gehalten. Und doch sollten sich in diesen Zeiten große Kriminalfälle auf rätselhafte Weise sogar noch häufen.
Kein Wunder, dass es viele Gerüchte gab und hinter vorgehaltener Hand allerlei Verschwörungstheorien kursierten. An den Stammtischen wurden mysteriöse Verbindungen diskutiert und sogar konstruiert. Woran gewiss die häppchenweise und geheimnisvolle Informationspolitik der Behörden nicht ganz unschuldig war. Der örtliche Lokaljournalist Georg Sander, damals gerade 31 Jahre alt, würde noch lange Zeit darüber berichten können.