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Seifritz hatte sich auch nach der Rückkehr Lackners strikt an die Anweisung der Kidnapper gehalten, nicht vor 10 Uhr Alarm zu schlagen. Sein Stellvertreter, den er gegen 9.30 Uhr in das Verbrechen einweihte, forderte die sofortige Einschaltung der Polizei. Seifritz wehrte aus Sorge um die Tochter zunächst ab und bekam spontane Schützenhilfe von Sekretärin Karin Rüger, die den stellvertretenden Sparkassendirektor beherzt am Arm packte und davon zurückhielt, die Polizei zu rufen.

Doch letztlich rangen sich die beiden Männer dazu durch, den örtlichen Leiter der Polizeidirektion, Josef Walser, zu einem Gespräch herzubitten. Möglichst ohne großes Aufsehen.

In dem verschachtelten Gebäudekomplex der Göppinger Polizeidirektion war gerade die montägliche Frühbesprechung zu Ende gegangen, als die Vorzimmerdame von Direktor Josef Walser ein Gespräch von der Kreissparkasse zu ihm weiterleitete. Er vernahm eine Frauenstimme, die ihn ohne lange zu zögern im Befehlston anwies: »Sie sollen um 10 Uhr kommen. Herr Seifritz und der Landrat warten auf Sie.« Die Anruferin wartete keine Nachfrage ab, sondern wiederholte mehrmals: »Um 10 Uhr. Aber keine Minute früher.«

Walsers Versuch, einen Grund für diese seltsame Aufforderung zu erfahren, blieb erfolglos. Die Anruferin beendete das Gespräch. Walser, ein groß gewachsener hagerer Mann, der seit 1973 die Polizei in Göppingen leitete, spürte, dass etwas nicht stimmte, wie er Augenblicke später seinen Kollegen Karl Geiger, den Leiter der Kriminalpolizei, wissen ließ. Für einen kurzen Moment war Walser zwar über den Befehlston aus der Kreissparkasse leicht verstimmt gewesen, wonach er keine Minute früher als 10 Uhr kommen dürfe. Dann aber überwog die Sorge, dort könne etwas im Gange sein, das sofortiges Handeln erforderte. Er sah auf die Uhr: kurz nach 9.30 Uhr.

Es erschien ihm angeraten, den Kripochef zu dem Termin mitzunehmen. Noch auf der knarrenden Holztreppe in den Hof hinunter begegneten sie dem Leiter der Schutzpolizei und dem jungen Oberkommissar Jürgen Holder, der erst vor vier Monaten zum Leiter der neu gegründeten Stelle des Sachbearbeiters für Öffentlichkeitsarbeit – kurz Ö genannt – bestimmt worden war. Walser stoppte die beiden, die zu einem Arbeitsessen mit dem Bürgermeister der Landgemeinde Gruibingen gehen wollten. Bei Schwäbischen Kutteln sollte die polizeiliche Vorgehensweise fürs Dorffest besprochen werden. Daraus wurde jetzt nichts. Walser erklärte kurz, dass sie sich möglicherweise auf einen größeren Einsatz vorbereiten müssten.

Die Gentlemen-Gangster

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