Читать книгу Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm - Страница 18

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Marion stand einige Sekunden lang tief durchatmend vor der Hütte am Waldrand. Für einen Moment verspürte sie unendliche Erleichterung, doch dann befiel sie wieder die dumpfe Sorge um ihren Vater.

Das Tageslicht blendete sie, und die bewaldeten Hänge verschafften ihr Gewissheit darüber, wo sie sich befand: irgendwo im Remstal, das sich vom Großraum Stuttgart in Richtung Aalen zog.

Sie erinnerte sich, heute Früh in der Dunkelheit das Streulicht eines Ortes wahrgenommen zu haben. Vielleicht Schorndorf.

Weil ihre Beine vom langen regungslosen Sitzen schmerzten, wirkten ihre Schritte unbeholfen. Als würde sie vom Unterbewusstsein vor etwas gewarnt, blieb sie sofort wieder stehen, um sich prüfend umzusehen. Doch da war niemand. Auch der Mann nicht, der erst vor wenigen Minuten verschwunden war. Aber die dichten Obstbaumreihen versperrten die Sicht.

Am unteren Ende wurde die steil abfallende Wiese von einem Feldweg begrenzt, der sich durch diese Streuobstwiesenlandschaft weiter abwärts schlängelte.

Marion wollte so schnell wie möglich weg, beschleunigte deshalb ihre Schritte, auch wenn die Füße wehtaten, aber jetzt beflügelt von dem Gedanken, ihrem Vater berichten zu können, dass alles ein gutes Ende genommen habe. Hoffentlich für ihn auch, flehte sie. Sie begann zu rennen, obwohl sie die nach vorne gefesselten Hände in der Bewegungsfreiheit behinderten.

Als drei Personen auftauchten, die ihr entgegenkamen, stoppte sie abrupt ihren Lauf, weil ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss: Komplizen der Gangster?

Augenblicke später fiel ihr ein tonnenschwer Stein vom Herzen: Dem Äußeren nach zu urteilen, waren es wohl harmlose Spaziergänger. Aus Scham, sich als Opfer eines Verbrechens zu erkennen geben zu müssen, ließ sie ihre gefesselten Hände unter der Jacke verschwinden und erkundigte sich nach einer Telefonzelle, ohne in diesem Augenblick dran zu denken, dass sie gar kein Geld bei sich hatte. Doch die Schilderungen der Angesprochenen waren ohnehin wirr und ließen noch eine weite Wegstrecke befürchten, weshalb sie sich bedankte und einfach weiterging. Sie ignorierte die kritischen Blicke und nahm ihren Spurt wieder auf. Als zwischen den Obstbäumen die ersten Häuser in Sicht kamen, war sie fest entschlossen, dort irgendwo zu klingeln, um möglichst schnell telefonieren zu können. Doch in dem Neubaugebiet schien vormittags niemand daheim zu sein. Sie ging von Haus zu Haus, las das Straßenschild »Konnenbergstraße« und war sich noch immer nicht im Klaren, in welcher Gemeinde sie sich befand.

An zwei Häusern hatte niemand geöffnet, auch die Sprechanlagen waren stumm geblieben. Erst beim dritten Gebäude hörte sie gleich nach dem Klingeln Schritte hinter der Tür. Sie verbarg ihre gefesselten Hände, weil sie niemanden erschrecken wollte. Als geöffnet wurde, versuchte sie, einer verdutzten Frau so ruhig wie möglich zu erklären, dass sie entführt worden sei und dringend telefonieren müsse.

Die Angesprochene war von diesen Worten und dem verstörten Verhalten der jungen Frau völlig entgeistert, zögerte für einen Moment und wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Sie deutete irritiert auf das Telefon, das in der Diele auf einer Kommode stand. Marion ging dankend dorthin, blieb aber beim Telefon mit dem Rücken zu der Frau stehen, damit diese nicht sehen konnte, wie sie sich mit gefesselten Händen zitternd abmühte, die Wählscheibe für die Durchwahlnummer zum Büro ihres Vaters zu drehen.

Die Hausbewohnerin war langsam in einen der Räume zurückgegangen, wo zwei Freundinnen, mit denen sie Kaffee getrunken hatte, bereits über die merkwürdige Besucherin rätselten.

Während sich die Telefonverbindung nach Göppingen aufbaute, wurde sich Marion bewusst, dass sie ihrem Vater ihren Aufenthaltsort gar nicht würde nennen können. Sie rief deshalb in Richtung des Zimmers: »Entschuldigung, wo bin ich überhaupt?«

»In Schorndorf, Konnenbergstraße«, kam es zurück.

Es vergingen endlose bange Sekunden, bis sich ihr Vater meldete und sie ihm dies mitteilen konnte.

Die Gentlemen-Gangster

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